Dienstag, 30. Januar 2018

Geschichte(n) der Stadt Donzdorf 

© Dr. Gabriele von Trauchburg


Teil 2: Älteste Hinweise auf das Christentum in Donzdorf - Grabbeigaben aus den Alamannengräbern in der Rosenstraße


Mehrere Ursachen führten in den Jahren 259/260 zur Aufgabe des Limes, dem Grenzsystem der Römer in Süddeutschland. Die Römer zogen sich hinter eine überwiegend von den Flüssen Rhein, Iller und Donau natürlich gebildete Grenze zurück. 

In das entstandene Machtvakuum beim Schwarzwald, der Schwäbisch Alb und des Allgäus drangen Alamannen vor. Sie errichteten in den von den Römern geschaffenen Kulturlandschaften neue Siedlungen mit der Endsilbe -ingen - Plochingen, Esslingen, Uhingen, Göppingen, Eislingen, Gingen, Geislingen, Überkingen und Deggingen, um hier die entsprechenden Orte des Filstals zu nennen. Die neuen Ortsgründungen lagen oftmals in direkter Nähe zur ehemals römischen Besiedlung. 

Über die Christianisierung der Alamannen weiß man noch wenig. Hinweise ergeben sich aus ihren Grabbeigaben. Die Alamannen legten ihre Toten in heute als Reihengräber bezeichnete Friedhöfe. Die Toten erhielten ihrem Status innerhalb der Dorfgemeinschaft gemäß Beigaben für ihr Leben im Jenseits. Für Frauen war das neben ihrer Kleidung deren Verzierung mit Fibeln, eine Art Sicherheitsnadeln, auch Gürtel - zum Teil aus Perlen - und daran befestigt eine Spindel. Die Männer wurden in ihren Uniformen beerdigt. Ein Teil davon war ein Gürtel an dem sogenannte Zungen befestigt waren. Diese waren bei reichen Männern mit Mustern verziert. 

Die Donzdorfer Alamannengräber

Erstmals stieß man 1901 beim Bau der Eisenbahnlinie Süßen-Weißenstein auf die Überreste eines alamannischen Friedhofs. In den 1920er Jahren kamen weitere Funde am Beginn des Gingener Wegs zutage und dann in den 1960er Jahren in der Rosenstraße. Die bis dahin schon zahlreichen Funde führten dazu, dass man das Donzdorfer Reihengräberfeld einer systematischen Untersuchung unterzog.
Auf noch unbebautem Gelände zwischen Gingener Weg und Rosenstraße konnten insgesamt 100 Gräber mit 106 Bestattungen nachgewiesen werden, darunter zwei enthauptete, auf die Bauchseite gelegte Pferde, die ihrem Besitzer im Jenseits zur Verfügung stehen sollten. Auch die hohe Anzahl der auf diesem kleinen Raum gefundenen Spathen (= 2schneidiges Schwert, Hauptwaffe der Männer) - nämlich 19 - weist darauf hin, dass in diesem Bereich des Gräberfeldes die in der Hierarchie hochrangigen Dorfmitglieder beerdigt worden waren.

Das Grab der Dame von Donzdorf

Der wohl schönste und aussagekräftigste Fund kam 2,48 m unter der Erdoberfläche zutage - das Grab der sogenannten Dame von Donzdorf. Es enthielt nur wenige, aber dafür besonders qualitätsvolle Beigaben. Um den Hals hatte sie einst eine Kette aus Glas- und Goldperlen getragen. Auf der Brust waren rechts und links je eine etwa 5 cm im Durchmesser große, goldene, mit dunkelrotem Alamandin (= Halbedelstein) verzierte Brosche an ihrer Kleidung befestigt gewesen. Am Ringfinger der linken Hand hatte ein goldener Ring mit Aufbau gesteckt.
Zu ihrer Kleidung hatte ein Wickelrock gehört, der von zwei prachtvollen, knapp 14 cm große Bügelfibeln (= eine Art Sicherheitsnadeln) aus Silber zusammengehalten wurde - ähnlich den Schottenröcken. Die Bügelfibeln waren aus massiven Silber gegossen. Deutlich erkennt man darin Spiralen, menschliche Masken und Tierleiber, die feuervergoldet sind. Die bei der Dame von Donzdorf gefundenen, in die 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts datierten, großen Bügelfibeln stammen wohl ursprünglich aus Jütland.

Fibeln aus dem Grab der Dame von Donzdorf, 1. Hälfte 6. Jh. - © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Heute sind diese wertvollen Stücke in der Schausammlung "LegendäreMeisterWerke" im Alten Schloss in Stuttgart zu sehen. 

Der älteste Hinweis auf das Christentum in Donzdorf - ein Kreuzzeichen


Bei den Ausgrabungen in der Rosenstraße entdeckte man auch mehrere Männergräber. Dabei entdeckte man am Gürtel, die mit Zungen aus Metall verziert waren. Nachdem diese Zungen gereinigt waren, zeigten diejenigen aus einem Grab auf dem Areal Rosenstraße bei näherer Betrachtung, dass sich am Beginn ihrer Inschrift ein Kreuz befindet. Anschließend kann man folgende Worte entziffern: ungetrübt (lauter, rein) möge sich jener der (ewigen) Ruhe erfreuen, der gegürtet war.
Der Fundort - der alamannische Friedhof von Donzdorf, Zungen an einem Gürtel sowie das Kreuz und die Inschrift auf jeder einzelnen Zunge - lässt sich mit einem Vers im Lukas-Evangelium 12, 34-35 in Verbindung bringen. Hier findet sich die Aufforderung, man solle gegürtet vor den Herrn treten - eine Aufforderung, die der Träger dieses Gürtels wortwörtlich genommen hatte. (Fotos zu den Metallzungen s. unten: www.inschriften.net)

Zeitliche Einordnung

Der Gürtel mit seinen Zungen wird in die Mitte bis zum Ende des 7. Jahrhunderts datiert.


Quellen und Literatur

http://www.inschriften.net/landkreis-goeppingen/inschrift/nr/di041-0001.html#content
https://www.museum-digital.de/bawue/index.php?t=objekt&oges=30
Eduard M. Neuffer, Das Adelsgrab im Reihengräberfeld von Donzdorf, in: Donzdorf - Heimatbuch, hrsg. v. d. Stadt Donzdorf, Donzdorf 1976 - Abbildung der Bügelfibeln der Adeligen von Donzdorf S. 24, Tafel 5. 

 

Dienstag, 2. Januar 2018

Geschichte(n) der Stadt Donzdorf - Teil 1: Das Scharfenschloss

© Dr. Gabriele von Trauchburg


Eigentlich ist es seltsam, dass Donzdorf erst ziemlich spät - nämlich 1275 - das erste Mal schriftlich erwähnt wird. Die Erklärung für diese Phänomen ist jedoch ziemlich einfach: es hängt damit zusammen, dass der Ort ursprünglich kein Herrschaftssitz gewesen ist. Der Herrschaftssitz war die Höhenburg Scharfenberg, auch Scharfenschloss, genannt. Aus diesem Grund wird jetzt das Augenmerk auf diese mittelalterliche Burg gelegt.

Strategische Lage

Der Kegel, auf dem die Ruine des Scharfenschlosses steht, ist von allen Seiten weithin sichtbar. Die Ruinen der mittelalterlichen Burg verschwinden heute hinter dem auf dem Kegel wachsenden Wald.
Die Lage der mittelalterlichen Burg weist alle typischen Eigenschaften eines derartigen Gebäudekomplexes auf.

Am Fuß der Ruine Scharfenschloss - © GvT
Die Ruine Scharfenschloss thront oberhalb von Donzdorf in 617 Metern Höhe auf einer vom Albtrauf unabhängigen Bergkuppel. Auf diese Weise war die alte, durch einen Mauerring geschützte Burg nahezu uneinnehmbar.
Der älteste Teil der Anlage ist der ehemalige Palas, der Wohnturm. Er ist in seinem Stumpf heute noch erhalten. Später kamen zwei große, mehrstöckige Gebäude hinzu, deren Grundrisse sich den Gegebenheiten auf dem Berg anpassten. Teilweise bestehen Teile des Palas und eines der großen Gebäude aus staufischen Buckelquadern.

Mauer der Ruine Scharfenschloss mit staufischen Buckelquadern (links) - © GvT
 Von der Burg besitzt man einen weiten Blick über den westlich gelegenen Albtrauf sowie das mittlere und untere Filstal. Durch das Filstal verlief eine Königs- oder Reichsstraße, die ständig unter besonderer Beobachtung stand.

