Montag, 25. September 2017

Reformation im mittleren Filstal - Teil 8

Teil 8: Eine hochbrisante Gegenpropaganda zur Reformation in der Gingener Johanneskirche


In Gingen entstand 1524 in der nur wenige Jahre zuvor vergrößerten Dorfkirche - seit 1963 die Johanneskirche - ein großes Wandgemälde. Seit seiner Wiederentdeckung in der ersten Hälfte der 1960er Jahre gelang zwar die Identifizierung der einzelnen Elemente dieses Bildes, die Brisanz dieses Bildes wurde jedoch erstmals in der Gingener Ortsgeschichte von 2015 vorgestellt.  

Das Aussehen der Gingener Johannes-Kirche vor 1524

Anhand mehrerer Jahreszahlen kann man das Aussehen der Gingener Dorfkirche vor 1524 exakt beschreiben. Bis zum Jahre 1463 besaß die Kirche nur einen im Turmquadrat eingebauten Chor. Diese architektonische Form findet man bis heute in zahlreichen alten Kirchen in der Region, z.B. in Unterweckerstell und in Oberwälden.
Dann begann die erste große Umbauphase, wie der Türsturz über dem Eingang zur Sakristei zeigt. Im Jahre 1463 hatte man die dicken Mauern des Turm aus dem 13. Jahrhundert geöffnet - zum einen für eine Sakristei, und zum anderen für die Verlängerung des Chors in Richtung Osten.
Über den Baumeister und den Bauherrn gibt es keine schriftlichen Belege, doch geben hier zwei Wappen und zwei Köpfe zumindest ein paar wenige Hinweise. Im Chor stützt sich das Gewölbe auf Konsolen. Man findet dort auf der Nordseite das Wappen der adeligen Familien von Leimberg, die ihren Familiensitz im oberen Filstal hatte. Auf der Südseite und genau gegenüber ist das Wappen der Reichsstadt Ulm angebracht. Auf zwei weiteren Konsolen ist auf der Nordseite ein Mann mit einer Kappe und auf der Südseite ein Mann mit Tonsur zu sehen. Möglicherweise handelt es sich hier um den Baumeister und den Auftraggeber.  
Die nächste Baumaßnahme umfasste die Innengestaltung des Chores. An den Turmwänden im Süden und Norden entstanden Darstellungen der vier Kirchenväter. In der Nordwand des Chores hatte man zusätzlich eine Sakramentsnische eingerichtet. Diese wurde dann 1487 mit einer illusionistischen Malerei überwiegend in Grün-, Weiß- und Gelbtönen eingefasst.
Mit der Bemalung des Chores war die erste Bauphase abgeschlossen. Das Aussehen der Kirche entsprach nun den gängigen Vorstellungen: im Chor, dem Wirkungsort der Geistlichkeit, erinnerten die Bilder an ihre Bestimmung und an ihre Aufgaben als Geistliche. Im Hauptraum, dem Langhause, wurde die Gemeinde Zeuge der religiösen Handlungen im Chor.
Im Jahre 1512 wurde das Langhaus vergrößert. Die Veränderungen bei der Breite lassen sich seit dem Einsetzen des Inschriftensteins vom Jahre 915 im Zuge der Vorbereitungen auf das 1000jährige Jubiläum der Johanneskirche 1984 auf der nördlichen Ostwand des Langhauses erkennen, als damals im Zuge der Bauarbeiten der Abschluss der alten Außenmauer entdeckt und freigelegt wurde. Nach Abschluss der Maurerarbeiten wurde 1512 der Dachstuhl steiler als zuvor aufgerichtet und die Felderdecke eingezogen.

Das zeitliche Umfeld 

Über den Entstehungszeitraum des monumentalten  Wandgemäldes im Langhaus der Gingener Dorfkirche geben die beiden rechts und links neben dem Chorbogen aufgebrachten  Jahreszahlen genauen Aufschluss. Es entstand 1524.    
Datierung des Wandgemäldes 'Jüngstes Gericht' in der Johanneskirche in Gingen/Fils - © GvT
Das Gemälde entstand in einer Zeit der Unruhe und des Umbruchs. Der stärkste Umbruch ging von Zürich und seinem Reformator Huldreich/Ulrich Zwingli aus. Zwingli hatte 1522 seine erste reformatorische Schrift herausgegeben. Im Januar 1523 fand die erste Züricher Disputation statt, die Zwingli eigentlich der Ketzerei überführen sollte, wo Zwingli jedoch den Züricher Rat von seinen Erkenntnissen überzeugen konnte. Auch die beiden folgenden Disputation konnte Zwingli für sich entscheiden. In deren Folge wurde im Januar 1524 die Messe in Zürich abgeschafft und zwischen 1523 und 1524 bereits neue Vorschriften für das künftige, nunmehr von der Reformation geprägte  Zusammenleben in der Stadt erlassen.
Die Vorgänge in der Schweiz waren im süddeutschen Raum nicht verborgen geblieben, denn Ulm und Memmingen besaßen enge Handelskontakte in die Schweiz. Zudem gehörte sowohl Ulm wie auch Zürich zum Bistum Konstanz. Es verwundert daher nicht, dass reformatorische Forderungen auch im restlichen Süddeutschland laut wurden. Ab 1523/24 zeigten die neuen Lehren in breiten Bevölkerungsschichten Wirkung. Am 22. Mai 1524 konfrontierte die Bürgerschaft den konservativen Ulmer Rat mit der Forderung nach der Anstellung eines evangelischen Prädikanten. Dieser konnte dem Begehren zwar nicht ausweichen, stellte deshalb Konrad Sam auf ein Jahr ein, machte aber von Beginn an deutlich, dass der neue Prediger nicht auf die Unterstützung des Rates hoffen konnte. Sam, ein Anhänger von Huldreich Zwingli, wandte sich wortstark unter anderem gegen die Verehrung der gottlosen Götzen, d.h. der zahllosen Heiligenfiguren und Altären in den Gotteshäusern.
Das Ausgreifen reformatorischer Ideen und Forderungen erreichte erst zeitlich verzögert den Geislinger Raum. Im Dezember 1525 wandten sich 39 Geislinger Bürger und 7 Kuchener an den Ulmer Rat mit der Bitte um einen evangelischen Prediger für die 5-Täler-Stadt.
Die Kritik an der staatlichen Obrigkeit ist ab 1523 auch im Ulmer Territorium greifbar. Immer wieder flammten Aufstände gegen zu harte Besteuerung und gegen die wirtschaftlichen Missstände auf, beispielsweise 1523 in Elchingen. Seit Juni 1524 kam es zu aufrührerischen Reden und Anschlägen auf die Ulmer Stadtbediensteten. Die Unruhen griffen anschließend auf das gesamte Territorium der Reichsstadt Ulm über. Die vom Rat erhoffte Steuererleichterungen für Leipheim wurden im Dezember 1524 abgelehnt, weshalb dort Unruhen ausbrachen. Im ersten Viertel des Jahres 1525 wurde noch über die Forderungen der Bauern ergebnislos verhandelt, am 29. März 1525 kam es zur ersten Schlacht des Bauernkrieges südlich von Leipheim.

Der Entstehungszeitraum von 1524

Das Gingener Wandgemälde entstand 12 Jahre nach Fertigstellung des Langhauses. Das außergewöhnliche an diesem Wandgemälde ist, dass es die gesamte Breite des östlichen Langhauses bedeckt. Es wendet sich also ganz bewusst dem Gottesdienstbesucher als Adressaten des Bildes zu.
Es gibt kein exaktes Datum, das uns über den Beginn oder das Ende der Ausmalung berichtet. Aber aufgrund der üblichen Arbeitszeiten auf Baustellen - April bis Mitte Oktober - kann man davon ausgehen, dass in diesem Zeitraum das Gemälde angefertigt wurde. Und parallel dazu gab es politische Unruhen im Ulmer Territorium zu verzeichnen.

Der Appell an die Betrachter

Das Gingener Wandbild thematisiert das ‘Jüngste Gericht’. Nach dem Verständnis der Zeitgenossen entschied sich dabei, ob die Toten in das Himmelreich eingingen oder in die Hölle verbannt wurden. Die Hölle wurde den Menschen seit dem Mittelalter als ein Ort schlimmster Qualen vermittelt. Niemand wollte dort enden. Auf diese Weise entwickelte sich das Thema vom Jüngsten Gericht zum besten Druckmittel der Kirche bei den Gläubigen.

Moses - in der linken oberen Ecke des Gemäldes, seine Schrifttafel in der Hand haltend - © GvT
Im Gingener Bild wurde das Druckmittel noch einmal verstärkt. Der Künstler platzierte im linken oberen Eck eine Darstellung von Moses - erkennbar an seinen Hörnern. Auf einer Schrifttafel steht: Oh, ihr Menschen, haltet die Gebote Gottes, so ist euch nah das Reich. In der rechten oberen Ecke ist ein typischer Ulmer Patrizier - erkennbar an seiner Kleidung - abgebildet, der ebenfalls eine Schrifttafel in der Hand hält. Darauf ist zu lesen: Oh, ihr Menschen, bedenket das schreckliche Urteil.