Blick vom Scharfenschloss nach Westen entlang des Albtraufs - © GvT
In Süßen teilte sich diese Straße. Der eine Teil führte weiter über das Filstal nach Geislingen, dann nach Ulm und weiter Richtung Süden. Auf diesem Teil zogen die deutschen Könige und viele Kaufleute mit ihren vollbeladenen Wagen.  Der andere Teil der Straße führte ins Lautertal und von dort zum wohl niedrigsten Albaufstieg in Weißenstein.
Blick von der alten Donzdorfer Steige über den Kirchturm von St. Georg in Unterweckerstell zur Ruine Scharfenschloss - © GvT
Doch auch in Donzdorf gab es eine Steige. Von Donzdorf führte der Weg weiter nach Unterweckerstell und von dort hinauf auf die Albhochfläche. Dieser Weg lag direkt unterhalb der Burg Scharfenberg, der Ort und seine Steige gehörte zum Besitz der Burg. Diese Steige diente vor allem der Verbindung von Schwäbisch Hall und Schwäbisch Gmünd über Geislingen nach Ulm. 
Aufgrund der Kontrolle dieser drei wichtigen Albaufstiege kam der Burg Scharfenberg eine wichtige strategische Bedeutung zu.

Die Herren von Scharfenberg 


Der Name Scharfenberg taucht erstmals 1156 in einer Urkunde des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa für das Kloster Maulbronn auf. Darin werden die beiden Herren Otto und Friedrich von Scharphinberch genannt. Einer ihrer Nachfahren war Gottfried von Scharfenberg, der 1194 mehrere seiner Leute an das Stauferkloster Lorch übergab, und der Zeuge für Kaiser Friedrich II, Heinrich von Scharfenberg 1214.
Diese beiden Urkunden legen nahe, dass die Burg Scharfenberg mit ihren heute noch sichtbaren staufischen Buckelquadern in der Zeit des großen Herrschergeschlechts angelegt wurde, und deren Inhaber zum Gefolge der Staufer gehörten.

Die Grafen von Helfenstein und die Herren von Rechberg

Zwischen 1194 und 1307 gibt es keine Nachrichten über die Burg und ihre Inhaber. In der Zeit des Niedergangs der Staufer 1268 und den anschließenden politischen Unruhen im Reich muss die Burg - aus welchen Gründen auch immer - zuerst in die Hand der Grafen von Helfenstein gelangt sein.
Doch deren wirtschaftliche Schwierigkeiten am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts sorgten dafür, dass die strategisch wichtige Burg 1307 an Albrecht von Rechberg-Staufeneck, genannt der Landvogt und Vogt von Achalm und Hohenstaufen, übergeben werden musste. Der Landvogt war ein hoher Beamter, der im Auftrag des Königs dessen Besitz in einer festgelegten Region verwaltete. 
Im Jahre 1309 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Albrecht von Rechberg und dem Grafen Ulrich von Helfenstein. In dessen Verlauf überfielen der Graf und seine Anhänger den königlichen Landvogt Albrecht, nahmen ihn gefangen, entwendeten ihm seine Pfandbriefe und zerstörten sie. König Heinrich VII. ließ ihm neue Pfandbriefexemplare 1312 in Pisa ausfertigen.
Bisher ist nicht eindeutig zu ermitteln, worum es bei dem Streit zwischen Albrecht von Rechberg und Ulrich von Helfenstein ging. Aber die Zerstörung der Pfandbriefe in der Hand von Albrecht von Rechberg lässt darauf schließen, dass Rechberg ein finanziell gut gestellter Adeliger und der Helfensteiner bei ihm verschuldet war. Es ist durchaus möglich, dass Albrecht von Rechberg mit Hilfe seines Pfandbriefes versuchte, dauerhaft die Burg Scharfenberg an sich zu bringen.  
Am Ende der Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern erscheint die Burg auf dem Scharfenberg wieder in helfensteinischer Hand. Doch 1379 verloren die Helfensteiner die Burg letztendlich für immer. Gebhard von Rechberg-Illeraichen kaufte die Burg den nun finanziell nahezu ruinierten Grafen von Helfenstein in jenem Jahr ab.

Die Burg Scharfenberg und die Rechberg

Ab 1379 verblieb die Burg, der zugehörige, am Fuß des Bergkegels gelegene Scharfenhof sowie der halbe Teil der Herrschaft Donzdorf ununterbrochen bis 1732 im Besitz der Herren von Rechberg-Illeraichen. Es bildete sich sogar eine eigene Linie Seitenlinie Rechberg-Scharfenberg aus, die allerdings bereits 1549 im Mannesstamm erlosch. Somit wurde Margarethe von Rechberg-Scharfenberg die Erbin dieser Seitenlinie. Sie war jedoch schon seit 1536 mit Hans von Rechberg-Illeraichen aus dem Hauptzweig der Familie verheiratet, sodass der Besitz dieser Seitenlinie mit dem des Hauptzweiges der Familie wieder zusammengeführt wurde.

Giebelmauer des nördlichen Gebäudes mit Renaissance-Elementen - © GvT

Überreste des nördlichen Gebäudes - © GvT

Dieses Ehepaar Hans und Margarethe von Rechberg-Illeraichen erbaute das Renaissanceschloss in Donzdorf und verließ die mittelalterliche Höhenburg. Der Schwerpunkt der Herrschaft verlagerte sich nun ins Tal nach Donzdorf. Auf der Burg lebte fortan nur noch ein Verwalter mit seiner Familie.
Im 18. Jahrhundert wechselte die Burg dreimal den Besitzer. Durch Erbschaft gelangte sie an die Familie von Reichenstein und Baumgarten. Diese verkaufte 1735 Herrschaft und Burg an Württemberg. 1745 kaufte die andere Linie - Rechberg-Weißenstein - den württembergischen Anteil der Herrschaft Donzdorf und damit auch Burg Scharfenberg zurück (Vgl. Donzdorfer Kapellenweg - Teil 3: Barbarakapelle).
Inzwischen war der Verfall der Burg weit fortgeschritten. Da trotz intensiver Suche keine sinnvolle Nutzung für die Burg im 19. Jahrhundert gefunden werden konnte, wurde sie dem Zerfall preisgegeben. Zuletzt wechselte die Burgruine 1971 den Besitzer.


Quellen und Literatur

- GRFAD - einschlägige Archivalien und Chronik des Pfarrers Joseph Rink
- Württembergisches Urkundenbuch Bd. II, S. 299, Nr. 485 - https://www.wubonline.de/?mp=1&md[visiblemask]=0
- Trauchburg, Gabriele von, Die Rechbergischen Adelssitze als Spiegel familiären Aufstiegs, in: Adelssitze - Adelsherrschaft - Adelsrepräsentation in Altbayern, Franken und Schwaben, Neuburg a.d. Donau 2012, S. 85-133
- https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Scharfenberg_(Donzdorf)


Montag, 1. Januar 2018

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Teil 1: Die ersten Einschätzungen zum kunsthistorischen Wert der Wallfahrtskirche

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg



 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


Teil 1: Die ersten Einschätzungen zum kunsthistorischen Wert der Wallfahrtskirche


Die kunst- und kulturhistorische Bedeutung der Innenausstattung in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg wurde über eine lange Zeit von Einschätzungen aus der zweiten Hälfte des 19.  und des beginnenden 20. Jahrhunderts geprägt. Karl Eduard Paulus ließ sich positiv von dem Reichtum der Stuckaturen beeindrucken, wie aus seiner Darstellung in der Oberamtsbeschreibung Gmünd von 1870 zu erkennen ist: Kräftige Portale führen in das Innere, einen weiten, schöngegliederten von Kreuz- und Tonnengewölben überspannten Raum, überraschend durch den Reichthum und die Pracht seiner Stuckaturen, welche die vielen Fresken an Wänden und Decke umziehen und sich über Pilaster, Altäre und Kanzel erstrecken. Aus ihren reichen Laubgewinden blicken viele treffliche Figuren besonders Engelsgestalten, und um die Kanzelbrüstung sitzen die vier Evangelisten. Auch die Kirchenstühle, und namentlich die Beichtstühle, sind von sehr bemerkenswerther Schönheit.

Die Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg, 1686-1689 - © GvT

Der in Schwäbisch Gmünd geborene Theologe und spätere Bischof Paul Wilhelm Keppler beschrieb in den 1888 erschienenen ‘Württembergs kirchliche Kunstalterthümer’ die Innenausstattung mit den kurzen Stichworten etwas grobe Stuckatur. Weitere Informationen zum Künstler oder zu den Ausführungen sucht man hier vergeblich. Die von Keppler gewählte Beschreibung lässt sich vor dem Hintergrund der durch Johann Michael Keller in Schwäbisch Gmünd eingeführten, leicht und graziös wirkenden Rokoko-Stuckaturen verstehen.

Eduard Paulus beschrieb im dritten Band der ‘Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg' von 1907, der dem Jagstkreis und damit u.a. dem Oberamt Gmünd gewidmet ist, in wenigen Sätzen die Innenausstattung von Hohenrechberg. Im Innern Tonnen und Kreuzgewölbe mit derben Stuckverzierungen, die sich auch auf Altäre und Kanzel erstrecken, Laubgewinde mit Figuren von Engeln u.a. An der Kanzelbrüstung sitzen die vier Evangelisten in frei sich lösenden Figuren. ... Wo sich Keppler noch leicht negativ über die Ausstattung äußerte, hat Paulus zwanzig Jahre später ein deutlich abfälligeres Urteil gefällt.

In den von Georg Dehio begründeten Deutschen Kunstdenkmälern enthielt man sich einer Bewertung und beschränkte sich darauf, den Stuckateur Prosper Brenner zu benennen und zwar in der ins Deutsche übertragenen Version seines italienischen Namens. Danach verweist man auf die Volutengiebel. Besondere Eigenheiten, wie die abgebildeten mediterranen Früchte, bleiben unerwähnt.

Ob und welche dieser Einschätzungen nun tatsächlich die Bedeutung der Innenausstattung der  Wallfahrtskirche gerecht wird, werden die nachfolgenden Kapitel erweisen.

Quellen und Literatur

- Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer, Beschreibung des Oberamts Gmünd, hrsg. v. d. Königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1870, S. 405 - https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Gm%C3%BCnd/Kapitel_B_17

- Paul Keppler, Württemberg’s kirchliche Kunstalterthümer, Rottenburg am Neckar 1888, S. 135 - https://archive.org/stream/wrttembergskirc00keppgoog#page/n215/mode/1up

- Eduard v. Paulus/ Eugen Gradmann (Hrsg.), Die Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg - Jagstkreis, Esslingen 1907, S. 453 - https://archive.org/stream/bub_gb_yxArAAAAIAAJ#page/n467/mode/2up

- Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler - Baden-Württemberg I (Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe), bearb. v. Dagmar Zimdars, München 1993

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Teil 2: Der Künstler des italienischen Barocks in Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg, September 2017


Teil 2: Der Künstler des italienischen Barocks in Hohenrechberg

Mit Prospero Brenno zog der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg ein. Im folgenden soll dieser Mann und anschließend sein Werk vorgestellt werden.

Biographische Daten zur Familie des Prospero Brenno

Es ist einigermaßen schwierig, die in der Literatur und im Netz kursierenden genealogischen Details zu einem stimmigen ganzen zusammenzustellen. Hier ein erster Versuch:

Prospero Brenno - in einer Innsbrucker Auflistung als Paolo bezeichnet - entstammt einer Tessiner Stuckatorenfamilie des 17. und 18. Jahrhunderts, deren Werke man in Ober- und Niederbayern, Franken, Bayerisch-Schwaben, Salzburg und Dänemark findet. Während der Stuckateur Prospero in Hohenrechberg unter dem Namen ‘Brenno’ bekannt ist, heißt die Familie in ihren Heimatort ‘Brenni’.

Der Vater von Prospero Brenno war Giulio Brenni (1609–1682). Seine Ehefrau hieß Lucrezia, weitere Details zu ihrer Herkunft fehlen. Die Familie kommt aus Salorino im Bezirk Mendrisio des schweizerischer Kantons Tessin. Giovanni Prospero Brenni (1638–1696) - so sein voller Name -  war verheiratet mit Marta Vassalli (gestorben 1707), die aus einer Familie von Architekten und Stuckateuren aus Riva San Vitale stammt.
Das Paar hatte mindestens zwei Söhne, Giulio Francesco (1667–1694) und Paolo Gerolamo (1673–1698). Beide sind als Stuckateure im Schwäbischen und in Franken nachweisbar.

Prospero Brenno hatte noch einen Bruder, Giovanni Battista II. (1649–1712). Zeitweise arbeiteten die beiden Männer zusammen in Würzburg (1670) und in München (1673-75). Später ließ sich Giovanni Battista II. in Würzburg nieder und stattete eine Reihe von Kirchen, darunter die Klosterkirche Ebrach aus. Zu seinen Mitarbeitern im Kloster Ebrach zählte sein Neffe Giulio Francesco.
Der Sohn von Giovanni Battista II. war Carlo Enrico Antonio Brenni (1688–1745). Nachdem er zunächst bei seinem Vater gelernt und gearbeitet hatte, wanderte er weiter nach Norden, arbeitete in St. Michaelis in Hamburg, im Schloss Eutin bei Lübeck, wurde schließlich Hofstuckateur in Dänemark und stattete die Schlösser Fredensborg und Clausholm aus.

Die erste Generation der Brenni in Deutschland begann als saisonale Stuckateure in Altbayern, Schwaben, Salzburg und Franken. Giovanno Battista II. ließ sich in Franken nieder, von wo aus seine Nachkommen ihr Handwerk fortsetzten.
In der Literatur wird Prospero Brenno als Wanderhandwerker oder Wanderkünstler in Franken, Altbayer und Schwaben beschrieben. Ob ihm diese Charakterisierung gerecht wird, muss im Laufe der Untersuchung im Auge behalten werden.

Quellen und Literatur

Heunoske, Werner, Tessiner Stuckatoren im Umkreis des Münchner Hofes: Die Brüder Prospero und Giovanni Battista II. Brenno, in: Zeitschrift für Schweizere Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 61/2, 2004, S. 117-142
Heunoske, Werner, Hauptwerke der Tessiner Stuckatoren Brenni in den Hochstiften Würzburg und Bamberg, in: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/icomoshefte/article/viewFile/20434/14220
https://www.uibk.ac.at/aia/brenno_paolo.html
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Prospero.html
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Francesco.html
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_GiovanBattista-II.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Salorino - Stichwort: Persönlichkeiten
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D25589.php
http://www.herrenchiemsee.de/deutsch/a_schloss/sakral.htm
http://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=11197642
http://www.treccani.it/enciclopedia/brenno_(Dizionario-Biografico)/
Ramharter, Johannes, "Weil der Altar altershalben unförmblich und paufellig ...": Rechtsfragen zur Ausstattung von Sakralbauten im Salzburger Raum, Wien u.a. 1996 - https://books.google.de/books?id=9GxXntJ0JBEC&pg=PA127&lpg=PA127&dq=Salzburg+Kajetanerkirche+Brenno&source=bl&ots=oQWtnsX262&sig=Z23oAshEQmYJhlMpTZxOEI7cqBs&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi_8Litx97XAhVNKuwKHYNzBtgQ6AEIUjAK#v=onepage&q=Salzburg%20Kajetanerkirche%20Brenno&f=false

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Teil 3: Die Arbeiten des Prospero Brenno

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg



© Gabriele von Trauchburg



Teil 3: Die Arbeiten des Prospero Brenno


Über den 1638 geborenen  Prospero Brenno gibt es bis zum Alter von 34 Jahren keinerlei schriftliche Nachrichten. Das bedeutet, dass man keine Informationen über seine Ausbildung und seine ersten Aufträge besitzt. Auch für die Zeit danach findet man nur wenige schriftliche Unterlagen. Vielfach ist man deshalb darauf angewiesen, durch Stilvergleich die Werke Brennos zu identifizieren.

Würzburg, Rathaus - 1672
Erstmals in Akten nachweisbar wurde Prospero Brenno im Jahre 1672, als er in Würzburg den großen Saal im sogenannten ‘Roten Bau’ des Rathauses stuckierte. Dieser Saal wurde während des 2. Weltkriegs zerstört. Nur wenige alte Fotos sind erhalten geblieben und geben erste Hinweise auf seine künstlerische Handschrift. Mehrfach zeigen sie auffallend große Engel.

München, Theatinerkirche - 1673-1675
Im Jahr darauf findet man Prospero Brenno und seinen jüngeren Bruder Giovanni Battista II. sowie etwa 10 weitere Italiener auf der Baustelle der Münchner Theatinerkirche. Dort arbeitete Brenno ein Jahr lang unter der Leitung des aus Nürnberg gekommenen Carlo Moretti Brentano. Im Folgejahr 1674 ist Brentano wieder in Nürnberg, wo er die Decke im Fembohaus (Stadtmuseum) anfertigte.
Obwohl 1674 auch noch die Bauleitung von Agostino Barelli an Enrico Zucalli übergegangen war, arbeitete Prospero Brenno weiterhin in der Theatinerkirche. Er erhielt 7 Gulden pro Woche !!! als Arbeitslohn.
Der Stilvergleich mit seinen späteren Werken legt nahe, dass Brenno eine herausragende Position bei der Gestaltung der Theatinerkirche eingenommen hatte, es wird sogar angenommen, dass Brenno die Leitung der Stuckateure inne gehabt hatte, was aufgrund der Lohnhöhe durchaus gerechtfertigt wäre.