Ulmer Patrizier - in der rechten oberen Ecke des Gemäldes, seine Schrifttafel in der Hand haltend - © GvT

Die Interpretation des Gemäldes, vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund betrachtet, ist eindeutig: Die Warnungen von Moses - aus dem Himmel - und dem Vertreter der Ulmer Dorfherrschaft, dem Patrizier, sollten den aufrührerischen, von den Gedanken der Reformation vereinnahmten Betrachtern die schrecklichen Folgen ihres Handelns vor Augen führen - und im besten Fall von ihren Vorhaben abbringen.   

Der Stifter

Der Stifter des Gingener Wandgemäldes war Eitel Sigmund von Berg, ein Adeliger aus dem oberen Donautal, samt seiner Familie - links die männlichen, rechts die weiblichen Mitglieder. Sie sind in kniender Haltung dargestellt. Ihre Hände sind zum Gebet gefaltet. Sie verkörpern das von Kirche und Obrigkeit geforderte Ideal.

Die Stifterfamilie Berg-Speth - © GvT
Der Stifter war ein eindeutiger Gegner der Reformation. In seinen Händen hält er einen Rosenkranz. Er war Ulmer Stadthauptmann und zog anstelle des Ulmer Bürgermeisters in die Schlachten des Bauernkrieges und verteidigte somit die Herrschaft Ulms.

Torso des Stifters mit dem Rosenkranz in der Hand - © GvT

Zweck des Bildes
Das Gingener Wandbild ist eine eindeutige Propaganda zugunsten der alten, der katholischen Religion und der bestehenden Obrigkeit. Dies verdeutlicht auch der ‘Zug der Seligen’ - fester Bestandteil des Motivs vom ‘Jüngsten Gericht’ - vor dem Himmelstor. In Gingen sind dort zuerst alle Mitglieder der Geistlichkeit zu erkennen: ein Papst, ein Bischof und am größten dargestellt - ein Pfarrer. Die Betrachter waren aufgefordert, durch ihren Lebenswandel und der von Moses geforderten Einhaltung der biblischen Gebote diesen Vorbildern nachzufolgen. Das Wandgemälde ist vor allem aufgrund der darin verwendeten Details eine bis heute erhalten gebliebene Gegenpropaganda zu den reformatorischen Bewegungen der Zeit um 1524. 

Reaktionen auf das Wandgemälde

Dass die Zeitgenossen dieses Wandgemälde tatsächlich auch auf diese Weise verstanden, lässt sich auf zweierlei Art und Weise belegen. Im Gemälde gibt es zwei verräterische Fehlstellen: So wurde das Gesicht des Stifters Eitel Sigmund von Berg und das Gesicht des Pfarrers Georg Bleicher zerstört.
Pfarrer Bleicher (rot umrandet), der Papst und der Bischof hinter ihm, alle ohne Gesichtszüge - © GvT
Nach Einführung der Reformation in der Reichsstadt Ulm und in ihrem Territorium ließ der Ulmer Rat regelmäßig sogenannte Visitationen durchführen. In den dabei entstandenen Berichten lässt sich bis 1605 sehr deutlich ablesen, dass die Gottesdienstbesucher dieses Bild lieber heute als morgen überstrichen hätte, jedoch aufgrund der rechtlichen Situation diese Maßnahme nicht durchführen konnten. Doch dazu später an anderer Stelle in diesem Blog.

Quellen und Literatur

- von Trauchburg, Gabriele, 1100 Jahre Gemeinde Gingen an der Fils. 915-2015, Gingen 2015
- von Trauchburg, Gabriele, Johanneskirche Gingen/Fils - ein Kirchenführer, Gingen 2015
- Himmel, Hölle, Fegefeuer  - Das Jenseits im Mittelalter. Katalog, hrsg. v. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich 1994


Sonntag, 10. September 2017

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg Gemeinsam für Gott - Teil 1: 1685 - Das Jahr der Bauvorbereitungen

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017
Für die technische Beratung danke ich Herrn Benjamin Werner (staatl. Bautechniker, Lauterstein) und Herrn Bernhard Baum (Dipl. Maler- und Lakierermeister, Donzdorf)

Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Hohenrechberg - © GvT

Teil 1: 1685 - Das Jahr der Bauvorbereitungen

Seit der zweiten Hälfte der 1670er formte sich im Hause der Grafen von Rechberg allmählich der Plan, eine neue Kapelle auf dem Hohenrechberg zu errichten. Bei unserer heutigen Führung will ich Ihnen aufzeigen, wie man einen derartigen Bau plante und dann in der Realität umsetzte.
Ein derartiges Vorhaben kann nur gelingen, wenn es das entsprechende Material dazu gibt. Im Falle von Hohenrechberg sind dies die teilweise ausführlich kommentierten Bilanzen der Wallfahrtskapelle. Sie umfassen den Zeitraum von 1685 - dem Jahr der Bauvorbereitungen, 1686 - das Jahr der Grundsteinlegung und des Rohbaus, 1687 - das Jahr des Dachs und des Turms, 1688-1689 die beiden Jahre der Innenausstattung.
In den Hohenrechberger Bilanzen ist nicht nur von den erreichten Arbeitsabschnitten die Rede, sondern auch von der Organisation der Mammutbaustelle an ungewöhnlichem Ort, den beteiligten Handwerkern und von den Arbeitsbedingungen.
All diese Informationen sollen im folgenden so zusammengestellt werden, dass man sich Schritt für Schritt die Entstehung der neuen Barockkapelle auf dem Hohenrechberg vorstellen kann.

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Als 1676 diejenige Rechberglinie, die bis dahin die für die Rechberg-Familie zentrale Herrschaft Hohenrechberg inne hatte, ausstarb, ging sie an die nächstälteste, die Donzdorfer Linie über. Der damalige Herrschaftinhaber dort war Bernhard Bero von Rechberg (1607-1686)
Bernhard Bero zählte in den 1670er und 1680er Jahren zu den wichtigen Persönlichkeiten am kurbayerischen Hof in München. Zudem hielt er sich einige Zeit lang in der österreichischen Grenzfestung Neuhäusl auf, die durch das Vordringen der Türken im 17. Jahrhundert bedroht war. In den 1680er Jahren machte Bernhard Bero Karriere als Hofbeamter. Bis 1685 hatte er die Stellung eines Obersthofmeisters erreicht, die ranghöchste Stelle an einem Hof.
Verheiratet war Bernhard Bero mit Maria Jakobäa Fugger von Weißenhorn und Nordendorf. Auch sie und ihre Familie gehörten zum engen Zirkel am kurbayerischen Hof. Der Bau der Kapelle lag ihr besonders am Herzen. Zu den Baukosten trug sie in erheblichem Maße bei und ließ sich in der Kirche ihre Grabstätte einrichten.
Der Sohn des Paares, Franz Albert, war in München am Jesuitengymnasium, über Jahrhunderte hinweg eine Kaderschmiede, erzogen worden. Wie sein Vater startete er seine berufliche Laufbahn am Münchner Hof und hatte bei Baubeginn die Stelle eines Oberstallmeisters inne. Seine Ehefrau war die aus Südtirol stammende Gräfin Katharina Barbara von Spaur. Sie zählte zu den drei beliebtesten Hofdamen der 1676 verstorbenen bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide und ist auf einem Gemälde in der Münchner Residenz abgebildet.

Macht und Pracht   

Das diesjährige Motto vom Tag des offenen Denkmals lautet: Macht und Pracht. Als Obersthofmeister in München lernte Bernhard Bero und seine Familie die neue Pracht nach dem 30jährigen Krieg - den Barock - kennen. Die junge Kurfürstin Henriette Adelaide brachte diesen neuen Kulturstil aus ihrer oberitalienischen Heimat nach München, indem sie Baumeister, Maler und Musiker engagierte. Bernhard Bero und seine Familie wirkten als kulturelle Multiplikatoren und brachten diese neue Mode in ihre eigene Herrschaft - nach Hohenrechberg. Als Herrschaftsinhaber und als Patronatsherr besaß Bernhard Bero die Macht, diesem Kunststil hier zum Durchbruch zu verhelfen. Er selbst, seine Frau und der Ehemann seiner Nichte, Leutnant Wilhelm von Limburg-Styrum besaßen die finanziellen Mittel, um dieses Unternehmen zu einem guten Abschluss zu bringen. Und schließlich sorgte Franz Albrecht und seine Frau dafür, dass der renommierte Stuckateur Prospero Breno mit seinen Kunstfertigkeiten an diesem Ort sich eine Pracht entwickeln ließ, die in Süddeutschland ihres gleichen sucht.  

Der Baumeister und sein Parlier

Bernhard Bero und seine Frau wählten den aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner aus. Bei dieser Wahl entscheidend dürfte dessen erfolgreicher Abschluss des Bauprojektes Wallfahrtskirche Biberbach bei Augsburg gewesen sein. Diese Kirche hatte er im Auftrag des Schwagers von Bernhard Bero von Rechberg errichtet. Und oftmals waren es die Empfehlungen innerhalb einer Familie oder eines Freundeskreises, die zum nächsten Auftrag führten. Valerian Brenner gehört in die Kategorie der sogenannten Vorarlberger Baumeister, die den Barockstil im Kirchenbau nördlich der Alpen verbreiteten.
Valerian Brenner ist erstmals in der Bilanz von 1685 verzeichnet. Dazu heißt es, dass er zuerst ein Modell der künftigen Kapelle fertigte und aufgrund dessen einen Baukostenvoranschlag in Höhe von 5000 Gulden (fl) ausgearbeitet hatte. Im Laufe des gleichen Jahres reiste er mehrfach zur Kontrolle auf die Baustelle auf dem Hohenrechberg und übernachtete bei dieser Gelegenheit beim Adlerwirt in Donzdorf.
Zum Parlier (= Polier oder Bauleiter) der Baustelle wurde Johann Wille bestellt. Über diesen Mann gibt es bis dato keine weiterführenden Informationen. Zu seinen Aufgaben zählte die  Auswahl von Baumaterialien und die qualitative Überwachung der Arbeiten.


Die Wächter über die Baukosten

Die Überwachung der Finanzen oblag den beiden Heiligenpflegern der Kapelle Hohenrechberg. In der Regel notierten sie akkurat die jährlichen Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Kapelle.
Während der Bauarbeiten kontrollierten sie die baulichen Fortschritte anhand der vorgelegten Abrechnungen. Es ist ein Glücksfall, dass die Hohenrechberger Heiligenpfleger teilweise die Ausgaben kommentierten. Auf diese Weise gewinnt man ein plastisches Bild von der Baustelle auf dem Berg, wie man im folgenden sehen wird.
Die vielen Details zum Bau verdankt man dem damaligen Wirt in Rechberg-Hinterweiler, Leonhard Nuding. Anfangs stand ihm Michael Frey aus Rechberg-Vorderweiler bis zu seinem Tod zur Seite. Seine Stelle nahm dann Andreas Wagenblast vom Kleineshof, einem der Aushöfe von Rechberg, zur Seite.   


Die Bauvorbereitungen

Die Lage der Baustelle stellte eine große Herausforderung für die beteiligten Menschen dar. Noch immer führt der Weg von der Burg bis herauf zur Kapelle über diesen besonders letzten steilen Anstieg. Dieser musste während der Bauarbeiten mit dem Baumaterial bewältigt werden.
Die Ausgaben in den Bilanzen, den sogenannten Heiligenrechnungen, zeigen sehr deutlich, dass die Baustelle systematisch vorbereitet wurde. Im Jahr 1685 entstanden zwei Vorhaben: eine Zisterne und ein Kalkofen mit Kalkgruben.

Die Zisterne

Die Zisterne entstand in unmittelbarer Umgebung zur neu zu errichtenden Kapelle. Dieses Wasserreservoir war dringend nötig, um darin das auf der Baustelle benötigte Wasser sammeln zu können. Dazu musste zunächst die Zisterne ausgehoben werden. Allein dieses Vorhaben  stellte die daran beteiligten Arbeiter vor eine große Herausforderung, folgte doch der dünnen Humusschicht gleich das weiße Kalkgestein. In dieses Gestein musste die Zisterne hinein gegraben werden.
Diese schweißtreibende Aufgabe hatte Georg Persch, Tagelöhner aus Hinterweiler, übernommen. Tagelöhner ist in diesem Fall eine leicht irreführende Berufsbezeichnung, denn Persch tritt als Vertreter einer ganzen Reihe von Tagelöhnern in den Heiligenrechnungen auf, vielleicht könnte man in ihm für die Zeit der Baustelle eine Art Unternehmer erkennen. Er hatte seine Männer für diese Baumaßnahmen gewonnen. Er dirigierte sie im Verlauf der unterschiedlichen Arbeiten auf der Baustelle, stellte die Rechnungen, erhielt die einzelnen Summen und zahlte die Männer aus.
Arbeiten, die spezielle Kenntnisse voraussetzten, wurden von Fachleuten erledigt. So holte man den Maurer Simon Kerner aus Treffelhausen für die Maurerarbeiten. Dieser brachte noch seinen Gesellen zur Unterstützung mit.
Damit die neue Zisterne sich möglichst bald mit Wasser füllen konnte, wurde ein ganzes Netz an Rohrleitungen verlegt. Rohre, sogenannte Deicheln, wurden damals aus Holz hergestellt. Zimmermänner bohrten in Holzstämme ein durchgängiges Loch. Die dünneren oberen Enden eines Stammes wurden in das dicke untere Ende eines Stammes geschoben und mit Hilfe von Metallbändern fixiert.
Die auf dem Hohenrechberg benötigten Deicheln stellte der Schwäbisch Gmünder Zimmermann Johann Herlickhover her. Den Auftrag für die Herstellung von hölzernen Dachrinnen - wahrscheinlich für die alte Kapelle, dem heutigen Gasthaus - erhielt der Donzdorfer Zimmermann Gregor Mayr. Zur Fertigstellung der Zisterne stellten der Gmünder Schlosser Franz Schmid einige Teile her und verbaute sie, dann baute Johann Herlickhover schließlich das Gestell und das Dach darüber.

Der Kalkofen

Der Kalkofen war von größter Bedeutung, darin wurde der Kalk gebrannt, den man für die Herstellung des Mörtels und des Verputzes dringend benötigte. Für diesen Kalkofen wurden zwei regionale Maurer engagiert: Johann Boser aus Weißenstein und Hans Georg Friestadler aus Hinterweiler. Boser stellte den Kalkofen her, Friestadler mauerte die Einfassung.

Die Kalkgruben

Der im Kalkofen gebrannte Kalk wurde nach dem Brennvorgang weiter verarbeitet. In großen Pfannen wurde er gelöscht, d.h. Wasser und Kalk wurden vermischt und solange gerührt, bis der sich entwickelnde Dampf ‘gelöscht’ war. Anschließend lagerte man die geschmeidige Masse in Kalkgruben. Je älter ein derartiger Kalk war, desto bessere Qualität besaß er. Die Kalkgruben wurden ebenfalls von Georg Persch und seinen Mitstreitern hergestellt.

Das Arbeitsmaterial

Die Arbeiten im Gestein - das Ausheben der Zisterne und die Herstellung der Kalkgruben - erforderten bestimmte Werkzeuge - Pickel, Hauen, Schaufeln und weitere Kleinwerkzeuge. Diese stellten der Wagner Hans Nothard vom Fuchshof und der Schmied von Hinterweiler, Caspar Jos, in großem Umfang her.
Für die Herstellung von Mörtel benötigte man neben Wasser und Kalk auch noch Sand. Das dazu notwendige Sandsieb lieferte der Gmünder Hufschmied Andreas Kroll. Schubkarren zum Transport von Material auf der Baustelle fertigte der Zimmerknecht Hans Sambhueber.
Die Steine für den Bau der Kirche und für die Herstellung des Mörtels wurden zum Teil direkt auf dem Berg gebrochen und dann gleich an Ort und Stelle verarbeitet. Im Steinbruch arbeitete der bereits mehrfach genannte Georg Persch mit seinen Mitstreitern.
Nach dem Bau von Kalkofen und Kalkgruben ging der Hinterweiler Maurer Friestadler daran, den gelöschten Kalk herzustellen. Das notwendige Holz zum Erhitzen der Kalksteine schluggen und lieferten ebenfalls Georg Persch und seine Mitstreiter.
Der außerdem benötigte Sand war auf dem Hohenrechberg nicht zu finden. Dieser wurde entweder aus den umgebenden Flüssen gewonnen oder aber in Sandmühlen hergestellt. Beide Sandarten mussten dann auf die Baustelle geliefert werden. Die Transporte übernahmen die Hohenrechberger Untertanen. Einige Fuhren erledigten sie ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen, weil sie auf diese Weise ihrer Fronpflicht nachkamen. In diesem Fall erhielten sie eine kostenloste Verpflegung aus Brot, Wein und Brandwein beim Hinterweiler Wirt Nuding. Hatten sie ihre Fronpflichten erledigt, mussten aber noch mehr Fuhren tätigen, so stellten sie hierfür Rechnungen, deren Höhe ihnen dann von den Heiligenpflegern ausbezahlt wurden.