Theatinerkirche München - © GvT


München, Residenz - 1675
Kurz vor dem Abschluss der Stuckarbeiten in der Theatinerkirche wurde Brenno laut einer Anekdote 1675 von der Theatinerbaustelle abgeworben, um die Gestaltung der neuen Räume der Kurfürstin Henriette Adelaide vorzunehmen. Von ihren Zimmern ist heute nur noch der Deckenstuck im vierten Sommerzimmer erhalten geblieben. 

Salzburg, Annenkapelle in der Franziskanerkirche - 1679-80
Der nächste bekannte Auftrag führte Prospero Brenno in die Franziskanerkirche nach Salzburg. Dort wurde der Chor der gotischen Hallenkirche barockisiert. Hier stattete Brenno 1680 die Annakapelle aus. 
Gegenwärtig gilt aufgrund der Signatur 1680 PBSF ein 'Paolo Brenno (aus) Salorino fecit' als der Urheber der Stuckaturen in dieser Kapelle. Zwei Gründe sprechen jedoch gegen diese Interpretation des Künstlernamens:
  1. Wirft man einen Blick auf die im vorigen Kapitel beschriebenen biographischen Daten der Familie Brenno, so zeigt sich, dass der einzige bekannte Paolo Brenno der 1673 geborene Sohn von Prospero war. Dieser hätte dann im zarten Alter von 7 Jahren die Kapelle gestaltet - was doch wohl definitiv unwahrscheinlich ist.  
  2. zeigt ein Stilvergleich mit den nachfolgenden Werken von Prospero Brenno, dass sie in Teilen der Komposition wie der Ausführung mit der Gestaltung der Annakapelle übereinstimmen.
Erzbischof Max Gandolf Kuenberg stiftete 1679 die Annakapelle in der Franziskanerkirche. Im Gegensatz zu den benachbarten, überwiegend in Weiß gehaltenen Stuckaturen wählte der Stifter schwere, von dunkler Bronze überhöhte Stuckarbeiten. Die Kapelle besitzt einen Stuckaltar mit Engelkaryatiden - wie in Hohenrechberg.

Annenkapelle in der Franziskanerkirche in Salzburg - © GvT


Niederbayern, Saldenburg - um 1682
Die ab 1368 errichtete Burg Saldenburg gelangte 1677 in den Besitz der Grafenfamilie Preysing, die wie die Grafenfamilie Rechberg zum engsten Zirkel am kurfüstlichen Hofe in München zählte.
Durch einen Blitzschlag wurde der Wohnturm teilweise zerstörte und im Anschluss im Barockstil wiederhergestellt. Im Speisesaal und in der Burgkapelle sind die von Prospero Brenno angefertigten Stuckaturen zu sehen.   
In dieser Zeit arbeitete Prospero höchstwahrscheinlich auch in der Steinfelskirche in Landau/Isar.

Tegernsee, Klosterkirche St. Quirinus - ab 1678
Die Barockisierung der Tegernseer Klosterkirche St. Quirinus erfolgte ab 1678 nach den Plänen von Enrico Zuccalli. In die ursprünglich gotische Kirche wurde ein Querhaus eingezogen, wodurch auch eine Vierung entstand. Anschließend an die Bauarbeiten entstand bis um 1690 die reiche Stuckierung.
Die üppige, ganz in Weiß gehaltene Stuckdekoration mit Fruchtgehängen und Engelsfiguren stammt von italienischen Stuckateuren, deren Namen nicht überliefert sind. Bisher wurden die Stuckaturen in St. Quirinus Niccolò Perti zugeschrieben - wohl weil sie denen in der Theatinerkirche in München und in der Klosterkirche Benediktbeuern ähneln und Perti dort ebenfalls gearbeitet hatte.
Der Stilvergleich von Tegernsee, Benediktbeuren und Hohenrechberg legt jedoch die Vermutung nahe, dass hier Prospero Brenno in herausragender Position tätig war. In diesem Fall hätte also das bereits in der Münchner Theatinerkirche bewährte Duo Zucalli - Brenno ein zweites Mal zusammen gearbeitet.

Benediktbeuern, Klosterkirche und Klostergebäude - 1683-1686
Zwischen 1683 und 1686 wird Prospero Brenno als Stuckateur der neuen Stiftskirche von Benediktbeuern genannt. Hier arbeitete er wieder mit Niccolò Perti zusammen. Weil P. Leo Weber die Werke von Prospero Brenno nicht einzuschätzen vermochte, schreibt er Niccolò Perti die in seinen Augen qualitätsvolleren Arbeiten zu ohne einen konkreten Stilvergleich vorgenommen zu haben.

Klosterkirche Benediktbeuern - © GvT


Hohenrechberg, Wallfahrtskirche - 1688-1689
Wohl im Herbst 1687 kam Prospero Brenno nach Donzdorf (Lkr. Göppingen), der Residenz des Franz Albert von Rechberg. Gemeinsam mit ihm als Auftraggeber entwickelte Brenno die Innenausstattung für die im Bau befindliche neue Wallfahrtkirche auf dem Hohenrechberg (Schwäbisch Gmünd, Lkr. Ostalb).
Im Folgejahr gipsten Brenno und seine Mitarbeiter zuerst die gesamte Kirche aus, schufen die Pilaster mit den herauskragenden Kapitellen und Gesimsen, die Decke mit ihren zahlreichen Engeln und den üppig gestalteten Chor, ehe sie 1689 die Altäre aus Stuck und zuletzt die Kanzel errichteten.

Wallfahrtskirche Hohenrechberg - © GvT


Weggental, Wallfahrtskirche 
Wie in Hohenrechberg war auch bei der Wallfahrtskirche Weggental (Rottenburg a. Neckar) der Vorarlberger Baumeister Valerian Brenner tätig. Brenno und Brenner besaßen wohl eine ähnliche Arbeitsverbindung wie zuvor Brenno und Zucalli.
In der Wallfahrtskirche zur schmerzhaften Muttergottes im Weggental schuf Brenno gemeinsam mit seinen beiden Söhne Paolo und Giulio Francesco die Kapitelle und den Chor, wie der Stilvergleich eindeutig erkennen lässt.


Wallfahrtskirche Weggental, Rottenburg am Neckar - © GvT


Birenbach, Wallfahrtskirche - um 1689
Zwischen 1690 und 1698 wurde die Wallfahrtskirche Birenbach errichtet. Weil Baupläne und Archivalien aus der Bauzeit fehlen, ist man hier besonders auf den stilistischen Vergleich angewiesen. Als Baumeister gilt wie in Hohenrechberg Valerian Brenner. Und die Pilaster und Kapitelle weisen deutlich auf Prospero Brenno hin. Offenbar bewährte sich in der Wallfahrtskirche in Birenbach ein drittes Mal das Gespann Valerian Brenner und Prospero Brenno.

Wallfahrtskirche Birenbach (Lkr. Göppingen) - © GvT

Wettenhausen, Augustinerchorherrenstift - 1694
Ein viertes Mal lässt sich die Zusammenarbeit von Valerian Brenner und Prospero Brenno beim Augustinerchorherrenstift Wettenhausen nachweisen. Beim Bau der Kirche ab 1670 war Brenner vermutlich der Palier der herausragenden Vorarlberger Baumeisters Michael Thumb.
Im Jahre 1694 arbeitet Prospero Brenno an der Stuckausstattung des Augustinerchorherrenstifts Wettenhausen im Trupp von Hans Jörg Brix. Brenno werden unter anderem die überlebensgrossen, vollplastisch gearbeiteten Engel im sogenannten Kaisersaal des Konventsgebäudes zugeschrieben. Aber es gibt auch Details in der Kirche im Bereich der Decke und des Orgelsprospektes, die zur stilistischen Handschrift von Brenno passen.

Decke im Kaisersaal des Augustinerchorherrenstifts Wettenhausen - © GvT


Giovanni Prospero Brenno stirbt am 18. Januar 1696 im Alter von 60 Jahren in Salorino. Sein Sohn Paolo Gerolamo überlebt ihn gerade einmal um zwei Jahre.