Die Handwerker

Die akkurat geführten Heiligenrechnungen erlauben für das Jahr 1685 bereits einen interessanten Einblick auf die Baustelle auf dem Hohenrechberg. Auffallend ist, dass die meisten Handwerker, Zulieferer und Tagelöhner aus Dörfern rechbergischer Herrschaften kommen: Straßdorf, Rechberg, Weißenstein, Donzdorf und Treffelhausen. Einzig dann, wenn ein besonderes Material oder ein Handwerk nicht von eigenen Untertanen erledigt werden konnte, holte man sich dieses fehlende Material oder Wissen aus der nahegelegenen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd.
Soweit möglich, habe ich hier bewusst auch die Namen der damals beteiligten Bauarbeiter genannt. Viele Namen davon findet man noch heute in der Region. Auch diese Männer sind es wert, im Rahmen einer solchen Betrachtung einmal genannt zu werden.

Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- von Trauchburg, Gabriele, Die Aushöfe der Herrschaft und der Gemeinde Rechberg, in: Rechberg - Ein Heimatbuch, hrsg. v. Karl Weber und K.J. Herrmann, Schwäbisch Gmünd 2004, S. 366-383
- Kurzfilm zum Kalkbrennen - https://www.youtube.com/watch?v=u6AE9cYByy0
- Kurzfilm zum Historischer Kalkmörtel: https://www.youtube.com/watch?v=j-NGv5i3AVU

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott - Teil 2: 1686 - Das erste Jahr der Bauarbeiten

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

 

Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


    Teil 2: 1686 - Das erste Jahr der Bauarbeiten - Arbeitsbedingungen und erster Bauabschnitt

Die Vorbereitungen für den Neubau der Kapelle auf dem Hohenrechberg waren 1685 in vollem Gang. Wie ich in Teil 1 berichtete, hatte der Baumeister ein Modell der Kirche gebaut, einen Kostenvoranschlag über 5000 Gulden (fl) errechnet, Arbeiter aus Rechberg eine Zisterne und Kalkgruben gegraben, dann wurde ein Kalkofen eingerichtet, erste Bruch- und Kalksteine gebrochen und teilweise zu gebranntem Kalk verarbeitet.

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Noch immer war Bernhard Bero von Rechberg-Donzdorf der Patronatsherr der Kapelle. Er war weiterhin als Obersthofmeister am bayerischen Hof tätig und zählte damit in den 1670er und 1680er Jahren zu den wichtigen Persönlichkeiten am kurbayerischen Hof in München. Gemeinsam mit seiner Frau Maria Jakobäa Fugger von Weißenhorn und Nordendorf verfolgte er die Fortschritte am Kapellenbau.
Der in München ausgebildete Sohn des Paares, Franz Albert, hatte zum Zeitpunkt des Kapellenbaus in der Münchner Hofhierarchie bereits die Stelle eines Oberstallmeisters erreicht. Zudem war er Mitglied der bayerischen Armee und wurde immer wieder zu Kriegszügen gegen die Türken auf dem Balkan eingesetzt. Seine Ehefrau war die aus Südtirol stammende Gräfin Katharina Barbara von Spaur. Auch sie gehörte zum Münchner Hofstaat.
Die Lebensweise an diesem in den 1670er Jahren stark nach Italien und Österreich orientierten Hof und die Pflege des neuen barocken Lebensstils war den Stiftern der Kapelle wohl vertraut. Sie brachten aufgrund ihrer Macht als Herrschaftsinhaber und Patronatsherren diesen neuen Stil in ihre eigene Herrschaft. Für die prachtvolle Ausgestaltung sorgten die vielen arbeitenden Hände von Handlangern, ausgebildeten Handwerkern bis hin zu den auswärtigen Künstlern.

Der Baumeister und sein Parlier

Nach wie vor war der aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner der Baumeister auf der Hohenrechberger Baustelle. Mehrfach im Laufe des Jahres kam er auf die Baustelle, um den Fortschritt des Bauwerks zu überwachen. Bei diesen Gelegenheiten übernachtete er in Donzdorf, am Sitz seines Auftraggebers.
Auch auf der Position des Parliers gab es keine Veränderung. Nach wie vor wählte und prüfte  Johann Wille die benötigten Baumaterialien und überwachte die Arbeiten.
Aufriss der Hohenrechberger Kapelle, um 1685 - © GvT

Die Wächter über die Baukosten

Im ersten Jahr der Bauarbeiten war der Wirt Leonhard Nuding war aus diesem Amt ausgeschieden. Nur Andreas Wagenblast vom Kleineshof  begegnet uns erneut bei der Kontrolle der Baufinanzen. Der zweite Heiligenpfleger war dann Michael Wahl vom Stollenhof. Diesen beiden Männern verdanken wir heute eine ganze Reihe interessanter Einzelheiten zum Geschehen auf der Baustelle.

Die Grundsteinlegung

Das erste große Ereignis des Jahres dürfte die Grundsteinlegung gewesen sein. Sie wurde am 22. April 1686 von Dekan Johann Furnier aus Drakenstein vorgenommen. Zu diesem Zweck mussten Gebühren in Höhe von 5 Gulden und 40 Kreuzern entrichtet werden. Zusätzlich erhielt der Geistliche 21 Gulden für seine Bemühungen.
Zu diesem Ereignis waren zahlreiche Personen erschienen. Neben der Familie des Patronatsherren kam die Verwandschaft aus Weißenstein, dann der junge Offizier und spätere General Gaudenz von Rechberg und zahlreiche Geistliche. Sie alle erhielten nach dem Festakt im Donzdorfer Schloss zuerst ein Mittag Suppen gereicht, die mit den besonderen Gewürzen einer Frau Veichelmann angereichert worden war. Danach folgte ein Hauptgang mit Geflügel, zu dem Wein getrunken wurde. Die bis dahin tätigen Arbeiter erhielten zur Feier des Tages Wein, Bier und Brandwein, die von  Stophel und Kaimer aus Vorderweiler ausschenkten.

Die Maurer und ihre Arbeitsbedingungen

Die Grundsteinlegung blieb nicht das einzige Fest. Am 6. Juni 1686 wurde der Einstand der Maurer gefeiert. Dazu spendierte die Bauleitung Donzdorfer Schlosswein im Wert von 4 Gulden und 11 Kreuzern. Ein Maß (= etwas mehr als 1 Liter) Wein kostete damals 5 Kreuzer. Das ergibt eine Menge von rund 50 Litern Wein für den Einstand der Maurer auf der Baustelle.
Selten findet sich in Bilanzen ein Hinweis auf Arbeitsbedingungen. Im vorliegenden Fall sind die Abmachungen zwischen Bauherr und Baumeister in Kurzform wiedergegeben. Danach erhielt jeder Geselle sowie der Polier Wille Lohn in Höhe von 28 Kreuzer pro Tag. Arbeitsbeginn war um 4 Uhr morgens, Arbeitsende war abends um 7 Uhr. Der Tagesablauf war folgendermaßen geregelt. Nach dem Beginn am frühen Morgen dauerte der erste Arbeitsabschnitt bis um 7 Uhr. Dann folgte eine einstündige Pause für das Brotessen. Danach begann der zweite Arbeitsabschnitt, der um 12 Uhr endete. Nach einer Stunde Pause für das Mittagessen wurde der dritte Arbeitsabschnitt begonnen, der solange das Tageslicht es erlaubte, jedoch spätestens um 7 Uhr abends endete. Aus der Abrechnung geht hervor, dass im Jahre 1686 im Laufe von 30 Wochen an der neuen Kapelle gebaut worden war, und die Lohnzahlungen allein für die Maurer insgesamt 705 Gulden betrugen. 
Die hier vorliegenden Zahlen liefern weitere Einzelheiten zu den Vorgängen auf der Baustelle: rein rechnerisch arbeiteten die Maurer 1686 an maximal 180 Tagen. Auf diese Weise konnte ein Maurer im Idealfall an 180 Tagen je 28 Kreuzer, also insgesamt 84 Gulden (1 Gulden = 60 Kreuzer) verdienen. Bei einer Gesamtsumme von 705 Gulden Lohn für die Maurer und den Polier bedeutet dies, dass täglich zwischen 8 bis 9 Maurer samt dem Polier am Aufbau der Mauern arbeiteten.