Quellen und Literatur

Heunoske, Werner, Tessiner Stuckatoren im Umkreis des Münchner Hofes: die Brüder Prospero und Giovanni Battista II. Brenno, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 61/2, 2004, S. 117-142
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Prospero.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Salorino - Stichwort: Persönlichkeiten
https://www.uibk.ac.at/aia/brenno_paolo.html
http://www.kirchen-fuehrer.info/franziskanerkirche-salzburg/fuehrung-durch-die-kirche/kapellenkranz.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Franziskanerkirche_(Salzburg)
https://www.erzbistum-muenchen.de/Pfarrei/PV-Tegernsee-Egern-Kreuth/cont/75205
Gabriele von Trauchburg, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg (Kirchenführer ), Rechberg 2016

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Teil 4: Die Verpflichtung des Stuckateurs und Bildhauers Prospero Brenno (1638-1698) für die Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg


© Gabriele von Trauchburg


Teil 4: Die Verpflichtung des Stuckateurs und Bildhauers Prospero Brenno (1638-1698) für die Wallfahrtskirche Hohenrechberg



München - Die bayerische Residenzstadt als Vermittlerin für Kunst und Künstler

Als die Pläne für den Neubau der Wallfahrtskirche auf dem Hohenrechberg voranschritten, mussten zahlreiche Handwerker und Künstler ausgewählt und unter Vertrag genommen werden. Die überwiegende Anzahl der am Bau beteiligten Männer kam aus der Umgebung von Hohenrechberg (s. die 5 Beiträge  ‘Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott’ in diesem Blog). Die Ausnahmen waren der Baumeister Valerian Brenner und der Stuckateur Prospero Brenno.
Die Verbindung zwischen Valerian Brenner und dem Auftraggeber, Bernhard Bero von Rechberg, rührt wohl daher, dass Brenner kurz zuvor für den Schwager von Bernhard Bero, Maximilian Fugger von Kirchdorf-Weißenhorn-Nordendorf, die zwischen Augsburg und Donauwörth gelegene Wallfahrtskirche Biberbach errichtet hatte.
Die Verbindung von Prospero Brenno nach Donzdorf war auf ganz anderer Ebene zustande gekommen. Prospero Brenno arbeitete in der ersten Hälfte der 1670er Jahre als Stuckateur bei der Ausgestaltung der von Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern und seiner Frau Henriette Adelaide, einer geborenen Herzogin von Savoyen, gestifteten Theatinerkirche. Von dort warb ihn der kurbayerische Hof ab, damit Brenno im neu errichteten Flügel für die kurfürstliche Familie einige der neuen Räume ausstatten konnte.
Sowohl Bernhard Bero von Rechberg, zeitweilig der höchste Beamte am Münchner Hof, wie auch sein Sohn Franz Albert, der Oberstallmeister, gehörten zum engen Zirkel am Münchner Hof. Sie erlebten tagtäglich die Baufortschritte - zuerst an der Theatinerkirche und dann am Neubau der Residenz. Welcher der beiden Rechberg-Männer letztendlich die Entscheidung für die Verpflichtung von Prospero Brenno traf, ist nicht bekannt. Beide kannten die Arbeitsweise des Stuckateurs und Bernhard Bero als Obersthofmeister wusste auch Bescheid um dessen Kosten.
Prospero Brennos Vertrag wurde schließlich von Franz Albert von Rechberg unterzeichnet, weil sein Vater kurz nach der Grundsteinlegung im Juni 1686 verstorben war. Aus diesem Grund findet man auch mehrfach die Wappen von Franz Albert und seiner Frau Katharina, einer geborenen Gräfin von Spaur, in der Wallfahrtskirche.

Das Wappen des Bauherrn Franz Albert von Rechberg (links) und seiner Ehefrau Katharina, geb. von Spaur - © GvT

Katharina von Rechberg war eine der drei beliebtesten Hofdamen der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide († 1676) gewesen und ist auf einem Gemälde in der Münchner Residenz dargestellt. Auch sie kannte die Baufortschritte in der Residenz und könnte meinungsbildend bei der Verpflichtung von Prospero Brenno mitgewirkt haben.  

Die Arbeitsverträge des Prospero Brenno bezüglich Hohenrechberg

Die Heiligenrechnungen der Wallfahrtskirche Hohenrechberg geben Aufschluss darüber, wann und wie die Entscheidungen zur Ausgestaltung des Innenraums der neuen Kirche erfolgten. Ein erster Aufenthalt geht in das Jahr 1687 zurück. Im Laufe jenen Jahres war Prospero Brenno nach Donzdorf gekommen. Während eines mehrtägigen Aufenthaltes fertigte er den Entwurf für die Ausgestaltung der Kapelle an. Dafür erhielt er eine einmalige Zahlung von 1 Gulden 27 Kreuzern.
Der Rechnungsposten über den Aufenthalt von Prospero Brenno in Donzdorf lässt einige Rückschlüsse zu. Die Heiligenrechnung datiert den Aufenthalt zwar nicht, er fand jedoch zu einem Zeitpunkt statt, als sich der Patronatsherr, Franz Albert von Rechberg, in seiner Residenz in Donzdorf aufhielt.
Das Hofleben in Europa folgte einem bestimmten Zyklus. Es dauerte meist vom Herbst bis ins Frühjahr. Ende März oder Anfang April reisten die Hofmitglieder auf ihre Ländereien, um die Getreideaussaat festzulegen und die Arbeiten über den Sommer hinweg zu überwachen. Im Herbst, nach dem Einbringen der Ernte, kehrten die Hofmitglieder in die Residenz zurück. Das Einbringen der Ernte war für jedes einzelne Mitglied von großer Bedeutung, weil das Ausmaß der Ernte über den finanziellen Spielraum für die kommenden 12 Monate entschied. Aus diesem Grund kann man bis in die Gegenwart in den europäischen Monarchien die Eröffnung des Parlaments in den Herbstmonaten verfolgen. 
Der Aufbruch hinaus auf die Ländereien erfolgte beim Münchner Hof meistens Ende März oder Anfang April, die Rückkehr geschah meist Mitte Oktober. Man darf also davon ausgehen, dass der Hohenrechberger Patronatsherr Franz Albert von Rechberg sich in diesem üblichen Zeitraum in Donzdorf aufhielt.
Das Treffen mit dem Stuckateur Prospero Brenno fand wohl Ende September oder Anfang Oktober 1687 statt. Die Arbeiten auf Baustellen endeten oft in diesem Zeitraum. Für einen Künstler war dann absehbar, wie weit sein Werk gediehen war und welche Aufträge er für das künftige Jahr annehmen konnte.

Vom Entwurf zur Ausführung
Bei dem Treffen von Franz Albert von Rechberg und Prospero Brenno entstand - laut Rechnungsposten - der Entwurf für die Innenausstattung der Wallfahrtskirche. Dieser umfasste wohl zunächst nur die Gestaltung von Decke und Wänden. Diese Vermutung ergibt sich aus der Tatsache, dass der Stuckateur von Mantriß (Mendrisio) aus der Schweiz, die Kapell auszugipsen per 350 fl und 6 Taller Leykauff verdingt worden war. Diese Arbeiten nahmen das gesamte Jahr 1688 in Anspruch. Prospero Brenno arbeitete wohl im gleichen Zeitraum wie die Maurer, nämlich vom 22. April bis 20. Oktober 1688. Am Ende dieses Zeitraums erhielt er die im Arbeitsvertrag festgelegte Gesamtsumme.

Eines der für die Wallfahrtskirche Hohenrechberg charakteristischen Kapitelle - © GvT
Bei Brennos Einstand auf der Baustelle 1688, gefeiert beim Wirt Nuding in Rechberg, wurde gleichzeitig auch noch der Vertrag über die Errichtung des Choraltars und der beiden Seitenaltäre abgeschlossen. Dieser regelte, dass der Stuckateur im darauffolgenden Jahr die gesamten Altäre und die Kanzel für die Wallfahrtskapelle anfertigen sollte. 
Nachdem notwendige Vorarbeiten erledigt waren, begann Prospero Brenno 1689 mit den Arbeiten für den Hochaltar und die beiden Seitenaltäre, anschließend gestaltete er das Oratorium, die vier Portale im Chor und zum Schluss die Kanzel. Für diese Arbeiten erhielt er insgesamt 430 Gulden.

Der rechte Seitenaltar in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - © GvT

Die Kanzel mit den 4 Evangelisten, das Innere des Oratoriums und die Verkleidung der vier Portale im Chor mit Stuck und das Trinkgeld für seine Gesellen wurden mit 98 Gulden vergütet.

Die Kanzel der Wallfahrtskirche Hohenrechberg, links im Hintergrund das Oratorium - © GvT

Außerdem hatte Brenno noch zusätzlich zu den auf seinem Entwurf eingezeichneten Stuckaturen noch 12 Engelsköpfe, die Umrahmung des Oratorium und die lebensgroße, aus Ton gearbeitete Frauenfigur auf der Außenseite gefertigt. Hierfür erhielt er noch einmal 36 Gulden.

Die nach Osten gewandte Muttergottes - © GvT

Insgesamt konnte Prospero Breno 915 Gulden in Hohenrechberg verdienen. Er ist damit der bestbezahlte Künstler und Handwerker des gesamten Bauvorhabens. 

Quellen und Literatur 

GRFAD - Heiligenrechnungen Hohenrechberg 1687-1689
Gabriele von Trauchburg, Die Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott (Teile 4 und 5), in diesem Blog

 


Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Teil 5: Die Arbeitsweise des Prospero Brenno

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg 


Teil 5: Die Arbeitsweise des Prospero Brenno

Aus der bisherigen Forschung geht hervor, dass Prospero Brenno in vielen Fällen gemeinsam mit einem Bruder, seinen Söhnen oder einem Vetter an einem Projekt arbeitete, beispielsweise in Würzburg, München oder Weggental b. Rottenburg a. Neckar. In anderen Fällen gehörte er zu einem größeren Trupp, in dem eine ganze Reihe von Stuckateuren arbeitete, etwa in München oder in Benediktbeuern.
In den Heiligenrechnungen der Wallfahrtskirche Hohenrechberg wird ausschließlich der Name Prospero Brenno genannt. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass Brenno die gesamte Ausstattung allein hergestellt hat. Vielmehr darf man auch hier vermuten, dass er nahe Verwandte in den Auftrag mit einbezogen hat. Darauf weist die Signatur am Fuß der Kanzel hin: IFBSFA1689 (s. Teil 11).

Die Arbeitswelt des Prospero Brenno lässt sich ziemlich gut anhand der Münchner Hofrechnungen ermitteln. Im Lauf der Jahrhunderte hatten die Zünfte strikte Arbeitsteilungen entwickelt, um auf diese Weise Arbeit für ihre Mitglieder zu sichern. Am Beispiel des Stuckateurshandwerks lässt sich diese Trennung und ihre Folgen besonders gut aufzeigen.
Stuckateure benötigten für die Herstellung von Bordüren oder anderer häufig wiederkehrender Ornamente aus Holz gefertigte Model. Dieses Arbeitsverfahren hatte nun zur Folge, dass Stuckateure zuerst ihre Entwürfe zu Papier brachten. Sie reichten dann die Entwürfe an einen ausgebildeten Bildhauer weiter. Der wiederum setzte die Papierzeichnungen in Holz um, so dass Model mit den gewünschten Mustern entstanden. Diese Model wurden den Stuckateuren übergeben, damit sie mit deren Hilfe die gewünschten Elemente herstellen konnten.
Prospero Brenno war nicht an diese traditionelle Arbeitsteilung gebunden, weil er in beiden Handwerken - das des Bildhauers und des Stuckateurs - ausgebildet war. Für ihn besaß diese Tatsache große Bedeutung, denn damit konnte er seine Entwürfe selbst in Holz modellieren und anschließend auch selbst die Stuckelemente herstellen - was ihm einen beachtlichen zeitlichen und finanziellen Vorteil einbrachte. Seine Fähigkeiten als Bildhauer stellte er unter anderem bei der Gestaltung der Kanzel unter Beweis. Prospero Brenno war also ein auf allen Ebenen seiner Kunst ausgebildeter Spezialist:
  1. Prospero Brenno verfügte über die Fähigkeiten, Entwürfe zur Ausstattung eines Gebäudes - sei es eine Residenz oder eine Kirche - anzufertigen. 
  2. Prospero Brenno war offensichtlich ein gefragter Stuckateur. Wenn er unter Vertrag genommen wurde, war er in der Lage, dem Auftraggeber ein Gesamtpaket vom Entwurf bis zur Fertigstellung aus einer Hand zu liefern. 

Prospero Brenno als Designer für andere Handwerker 

Die soeben gewonnene Erkenntnis hilft bei der weiteren Betrachtung der Hohenrechberger Ausstattung. Auffällig ist die Tatsache, dass nicht nur die Stuckaturen aus einer Hand gefertigt sind, sondern auch weitere Ausstattungsgegenstände wie die Beichtstühle und die Sitzbänke genau auf den Stil der Kirche abgestimmt sind und Ornamente aufzeigen, die man bis dahin in der Region sonst nicht kannte. Diese Beobachtung lässt nur einen Schluss zu: es war Prospero Brenno, der neben Decken, Wänden und Altären zudem noch die Beichtstühle und die Sitzbänke entworfen hatte. Die Ausführung erfolgte dann teilweise durch regionale Handwerker.
Diese These lässt sich eindeutig für die Sitzbänke belegen. Die Heiligenrechnungen von Hohenrechberg nennen den Schreiner Michael Frey aus Winzingen als deren Hersteller. Die Fratze im oberen Teil der Seitenwange gehört jedoch eindeutig ins stilistische Repertoire von Prospero Brenno.
Sitzbank von Michael Frey, Winzingen 1689 - mit einer Groteske, einer stilisierten Rose und einer Marienmuschel als Krönung- © GvT
Dieses Vorgehen, eigene Entwürfe fähigen Handwerkern zur Ausführung zu überlassen, eröffnete Brenno die Möglichkeit, auf mehreren Baustellen gleichzeitig als Auftragnehmer aufzutreten.  Dies scheint im Zeitraum zwischen 1688 und 1689 der Fall gewesen zu sein.

Prospero Brenno gleichzeitig an zwei Orten 

Aufgrund der Hohenrechberger Heiligenrechnungen und der darin vermerkten Arbeitsfortschritte weiß man definitiv, dass Prospero Brenno und seine Mitarbeiter 1688 und 1689 die Ausstattung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg herstellten.
Parallel entstand die Wallfahrtskirche Weggental, wo die Söhne von Prospero Brenno nachgewiesen sind. Die stilistischen Parallelen in beiden Kirchen insbesondere bei den Kompositkapitellen sind unübersehbar. Sie würden noch deutlicher zutage treten, wenn die Hohenrechberger Kapitelle noch ihren ursprünglichen Zustand - reinweiß - besitzen würden. 


  © GvT

Die Kompositkapitelle von Weggental (oben) und Hohenrechberg (unten) - © GvT

Da die beiden Projektorte rund 100 Kilometer von einander entfernt liegen, konnten die beiden Aufträge nur dann gleichzeitig erledigt werden, wenn mehrere Personen für oder mit Brenno gearbeitet hatten.
Wie schon mehrfach angeführt, lieferte Brenno die Entwürfe und seine Mitarbeiter, wahrscheinlich in den meisten Fällen enge oder nahe Verwandte - erledigten die Ausführungen. Diese Arbeitsorganisation hätte dann zur Folge, dass Brenno - abhängig vom jeweiligen Auftrag - selbst als Unternehmer tätig war. Prospero Brenno war also weit mehr als ein einfacher 'Wanderarbeiter'.

Quellen und Literatur

BayHStA München - HR (Hofregistratur) II, Fasz. 14, 115
GRFAD - Heiligenrechnungen Hohenrechberg 1687-1689
 











Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Teil 6: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Exotische Früchte in aufwändigen Gebinden

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg 


Teil 6: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Exotische Früchte in aufwändigen Gebinden


Beim Durchforsten der Literatur zu Prospero Brenno wird immer wieder deutlich, dass man bisher nicht in der Lage war, die Arbeiten von Prospero Brenno eindeutig zu identifizieren. Dies beginnt in der Theatinerkirche in München und setzt sich in der Klosterkirche Benediktbeuern fort. In beiden Fällen wird Brenno als untergeordneter Mitarbeiter betrachtet - in München als Mitarbeiter von Carlo Moretti Brentano und in Benediktbeuern von Niccolò Perti. Was war also jeweils Brennos Anteil bei der Gestaltung der beiden Kirchen?
Ausgangspunkt bei der Lösung dieser Fragestellung kann allein die Wallfahrtskirche Hohenrechberg sein, denn hier arbeitete Prospero Brenno entweder allein oder in engstem Zirkel mit seinen Söhnen und/oder Brüdern. Dies bedeutet, dass man hier die stilistische Handschrift von Prospero Brenno zu identifizieren vermag. Mit dem in dieser Kirche vorhandenen künstlerischen Repertoire sollte es möglich sein, seine Rolle sowohl in München und Benediktbeuern weiter zu erhellen. Zudem gibt es Orte, an denen bislang die Stuckatoren unbekannt sind - wie in der Klosterkirche von Tegernsee, die Arbeit jedoch sehr stark an Brenno erinnert. Möglicherweise helfen die hier neu zusammengetragenen Erkenntnisse weiter.