Zimmermänner, Schmiede und Handlanger

Den schon im Vorjahr tätige, aus Rechberg-Hinterweiler stammende Georg Persch findet man auch in diesem Jahr gemeinsam mit seinen Mitstreitern auf der Baustelle. Diese Männer übernahmen eine ganze Reihe von Arbeiten: sie brachen die Steine auf dem Hohenrechberg, schlugen das Holz für den Kalkofen, siebten den Sand, rührten den Mörtel und versorgten die Maurer mit dem jeweils benötigten Arbeitsmaterial. Dafür erhielt die Truppe um Georg Persch für das Jahr 1686 insgesamt 696 Gulden an Lohn. Weil jedoch der Tagesverdienst dieser Männer nicht bekannt ist, lässt sich die Größe dieser Arbeitergruppe leider nicht ermitteln.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass zwei Zimmermänner auf der Baustelle arbeiteten. Da war zum einen Hans Samhuber (Sambhueber), der für die Arbeiten an der Zisterne und am Kalkofen zuständig war und dafür mit 2 Gulden 24 Kreuzer entlohnt wurde.
Den weitaus größeren Auftrag hatte Christoph Reichel aus Lautern ergattert. Er sollte die gesamten Zimmermannsarbeiten für die neue Kapelle erledigen. Der Auftrag umfasste ein Gesamtvolumen von 243 Gulden, von denen im Jahr 1686 insgesamt 143 Gulden ausgezahlt wurden. Dieser Großauftrag wurde bei seinem Abschluss in Donzdorf im Becher mit zwei Maß Wein begossen.
Eine Reihe von Schmiedearbeiten übernahm der Schmied von Hinterweiler, Caspar Joß. Er fertigte Eisengatter für die Sakristei und das Oratorium und fertigte oder reparierte die Hämmer für die Maurer und das Werkzeug für die Handlanger um Georg Persch. Damit verdiente er im Jahre 1686 77 Gulden und 37 Kreuzer.
Der Schreiner Martin Frey aus Winzingen tritt erstmals in den Heiligenrechnungen jener Zeit auf. Für verschieden angefallene Arbeiten erhielt er 5 Gulden 36 Kreuzer. Dieser standen aber wohl eher im Zusammenhang mit der alten Kapelle.

Das Personalmanagement

Auf der außergewöhnlich gelegenen Baustelle wurde eine beachtliche Anzahl von Mitarbeitern benötigt. Sie mussten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Die Lösung dieses Problems wurde mit Baubeginn dem Schultheiß von Straßdorf, Franz Blessing, übertragen. Seine Aufgabe bestand darin, die entsprechende Anzahl von benötigten Handwerkern und Handlangern anzuwerben, ihren Einsatz zu organisieren und sie für ihre Arbeit auszuzahlen. Dafür erhielt er 40 Gulden sowie Getreide.

Baumaterial

Aus den Rechnungen geht hervor, dass im Jahr 1686 große Mengen an Baumaterial aus der näheren Umgebung auf den Hohenrechberg geschafft wurden.
Wie im Vorjahr lieferte Hans Nothard vom Fuchshöfle Leitern und Schubkarren im Wert von 13 Gulden. Benötigte Bretter und Rahmenschenkel für 41 Gulden lieferte der Sägmüller Georg Lang aus Salach. Das beim Bau benötigte Eisen besorgte der Gmünder Bürgermeister und Handelsmann Achilles Stahl und erhielt dafür 96 Gulden. Dringend benötigt wurden auch Nägel für den Dachstuhl.
Die umfangreichsten Lieferungen kamen von zwei Ziegeleien. Albrecht Schmied aus Staufeneck und Andreas Huber aus Waldstetten lieferten Brandsteine und Platten für Brankkalk. Dafür wurde Huber 194 Gulden vergütet und Schmied 73 Gulden. Sogar für das kommende Jahr wurde schon bei Ziegler Huber vorbestellt - nämlich 10.000 Brandsteine für 63 Gulden.


Transportwesen

Die exponierte Lage der Baustelle auf dem Hohenrechberg sorgte dafür, dass die Baumaterialien alle dorthin gebracht werden mussten. Die gesamten Transportkosten für das Jahr 1686 betrugen 532 Gulden. Man lieferte Steine, vor allem für den Kalkofen, dann Holz, Kalk und Wasser.
Weil man bei der Zusammenstellung der Heiligenrechnung eine Fuhre versehentlich nicht in die große Summe mit einbezogen hatte, erfährt man dann nebenbei, dass für einen Transport von Steinen aus dem Steinbruch auf dem Berg durch den Schonterbauer Michael 45 Kreuzer bezahlt wurde. Ein weiterer Fuhrunternehmer war der Straßdorfer Wirt Georg Staudenmayer, ansonsten beauftragte man bevorzugt Rechberger Untertanen.

Baufortschritte

Aus der Heiligenrechnung des Jahres 1686 lässt sich auch der Baufortschritt ablesen. Insgesamt wurde 30 Wochen lang auf der Baustelle gearbeitet. Die Maurer begannen mit ihrer Arbeit Anfang Juni nach der Einstandsfeier. Sie scheinen gut über den Sommer vorangekommen zu sein, so dass man Anfang September die Hoffnung hegte, sogar noch den Dachstuhl aufrichten zu können. Deshalb findet sich folgender Eintrag: ... mehr besagten Maurern den 10. September dies Jahr zu Animierung besserer Arbeit gereicht - 20 Maß Wein im Wert von 1 Gulden 40 Kreuzer. Tatsächlich standen bis zum Ende der Bausaison die Mauern des Langhauses, und im späten Herbst wurde der Dachstuhl aufgerichtet. Beim Hebauf ließ deshalb die Patronatsherrschaft 62 Maß Wein für Maurer und Zimmerleut im Wert von 5 Gulden 10 Kreuzern ausgegeben.
Die Hohenrechberger Heiligenrechnungen offenbaren deutlich, dass die Differenzierung bei den einzelnen Arbeitsgängen. Wie im Jahr davor werden bei der Vergabe der Arbeiten in erster Linie rechbergische Untertanen bevorzugt. Nur bei Spezialaufgaben holt man Hilfe von außen.



Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- von Trauchburg, Gabriele, Die Aushöfe der Herrschaft und der Gemeinde Rechberg, in: Rechberg - Ein Heimatbuch, hrsg. v. Karl Weber und K.J. Herrmann, Schwäbisch Gmünd 2004, S. 366-383

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott - Teil 3: 1687 - Das zweite Jahr der Bauarbeiten

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

 

Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


    Teil 3: 1687 - Das zweite Jahr der Bauarbeiten - Der zweite Bauabschnitt

Die Bauarbeiten für den Neubau der Kapelle auf dem Hohenrechberg waren 1686 in vollem Gang. Wie ich in Teil 1 berichtete, hatten der Baumeister ein Modell der Kirche gebaut, einen Kostenvoranschlag über 5000 Gulden (fl) errechnet, Arbeiter aus Rechberg eine Zisterne und Kalkgruben gegraben, dann wurde ein Kalkofen eingerichtet, erste Bruch- und Kalksteine gebrochen und teilweise zu gebranntem Kalk verarbeitet. In Teil 2 konnte aufgezeigt werden, dass inzwischen die Mauern des Langhauses vollständig errichtet und sogar bereits der Dachstuhl aufgestellt war. 

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Der bisherige Patronatsherr Bernhard Bero von Rechberg-Donzdorf war nach der Grundsteinlegung im Juli 1686 verstorben. Sein Sohn Franz Albrecht war nun der neue Patronatsherr und setzte gemeinsam mit seiner Mutter Maria Jakobäa und seiner Ehefrau Katharina Barbara von Spaur das Vorhaben fort. Auch Franz Albrecht und seine Frau Katharina gehörten zum engen Zirkel am kurbayerischen Hof. Somit waren sie mit den neuesten Entwicklungen im Bereich von Kunst und Kultur aufs engste vertraut. Dem jungen Patronatsherr und seiner Frau fiel nun die Aufgabe zu, über die Innengestaltung der Kirche zu entscheiden. 

Der Baumeister und sein Parlier

Nach wie vor war der aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner der Baumeister auf der Hohenrechberger Baustelle.  Mehrfach im Laufe des Jahres kam er auf die Baustelle, um den Fortschritt des Bauwerks zu überwachen. Dafür erhielt er seine 2. Abschlagszahlung in Höhe von 20 von insgesamt 60 Gulden. Bei diesen Gelegenheiten übernachtete er beim Adlerwirt in Donzdorf, am Sitz seines Auftraggebers. 
Auch auf der Position des Parliers gab es keine Veränderung. Nach wie vor wählte und prüfte  Johann Wille die benötigten Baumaterialien und überwachte die Arbeiten.

Die Wächter über die Baukosten

Im Jahr 1687 begegnen uns die Heiligenpfleger des Vorjahres, Andreas Wagenblast vom Kleineshof und Michael Wahl vom Stollenhof bei der Kontrolle der Finanzen der Kapelle wieder. Diese beiden Männern behielten ihre Art der Rechnungsführung mit dem Aufzeichnen einer ganzen Reihe interessanter Einzelheiten zum Geschehen auf der Baustelle bei.


Die Handwerker 

Die Maurer setzten 1687 ihre Arbeit fort und arbeiteten vom 26. April bis 25. Oktober. Die Arbeitsbedingungen waren dieselben wie im Jahr zuvor. Für ihre Arbeit erhielten sie eine Gesamtsumme von 544 Gulden und 19 Kreuzern. Dann findet sich noch eine zusätzliche Nachricht in der Heiligenrechnung: Man hatte für die Maurer eine eigene aus Holz gefertigte Hütte auf der Baustelle errichtet.
Wie im Jahr zuvor unterstützen Georg Persch und seine Mitstreiter die Maurer durch das Brechen von Steinen, das Schlagen von Holz für den Kalkofen, das Werfen von Sand, das Anrühren von Mörtel und das Zutragen von Material. Dafür erhielt diese Gruppe eine Gesamtsumme von 399 Gulden.
Sämtliche auf dem Hohenrechberg anfallenden Zimmermannsarbeiten erledigte wie im Jahr zuvor Christoph Reichel aus Lautern. Dazu gehörte der Dachstuhl über dem Chor für 28 Gulden 40 Kreuzern. Zusätzlich übertrug man ihm die Zimmermannsarbeiten an der Zisterne und an der Maurerhütte, die mit 22 Kreuzer pro Tag und insgesamt 10 Gulden 39 Kreuzern vergütet wurden. 
Wie zuvor lieferte Hans Nothardt vom Fuchshöfle Leitern, Schlegel, Steinwägelchen und anderes notwendiges Material für den Bau und erhielt für dessen Anfertigung 2 Gulden 3 Kreuzer.
Auch die Schmiedearbeiten - die Herstellung eines Eisengatters, das Schärfen der Maurerhämmer und anderer Werkzeuge sowie alle weiteren Schlosser- und Schmiedearbeiten verrichtete erneut Caspar Joß aus Rechberg-Hinterweiler in einem Gesamtwert von 30 Gulden 40 Kreuzer.
Die Reihe der auswärtigen, beim Bau beteiligten Handwerker eröffnete ein nicht namentlich genannter Hammerschmied aus Abtsgmünd. Er fertigte drei sogenannte Spanische Kreuze für das Dach über dem Langhaus und Eisenwerk für die Fenster. Dafür zahlte man ihm 54 Gulden  59 Kreuzer.
Der Schwäbisch Gmünder Maler Johann Georg Heberle übernahm die Vergoldung der drei  Spanischen Kreuze, die auf dem Langhaus- und Seitenkapellendach angebracht wurden. Zusätzlich wurde er mit dem Aufmalen einer Sonnenuhr beauftragt. Für beide Arbeitsgänge erhielt Heberle insgesamt 23 Gulden.
Das Spanische Kreuz über dem Oratorium - © GvT

Ein weiterer Schreiner aus der Familie Frey in Winzingen war 1687 kurzzeitig auf der Baustelle auf dem Hohenrechberg. Leonhard Frey hatte den Auftrag für den Abbruch der Altäre in der alten Kapelle für 45 Kreuzer übernommen.

Das Baumaterial

Die größten Beträge im Bereich Baumaterial gingen wieder an die schon 1686 tätigen Ziegler Andreas Huber aus Waldstetten und Albert Schmied von Staufeneck. Beide lieferten Brandsteine und Brandplatten für die Herstellung von Mörtel. Huber erhielt hierfür 141 Gulden 14 Kreuzer und Schmied 30 Gulden 28 Kreuzer.  
Ebenfalls bei der Herstellung von Mörtel wurde das zweimal durch den Gmünder Hufschmied reparierte Sandsieb benutzt. Die Reparatur schlug mit sage und schreibe 21 Gulden zu Buche.  Für das Löschen des Kalks wurden große Wassermengen benötigt. Kein Wunder also, dass der Kübelhersteller Georg Franz aus Gmünd 2 Eimer für die Mörtelpfannen und etliche Maurerkübel im Wert von 1 Gulden 30 Kreuzer auf die Baustelle lieferte. Der Küfer Veith wurde zudem noch für die Lieferung von einem Wasserfass mit 32 Kreuzern bezahlt.
Die letzten Dacharbeiten konnten erst mit den 230 Brettern und Latten des Donzdorf Sägmüllers vollendet werden, der dafür 7 Gulden 40 Kreuzer erhielt. Zuletzt gab es noch Wagensalben, Leinöl, Schmiere, Scherwolle und Pech von einem Gmünder Sailer im Wert von 11 Gulden 54 Kreuzer.
   

Die Transportkosten

Im Bereich der Transportkosten lässt sich erkennen, dass 1687 keine Bruchsteine mehr benötigt wurden. hingegen war der Aufwand für Steine für den Kalkbrand weiterhin hoch. Holz in jeder Form für Zimmermannsarbeiten, als Heizmaterial für den Kalkofen und als Gerüstholz wurde dafür umso mehr gebraucht, ebenso Wasser und Kalk für Mörtel. Insgesamt reduzierten sich die Transportkosten jedoch erheblich auf nur noch 85 Gulden 44 Kreuzer. 
Zudem plante man schon weiter in die Zukunft. Man schickte einen Mann namens Hans Pichler von München nach Hohenrechberg, der etliche Ornate für die neue Kapelle im Gepäck mitführte und dafür 30 Kreuzer erhielt.
Transporte ganz anderer Art erledigte Leonhard Eggert. Er transportierte Geld von Süßen nach Donzdorf und Nachrichten zwischen dem Bauherrn, der Baustelle und dem Günzburger Baumeister und wurde mit 7 Gulden 5 Kreuzer entlohnt. Auch der Kontakt zur Diözese wurde durch Pedelin (= Peterle) aufrecht erhalten, als dieser einmal nach Konstanz und zweimal zum Dekan nach Drakenstein reiste und dafür 6 Gulden erhielt.
Wann immer die Fuhrleute tätig wurden, fielen Spesenkosten an. So rechneten der Rechberger Wirt Leonhard Nuding und der Bäcker Hans Blessing insgesamt 65 Gulden 25 Kreuzer für Wein, Bier, Brot, und Brandwein ab.

Der Baufortschritt

Im Jahre 1687 war der Bau der Kirche schon weit fortgeschritten. Dies mag auch ein Verdienst des Koodinators Franz Blessing, Schultheiß aus Straßdorf, gewesen sein, der wie im Jahr zuvor dafür mit 40 Gulden und einer Lieferung von Korn und Hafer entlohnt wurde.
Der Bericht der Heiligenpfleger sowie die einzelnen Posten in der Heiligenrechnung lassen den  tatsächlichen Baufortschritt erkennen: Da heißt es, dass gedachter Bau wirklich unter das Dach gebracht worden war. Das bedeutet, dass keine Bruchsteine für das Mauerwerk mehr benötigt wurden, die Maurerarbeiten an der Kapelle also abgeschlossen waren. Noch nicht abgeschlossen war hingegen der Kirchturm. Dieser war Ende 1687 erst bis zu einer Höhe von 100 Schuh, also etwas mehr als 3 Meter Höhe aufgeführt.
Bei der Gestaltung des Kirchenbaus war man schon ein gutes Stück vorangekommen. Von außen war über die Hälfte des Gebäudes mit Putz verworfen. Innen hatte man das Gewölbe der Decke bereits hergestellt. 
Aufgrund der großen Fortschritte hatte man Kontakt mit der Diözese in Konstanz aufgenommen und erreicht, dass Dekan Johann Furnier aus Drakenstein in deren Auftrag nach Hohenrechberg reiste. Er hatte sich dabei vom Baufortschritt überzeugt, die Heiligtümer der Altäre und der Kirche entnommen und schließlich die alte Kapelle entweiht. Der gesamte Vorgang schlug mit einer Gebühr in Höhe von 7 Gulden zu Buche.
Zwei Maßnahmen weisen schon in der nächstfolgende Jahr. Zum einen wurde mit dem Bau des neuen Mesnerhauses auf dem Hohenrechberg begonnen. Es wird damit heuer 330 Jahre Jahre alt. Diese Baustelle wurde nun neben dem Ausbau der Kirche auf dem Hohenrechberg vorangetrieben.
Für die Wallfahrtskapelle war jedoch der erste Aufenthalt des aus der Schweiz stammenden Prospero Brenno in Donzdorf von größter Bedeutung, denn dort fertigte er den Entwurf für die Ausgestaltung der Kapelle an. Dafür erhielt er eine Einmalzahlung von 1 Gulden 27 Kreuzern.
                                       

Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
                                           

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott - Teil 4: 1688 - Der Innenausbau

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

 

Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


    Teil 4: 1688 - Der Innenausbau

Die Bauarbeiten für den Neubau der Kapelle auf dem Hohenrechberg waren auch 1687 in vollem Gang. Wie ich in Teil 1 berichtete, hatte der Baumeister ein Modell der Kirche gebaut, einen Kostenvoranschlag über 5000 Gulden (fl) errechnet, Arbeiter aus Rechberg eine Zisterne und Kalkgruben gegraben, dann wurde ein Kalkofen eingerichtet, erste Bruch- und Kalksteine gebrochen und teilweise zu gebranntem Kalk verarbeitet.
In Teil 2 konnte aufgezeigt werden, dass inzwischen die Mauern des Langhauses vollständig errichtet und sogar bereits der Dachstuhl aufgestellt war.
In Teil 3 ließ sich nachweisen, dass die gesamten Maurerarbeiten an der Kapelle im Außenbereich abgeschlossen waren und nur noch der Turm aufzumauern war. Sogar die Hälfte des Außenputzes war schon aufgebracht. Auch bei der Innengestaltung war man schon ein gutes Stück vorangekommen, denn das Deckengewölbe war fertig geworden. Zudem hatte der vorgesehene Stuckateur, Prospero Breno, einige Tage in Donzdorf verbracht und dort in Absprache mit dem Patronatsherrn die Gestaltung der Kirche besprochen und dann in einem Plan aufgezeichnet. Auf diese Weise war man gut für das kommende Jahr 1688 vorbereitet.  