Mediterrane Flora auf 707 Metern über dem Meeresspiegel

Wenn man die Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg erstmals betritt, dann fallen zuerst die vielen Engel in unterschiedlichen Größen ins Auge. Erst nach und nach entdeckt man eine Fülle von mediterranen Pflanzen und Früchten. Sämtliche der im Langhaus der Wallfahrtskirche und an der besonders üppig ausgestatteten Kanzel zu entdeckenden Früchte sind für uns moderne Betrachter eine Selbstverständlichkeit. Wir finden sie beinahe täglich im Gemüseregal bei Fachhändlern und in Supermärkten. Für die ersten Betrachter nach Abschluss der Bauarbeiten 1689 müssen diese exotischen Früchte hingegen der Inbegriff vom Garten Eden gewesen sein. Überall konnte man sie finden, an den Kapitellen, über den Fenstern und besonders üppig, sozusagen in Reichweite am Kanzelkorb. Brenno hat die Früchte in unterschiedlichen Formen zusammengefügt.

Die Fruchtgirlande


Die Hohenrechberger Kanzel von 1689 - © GvT 


Zentrale Fruchtgirlande an der Hohenrechberger Kanzel  - © GvT

Die mittlere der prächtigen Fruchtgirlanden an der Hohenrechberger Kanzel ist kompakt gestaltet. Doch - was für Obstsorten sind das? Auf drei Ebenen sind scheinbar die unterschiedlichsten Früchte und Rosenblüten ineinander verflochten. Die unterste Ebene zeigt - von links nach rechts - eine aufgeschnittene Passionsfrucht, einen geöffneten Granatapfel und vier nebeneinander in ihrer Schale angeordneten Maronen. In der mittleren Ebene erkennt man einen Pfirsich, eine Rosenblüte, eine große Traube, eine weitere Rose und eine goldene Quitte oder Zitrone. Auf der obersten Ebene findet man zwei Äpfel, eine Artischocke, zwei Rosenblüten - getrennt durch ein Blatt, eine weitere Artischocke und einen Pfirsich. Gehalten wird die Fruchtgirlande von zwei zusammengebundenen Akanthusblatt-Büscheln.

Das Fruchtgebinde

Auf jedem der beiden Fenster in den Querarmen sitzt ein Putto. Der hält in seinen beiden Händen je ein Fruchtgebinde, das auf der Fensterrundung zu liegen kommt.

 © GvT

Wie schon bei der Girlande werden die Gebinde durch ein Bündel von Akanthusblättern gehalten. Auf der einen Seite strömen Trauben, Äpfel, Pfirsiche, Birnen, eine Sonnenblume und mehrere Rosenblüten aus den Gebinden.

© GvT


Auf der anderen Seite erkennt man außer den gerade genannten Früchten noch Maronen und einen Granatapfel. 

Einzelne Früchte als Bestandteil der Kompositkapitelle 

Zu den außergewöhnlichsten Details der Wallfahrtskirche Hohenrechberg gehören ihre Kapitelle. 
Kapitell mit Melone - © GvT
Kapitell mit Esskastanien - © GvT

 









Die Kapitelle besitzen einen gleichförmigen Aufbau. Aus jeder Ecken eines Kapitells wächst ein üppiges Akanthusblatt hervor. Im Raum dazwischen liegt eine Rosette aus kleinen Akanthusblättern, auf der eine Frucht liegt. Die Frucht wird von einem kleinen Putto mit ausgebreiteten Flügelchen bewacht.
Zahlreiche Früchte werden auf den Blattrosetten eines Kapitells präsentiert: die beiden Fotos zeigen eine Melone (links) und Maronen (rechts). Weiter entdeckt man Äpfel, Pfirsiche, einen Granatapfel, einen Wirsing (oder Welschkraut) und eine Sonnenblume.

 
  Bündel an Kapitellen mit einem Bund Spargel, einer Apfelquitte, einer Feige und einer Artischocke - © GvT

Das Bündel aus Pilastern mit Kapitellen im nordöstlichen Bereich der Vierung ist eines der beeindruckendsten Details in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg. Die kleinen Putti präsentieren hier ihren Betrachtern weitere mediterrane Köstlichkeiten - einen Bund Grünspargel, einen Apfel oder eine Apfelquitte, eine dunkelhäutige Feige und eine Artischocke

Das Früchterepertoire in Hohenrechberg

Sämtliche der in Hohenrechberg präsentierten Früchte wachsen im Mittelmeerraum oder im Tessin, der Heimat von Prospero Brenno
  • Zitrone
  • Granatapfel
  • Melone
  • Pfirsich
  • Birne
  • Quitte
  • Trauben
  • Maronen und 
  • Äpfel
Das gleiche gilt für die abgebildeten Gemüsesorten.
  • Artischocke, 
  • ein Bund Grünspargel und 
  • Wirsing oder Welschkraut.
Früchte und Gemüsesorten sollen dem Betrachter die Fülle von Gottesgaben aufzeigen. Diese Darstellungen entstanden in Hohenrechberg 1688, d.h. drei Jahre nach einer verheerenden Hungersnot. 

Die exotischen Früchte als Kennzeichen für Prospero Brennos Schaffen

Die in Hohenrechberg abgebildeten, naturnah gestalteten Früchte, Blüten und Gemüsesorten als Einzelstücke oder in Form von Girlanden oder Gebinden lassen sich als Beleg für die Arbeiten von Prospero Brenno verwenden. Früchte, Blumen und Gemüsesorten sind immer wiederkehrende Elemente in seinem Werk, wie nachfolgend anhand seines Schaffens in chronologischer Abfolge aufgezeigt wird.
  © GvT










München (1673-1675): Es finden sich unzählige Fruchtgirlanden und -gebinde im gesamten Gotteshaus der Theatinerkirche - vor allem an prominenter Stelle: als Abschluss des Hauptaltars im Chorgewölbe. Deutlich lassen sich Äpfel, Melonen, Maronen, Granatapfel und Pfirsiche in den Fruchtgirlanden und -gebinden erkennen. Sie sind in ähnlich naturnaher Gestaltung ausgeführt wie viele Jahre später in Hohenrechberg (1688-89). Beachtenswert sind zudem die Formen der Fruchtgebinde - länglich schmal oder kurz und kompakt.




© GvT









Salzburg (1679-1680):  Die Annenkapelle in der Franziskanerkirche von Salzburg wird bisher einem Paolo Brenno zugeschrieben, doch die stilistischen Merkmale sind diejenigen des Prospero Brenno - üppige Fruchtgirlanden mit Äpfeln, Trauben, Melonen, Wirsing Spargel ... - zudem dekoriert mit Sonnenblumen und Rosen.








Tegernsee (ab 1678):
Die ehemalige Kloster-und nunmehrige Pfarrkirche St. Quirinus wurde ab 1678 nach Plänen von Enrico Zucalli errichtet. Zucalli und Prospero Brenno kannten sich bereits aus München, denn jener hatte 1673 die Baustelle der Münchner Theatinerkirche übernommen, und ab diesem Zeitpunkt mit Prospero Brenno bis zu seinem Wechsel auf die Baustelle der Münchner Residenz 1675 zusammengearbeitet.
Die gesamten Stuckaturen in der ehemaligen Klosterkirche Tegernsee weisen deutliche Parallelen zu den bereits bekannten Arbeiten von Prospero Brenno auf. Überall erkennt man Fruchtgebinde im Bereich der Kuppel und im Deckenraum des Langhauses.
In der Forschung sind die ausführenden Künstler nicht bekannt. Doch aufgrund seiner spezifischen stilistischen Handschrift kommt Prospero Brenno hier als Stuckateur durchaus in Frage.

Benediktbeuern (1683-1686)
Zwischen 1683 und 1686 ist Prospero Brenno als Stuckateur - gemeinsam mit Niccolò Perti - in der Klosterkirche Benediktbeuern nachgewiesen. Offensichtlich kehrte Brenno ein zweites Mal dorthin zurück, als er 1689 dort das Refektorium mit Stuckaturen ausstattete.


Ausschnitt aus der Decke der Klosterkirche Benediktbeuern - © GvT
Schon beim ersten Blick ins Langhaus der Kirche entdeckte man - wie in Tegernsee - unzählige Fruchtgebinde, die das Deckengewölbe ausfüllen. Die Früchte sind detailliert dargestellt und fein ausgearbeitet. Deutlich erkennt man auf dem Foto im mittleren Gebinde den Bund Spargel, daneben eine Artischocke und eine Melone. In den beiden größeren Gebinden entlang der Kreuzgrate erkennt man noch Maronen, Granatäpfel, Äpfel und Trauben sowie Sonnenblumen und Rosen.
Bisher gilt in der Forschung die Meinung, dass die besonders gelungenen Stuckaturen Niccolo Pertì zuzuschreiben sind, während Prospero Brenno die minderwertigen anfertigte. Bisher wurde jedoch keine Grundlage für diese Forschungsmeinung ausgearbeitet. Die Zuschreibung an Pertì erfolgte wohl, weil sein Name bekannter als der von Brenno ist.  