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Der Patronatsherr Franz Albrecht setzte gemeinsam mit seiner Mutter Maria Jakobäa und seiner Ehefrau Katharina Barbara von Spaur den Kapellenbau fort. Dem jungen Patronatsherrn und seiner Frau fiel nun die Aufgabe zu, die Innengestaltung der Kirche zu überwachen.

Wappen des Patronatsherrn Franz Albrecht von Rechberg (links) und seiner Frau Gräfin Katharina Barbara von Spaur - © GvT


Der Baumeister und sein Parlier

Nach wie vor war der aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner der Baumeister auf der Hohenrechberger Baustelle.  Im Laufe des Jahres kam er wohl nur einmal auf die Baustelle, um den Fortschritt des Bauwerks zu überwachen, denn seine Spesen beim Wirt Leonhard Nuding in Rechberg-Hinterweiler betrugen 1688 gerade einmal 36 Kreuzer. Bei dieser Gelegenheit übernachtete er beim Adlerwirt Hans Kessler in Donzdorf, am Sitz seines Auftraggebers. Dort entstand eine Spesenrechnung von 5 Gulden 42 Kreuzer, als Valerian Brenner gemeinsam mit dem erstmals erwähnten Steinmetz und dem neuen Stuckateur Prospero Breno zusammensaß. Hier wurden wohl der Einstand der beiden letztgenannten gefeiert.  
Auf der Position des Parliers gab es ebenfalls keine Veränderung. Nach wie vor wählte und prüfte Johann Wille die benötigten Baumaterialien und überwachte die Arbeiten.

Die Wächter über die Baukosten

Im Jahr 1688 begegnen uns wieder die Heiligenpfleger des Vorjahres, Andreas Wagenblast vom Kleineshof und Michael Wahl vom Stollenhof bei der Kontrolle der Baufinanzen und anderen Finanzbereichen der Kapelle. Diesen beiden Männern setzten ihre Art der Rechnungsführung mit dem Aufzeichnen einer ganzen Reihe interessanter Einzelheiten zum Geschehen auf der Baustelle fort.
 

Die Handwerker 

Nachdem Prospero Brennos Entwurf für die Ausgestaltung der neuen Wallfahrtskapelle die herrschaftliche Zustimmung erhalten hatte, erhielt er seinen Arbeitsvertrag. Darin war festgelegt worden, dass der Stuckateur von Mantriß (Mendrisio) aus der Schweiz, die Kapell auszugipsen per 350 fl und 6 Taller Leykauff verdingt worden. Bei Brennos Einstand auf der Baustelle, gefeiert beim Wirt Nuding in Rechberg, wurde gleichzeitig auch noch der Vertrag über die Errichtung des Chor- und der beiden Seitenaltäre abgeschlossen.
Gleichzeitig mit dem Stuckateur arbeitete auch der Schwäbisch Gmünder Maler Johann Georg Heberle, in der Kapelle. Auf drei Deckenfeldern sollten die Themen ‘Geburt Christi’, ‘Maria Heimsuchung’ und den ‘Englischen Gruß’ dargestellt werden. Hinzu kamen noch zwei andere Gemälde im Chor und im Langhaus. Schließlich sollte er auch noch den Turmknopf und das ebenfalls darauf plazierte Spanische Kreuz vergolden. Für seine Arbeiten waren 50 Gulden vorgesehen. 
Die Maurer arbeiteten vom 22. April bis 20. Oktober 1688 und erhielten insgesamt 331 Gulden 48 Kreuzer. Als nun sämtliche Maurerarbeiten abgeschlossen waren, bekam der Polier zusätzlich
10 Gulden ausbezahlt.
Georg Persch und seine Mitstreiter waren ebenfalls noch das gesamt Jahr über mit Steinbrechen, dem Schlagen von Holz für den Kalkofen, dem Werfen von Sand, dem Rühren von Mörtel und dem Materialtransport für die Maurern und den Stuckateur Gipsmeister beschäftigt gewesen. Dafür erhielten sie insgesamt 399 Gulden Lohn.
Der Zimmermeister Reichel aus Lautern konnte seine Arbeiten abschließen und erhielt eine letzte Ratenzahlung in Höhe von 40 Gulden. Die letzten Arbeiten am Dach wurden über das Jahr hinweg ausgeführt.
Johann Miller aus Oberböbingen lieferte die Eichenschindeln für die Kirchturmkuppel und das Dach des Oratoriums und deckte die beiden Dachteile innerhalb von 17 Arbeitstagen. Für jeden Arbeitstag erhielt er 30 Kreuzer, also in der Gesamtsumme 8 Gulden und 45 Kreuzer. Die Schindeln im Bereich der Turmkuppel und des Oratoriumdaches wurden dann noch mit einer Mischung aus Leinöl und Kupferfarbe, beides geliefert vom Gmünder Kramer Hans Schleicher und im Wert von 2 Gulden, versiegelt.
Die Gmünder Kupferschmiede Michael und Veit Beck fertigten den Turmknopf aus 53 Pfund Kupfer und 2 Pfund Zinn für die Summe von 30 Gulden 42 Kreuzer an. Hinzu kamen noch 2 Kupferrinnen und 2 Wasserspeier in Form von Drachenköpfen. Für diese beiden Aufträge erhielten sie noch weitere 162 Gulden.
Nun fehlten noch die Fenster. Diese stellten die beiden Gmünder Glaser Johann Schleicher und Johann Deibler her. Man hatte ausdrücklich helle Scheiben bei ihnen bestellt, für die man ihnen 148 Gulden 22 Kreuzer bezahlte. 
Schließlich arbeitete noch der Winzinger Schreiner Michael Frey in der alten Kapelle, wo er das gesamte Holz ausbaute. Für seine Arbeit wurde er mit 2 Gulden 39 Kreuzern entlohnt.

Das Baumaterial

Der Rechberger Schmied Caspar Joß fertigte oder reparierte Arbeitsmaterial in Höhe von 4 Gulden 54 Kreuzern an. Beim Gmünder Siebmacher Johann Arnold wurde ein neues Sieb für das Sandwerfen für 45 Kreuzer angeschafft und beim Gmünder Hersteller von Kübeln, Georg Franz, kaufte man für 1 Gulden 44 Kreuzern Eimer für die Stuckateure. Der Waldstetter Ziegler Andreas Huber lieferte wieder Brandsteine und -platten als Grundlage für den Maurermörtel und erhielt dafür 42 Gulden 54 Kreuzer.  
Nun fehlte noch der Boden. Zu diesem Zweck beauftragte man den Steinmetz Simon Speth aus Mernzen (= Markt Mörnsheim) mit der Lieferung von 1200 Solnhofer Marmorplatten in der Größe 18 Zoll auf 18 Zoll und 4 Zoll Stärke. Diese Lieferung sollte auf Vorrat vorbereitet werden, damit es bei Bedarf keine Lieferverzögerung geben sollte. Kosten dieser Lieferung belief sich auf 6 Gulden pro 100 Steinplatten, insgesamt auf 72 Gulden. Bei Vertragsunterschrift wurden 3 Gulden Abschlag fällig. 
Das gesamte Kirchendach wurde mit 17.650 Eichenschindeln eingedeckt. Diese lieferte Hans Nothard vom Fuchshof und seine ungenannten Mitstreiter. Für die Herstellung und ihre Montage erhielten die Männer 25 Gulden 34 Kreuzer. Damit die Schindeln befestigt werden konnten, benötigten sie 22.000 Schindelnägel im Wert von 22 Gulden, die der Gmünder Nagelschmied Simon Porst lieferte. Damit die Schindeln gegen Wind und Wetter geschützt waren, scheint man sie mit 83 Pfund Leinöl im Wert von 10 Gulden, bestellt beim Donzdorfer Sägmüller Georg Wesch, versiegelt zu haben.

Die Transporte

Auch im Jahr 1688 gab es einige Transporte zu bewältigen. Am wichtigsten waren die Transporte von Gipskalk, die Mathias Binder und drei Mitstreiter von Schnittlingen nach Hohenrechberg führten. Vier dieser Fuhren waren kostenlose Fronarbeit, danach berechneten die Fuhrleute Gebühren in Höhe von 4 Gulden und erhielten Hafer für ihre Pferde. In weiteren Fuhren im Wert von 23 Gulden 52 Kreuzer brachte man Wasser und Kalk für die Weiterverarbeiten zum Kalkofen.