  © GvT
Weggental (1688)

Wie in Hohenrechberg war auch bei der Wallfahrtskirche Weggental der Vorarlberger Valerian Brenner als Baumeister tätig. Prospero Brenno stattete gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Paolo und Giulio Francesco das Langhaus mit seinen wandständigen Pfeilern, Kapitellen und Gesimsen aus. Die Kapitelle sind ähnlich wie diejenigen in Hohenrechberg gestaltet. Der Unterschied besteht darin, dass aufgrund der Größe der Kapitelle der Engel nicht nur eine, sondern mehrere, zu einer kleinen Girlande zusammengefasste Früchte präsentiert.
Offensichtlich besaßen Prospero Brenno und Valerian Brenner nach Hohenrechberg nun auch in Weggental eine ähnliche Arbeitsverbindung wie zuvor Brenno und Zucalli in München und möglicherweise auch in Tegernsee. Bisher konnte noch nicht abschließend geklärt werden, ob nicht auch der Chorraum von Prospero Brenno und seinen Söhnen gestaltet wurde. Der 'Blick in den Himmel' im Chorgewölbe - eine weitere, nahezu gleichzeitige Interpretation dieses Themas nach Hohenrechberg - und einzelne Putti legen diese Vermutung durchaus nahe.

Birenbach (1689)
Wie in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg war Valerian Brenner auch der Baumeister in der benachbarten Wallfahrtskirche Birenbach. Ein drittes Mal arbeitete also der Baumeister mit dem Stuckateur und Bildhauer Prospero Brenno zusammen.
Von der ursprünglichen Stuckausstattung ist heute nichts mehr erhalten. Die nun in der Kirche vorhandenen Stuckelemente sind denen von Hohenrechberg nachempfunden.
Einen Hinweis darauf, dass die Kirche einst von Prospero Brenno ausgestattet wurde, findet sich heute an anderer Stelle - nämlich an der Kanzel - und wird später noch thematisiert.

Klosterkirche Weyarn (1687-1693)
Die Baugeschichte des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts konzentriert sich auf den Baumeister und die lange nach der Errichtung entstandenen Stuckaturen von Johann Baptist Zimmermann und die Skulpturen von Franz Ignaz Günther.
Keine weitere Erwähnung finden die Hoch- und die Seitenaltäre. Betrachtet man sie genauer, so entdeckt man für Prospero und Francesco Brenno stilistisch typische Elemente wie Fruchtgirlanden am Hochaltar, Fruchtgebinde an den Seitenaltären, zudem noch für Francesco typische Elemente wie Vasen und Füllhörner mit Früchten. 

Bedeutung der Früchte im Werk von Prospero Brenno in ihrer chronologischen Entwicklung 

Die Symbolik der von Prospero Brenno angefertigten Fruchtgirlanden und -gebinde in den einzelnen Orten muss wohl unterschiedlich interpretiert werden.
Im Würzburger Rathaus besaß die Ausstattung repräsentativen Charakter. Sie zeigte das Selbstbewusstsein der Ratsherren vor allem gegenüber dem Würzburger Bischof.
In der Münchner Theatinerkirche diente die gesamte Austattung nur einem Zweck: Die Stiftung des kurbayerischen Herrscherpaares Ferdinand Maria und Henriette Adelaide sollte Ausdruck ihrer Dankbarkeit für die Geburt eines gesunden Thronfolgers und dem Lob Gottes dienen. Der Baumeister sollte zudem die Ideale des Theatinerordens in München in Form gießen.
Die Beschäftigung Brennos in der Residenz in München diente der fürstlichen Repräsentation aber auch der Lebensfreude und der kulturellen Ausdrucksweise der vom 30jährigen Krieg nicht in schwere Mitleidenschaft gezogenen italienischen Kultur.

Dem Lob Gottes dienten die Ausgestaltungen der Kirchen von Salzburg, Tegernsee und Benediktbeuern. In die Gestaltung von Hohenrechberg flossen zwei Überlegungen mit ein. Zum einen die Stiftung für die glückliche Rückkehr aus dem Krieg gegen die Türken auf dem Balkan, verbunden mit der Dankbarkeit, dass Mitteleuropa der Islamisierung entgangen war. Zum anderen entstand die Kirche kurz nach einer verheerenden Hungersnot zwischen 1680 und 1685. Die Darstellung der vielen exotischen Früche in Verbindung mit dem Blick in den Himmel musste den Betrachtern Trost und Motivation für ihren schweren Alltag sein. 

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Teil 7: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Die Engelkariathiden

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg 


Teil 7: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Die Engelkariathiden


Die Methode des Vergleichs fundiert auf einer ausreichenden Menge an Vergleichsmaterial. Dieses Verfahren wurde in Bezug auf Prospero Brenno und sein Schaffen bisher nicht angewandt, weil zu wenig gesichertes Material zur Verfügung stand. Mancher Vergleich scheiterte daran, dass entweder die Namen der Künstler nicht bekannt sind - wie bei der ehemaligen Klosterkirche Tegernsee - oder aber die Künstlerinitialen auf unterschiedliche Weise gedeutet wurden - wie im Falle der Annenkapelle in der Franziskanerkirche von Salzburg.
Gerade die Stuckaturen in dieser Salzburger Kapelle bieten sich jedoch aufgrund zweier Elemente auf einzigartige Weise zum Vergleich mit Hohenrechberg an.
  • In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass der Altar der Kirche aus Stuck gearbeitet ist - genauso wie in Hohenrechberg. 
  • Zudem wird das Altarbild von zwei auffallenden Engeln begleitet. Sie sind ihrer Funktion nach Kariathiden - genauso wie in Hohenrechberg.
Altar der Annenkapelle in der Salzburger Franziskanerkirche von PB, 1680 - © GvT



Hochaltar der Wallfahrtskirche Hohenrechberg von Prospero Brenno, 1689 - © GvT

Diese erste Gegenüberstellung der beiden Altäre von Salzburg und Hohenrechberg zeigt bereits die großen stilistischen Übereinstimmung bei den Kariathidenengeln.
 

Prospero Brenno, Engelkariathide, linke
Seite - Hohenrechberg 1689 - © GvT

PB, Engelkariathide, rechte Seite - Salzburg 1680 - © GvT
  


Prospero Brenno, Engelkariathide, rechte Seite - © GvT
PB, Engelkariathide, linke Seite - © GvT

Die direkte Gegenüberstellung der Engelkariathiden in der Salzburger Franziskanerkirche und in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Kleidung aller Engel ist nahezu die gleiche. Sie tragen alle dieselben Stiefel mit ihren blumenförmigen Vorderknöpfen. Alle Engel tragen einen Unterrock, über dem ein mit Riemen besetzter Gürtel liegt. Der Körper ist durch einen Panzer geschützt. Die Salzburger Engel erhielten noch zusätzlich einen weiten Mantel. Alle vier Engel besitzen eine üppige Lockenpracht. Selbst die Form ihrer Flügel stimmt beim jeweiligen Engelpaar überein. 
Doch trotz aller bisher entdeckten Übereinstimmungen lassen sich die vier Engel in zwei Gruppen einteilen: der linke Hohenrechberger Engel und der rechte Salzburger Engel - sowie der rechte Hohenrechberger Engel und der linke Salzburger Engel. Deutlich geht dies aus der Haltung ihrer Arme hervor. Sie sind nicht exakt identisch geformt, aber in Form und Duktus doch sehr nah beieinander. 
Bei den beiden Hohenrechberger Engelkariathiden kennt man den Künstler. Die Heiligenrechnung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg von 1688 enthält den Vertragsabschluss für die Altäre, anzufertigen durch Prospero Brenno. 
In Salzburg hingegen kennt man nur die Initialen des Künstlers: PB. Bisher wurde diese Signatur mit Paolo Brenno übersetzt. Gegen diese Hypothese spricht die Tatsache, dass es laut den bisherigen genealogischen Studien keinen ausgebildeten Stuckateur namens Paolo Brenno um 1680 gab.  Zudem lassen die hier festgestellten Übereinstimmungen bei der Gestaltung der Engelkariathiden eigentlich nur noch den einen Schluss zu, dass in Hohenrechberg und Salzburg derselben Künstler - Prospero Brenno - am Werk gewesen ist.  




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