Die Baufortschritte

Anhand der Heiligenrechnung von 1688 lassen sich deutlich die Fertigstellung einzelner Bauabschnitte erkennen. Die Maurer arbeiteten noch bis zum Schluss der Bausaison am 20. Oktober 1688, danach wurden sie mit einem Ausstandstrunk in Höhe von 1 Gulden 30 Kreuzer verabschiedet. Die gesamte Bedachung war in jenem Jahr noch fertig geworden. Die Kapelle erhielt ein Eichenschindeldach, das an besonders exponierten Stellen mit einer Kupferfarbe überzogen war. Das Äußere der Kirche war damit Ende 1688 abgeschlossen.
Auch der Innenraum nahm sein uns heute vertrautes Aussehen an. Wie im Vertrag vereinbahrt  hatte der Stuckateur das Innere der Kirche komplett ausgegipst und erhielt dafür auch die volle Höhe der vereinbarten Zahlungen. Die Versorgung mit Gipskalk hatte sich als problematisch erwiesen. Das Kalkgestein auf dem Hohenrechberg genügte den gestellten Anforderungen nicht, weshalb man auf Gipskalk von Schnittlingen und Ellwangen ausgewichen war. Bei der Verarbeitung von Gips wurde in der Vergangenheit vielfach Brot bzw. Brotrinde zur Glättung der Oberfläche verwendet. Zu diesem Zweck wohl lieferte der Rechberger Bäcker Hans Blessing Brot im Wert von 8 Gulden 12 Kreuzer. Dann hatte auch noch der Gmünder Maler Johann Georg Heberle im Lauf des Jahres 1688 seine vereinbarten Arbeiten abgeschlossen.
Im großen und ganzen waren damit die Arbeiten an der Kapelle abgeschlossen. Es war abgesehen von den Gemälden ein lichtdurchflutetes, in seinem Inneren komplett weiß gehaltenes Gotteshaus nach dem Vorbild von Andrea Palladio entstanden.


Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- Kurzfilm zur Schindelherstellung: https://www.youtube.com/watch?v=zleU86ndljg
- Kurzfilm zur Schindeldeckung: https://www.youtube.com/watch?v=0Xt_3yddW4c

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott - Teil 5: 1689 Die Altäre und die Chorausstattung



Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

 

Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


    Teil 5: 1689 Die Altäre und die Chorausstattung


Die Bauarbeiten an der neuen Wallfahrtskapelle waren inzwischen abgeschlossen. Nun fehlte nur noch die Innenausstattung.
Wie in den Jahren davor lagen die Finanzen der Kapelle in den Händen der beiden Heiligenpfleger Andreas Wagenblast vom Kleinishof und Michael Wahl vom Stollenhof. Im Jahr 1689 war es ihre Aufgabe, sowohl die Kosten für die noch angefallenen Arbeitsschritte zu bezahlen, wie auch die noch nicht gezahlten Rechnungen zu ermitteln und abzuschließen.

Die Baufortschritte 

Im Jahr 1689 begann man mit der Pflasterung des Chores und der Seitenkapellen mit den bereits im voraus bestellten Solnhofer Platten. Die Lieferung der Platten für das Langhaus bereitete Schwierigkeiten, daher beschlossen die Heiligenpfleger, die Rechnung um einen Gulden zu kürzen.
Als die Bodenplatten im Chor und in den Seitenkapellen verlegt gewesen waren, ging man an die Fertigung der Altäre. Im Gegensatz zu den meisten Altären sind diejenigen von Hohenrechberg nicht aus Holz, sondern gemauert und aus Stuck gearbeitet.
Dazu mussten zuerst die Grundstrukturen der Altäre gemauert werden. Diese Arbeiten schlugen mit 181 Gulden 32 Kreuzer zu Buche. Es verwundert daher nicht, dass auch 1689 wieder Georg Persch und seine Mitstreiter auf der Baustelle zu finden waren, die mit 114 Gulden 47 Kreuzer vergütet wurden. Die ebenfalls noch damit verbundenen Zimmermannsarbeiten erledigte Georg Mayr, der den inzwischen verstorbenen Christoph Reichel ersetzte. Die Schmiedearbeiten erledigte Caspar Jos wie gewohnt und verdiente dabei 5 Gulden 2 Kreuzer
Nachdem die Vorarbeiten erledigt waren, begann Prospero Brenno mit den Arbeiten für die Chor- und die beiden Seitenaltäre, anschließend gestaltete er das Oratorium, die vier Portale im Chor und zum Schluss die Kanzel. Für diese Arbeiten an den Altären erhielt er insgesamt 430 Gulden. Die Kanzel mit den 4 Evangelisten, das Innere des Oratoriums und die Verkleidung der vier Portale im Chor mit Stuck und das Trinkgeld für seine Gesellen wurden mit 98 Gulden vergütet. Außerdem hatte Brenno noch zusätzlich zu dem auf seinem Entwurf eingezeichneten Stuckaturen noch 12 Engelsköpfe, die Umrahmung des Oratorium und die lebensgroße, aus Ton gearbeitete Frauenfigur auf der Außenseite gefertigt. Hierfür erhielt er noch einmal 36 Gulden. Insgesamt konnte Prospero Brenno 915 Gulden in Hohenrechberg verdienen. Er ist damit der bei weitem bestbezahlte Künstler und Handwerker des gesamten Bauvorhabens.



Der gemauerte und mit Stuck verzierte linke Seitenaltar, 1689 - © GvT

Der Maler Johann Georg Heberle hatte den Auftrag, die beiden Altarblätter zu malen. Für seine Arbeit erhielt er einen Abschlag von 75 Gulden, die man auf Anordnung der Herrschaft nach München schickte.
Nun fehlten noch Beichtstühle, die vier Türen im Chor und die Sitzbänke. Diese fertigten die beiden Schreiner Martin Frey aus Winzingen und Michael Schmied und verdienten dabei 45 Gulden 22 Kreuzer.
In der Heiligenrechnung von 1689 wurde schließlich auch noch die Abrechnung mit dem Gmünder Handelsmann Achilles Stahl über die von ihm gelieferten Eisenteile und Nägel eingefügt. Stahl hatte Metall im Wert von 200 Gulden herbeigeschafft, für die er im Laufe der Zeit mehrere Abschlagszahlungen bekommen hatte. Am Ende übergab man ihm noch einen Rest von 32 Gulden.
Zuletzt galt es noch, vom Bischof in Konstanz die Lizenz für die Nutzung der drei in der Kapelle aufgestellten Altäre zu erlangen. Diese kostete 5 Gulden, die man nach Konstanz schickte.


Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
 


Freitag, 1. September 2017

Geschichte(n) der Stadt Lauterstein - Teil 1: Die erste urkundliche Nennung von Weißenstein und sein Ortsadel

Gabriele von Trauchburg, © September 2017


Die Stadt Lauterstein im Landkreis Göppingen wurde am 1. Januar 1974 im Zuge der Gemeindereform in Baden-Württemberg aus dem Dorf Nenningen und der Stadt Weißenstein gebildet. Die beiden Orte verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, waren sie doch die beiden Hauptorte der ehemaligen Rechberg-Herrschaft Weißenstein. Es gibt eine ganze Reihe von historischen Ereignissen, die beide Ortsteile betreffen. Sie sollen im Laufe der Zeit an dieser Stelle zusammengetragen werden.   

Die erste schriftliche Nennung von Weißenstein

Seit langem ist bekannt, dass der Ortsname der alten Stadt Weißenstein - gelegen am Albaufstieg auf dem Weg von Göppingen nach Heidenheim - erstmals in einer Urkunde von 1241 aufgeführt ist.
Mit einer Urkunde, entstanden vom 2.-7. Februar 1241 überließen Graf Ulrich von Helfenstein und dessen gleichnamiger Sohn dem Kloster Salem Grund und Boden. In diesem Schriftstück wird an fünfter Stelle Ulrich von Weißenstein als Zeuge genannt. Welche Erkenntnisse kann man aus dieser Nennung  ziehen?

Schloss Weißenstein - © GvT

Der Weißensteiner Ortsadel

Bereits in staufischer Zeit gab es den Ort Weißenstein. Auf seiner Gemarkung lebte unter anderem eine adelige Familie, die sich nach diesem Ort nannte. Wo sich ihr Wohnsitz befand, ist nicht anhand von Schriftstücken zu ermitteln.
Jedoch helfen hier die Erkenntnisse der Kunstgeschichte weiter. Bis heute thront über dem Ort das Schloss Weißenstein, dessen Anfänge bis in die 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück gehen. Aufgrund der Lage von Weißenstein und seinem Schloss direkt an einem der niedrigsten Albaufstiege und wie ein Riegel im engen Josefstal darf man vermuten, dass die Männer dieser Adelsfamilie in erster Linie genau diesen wichtigen Aufstieg auf die Alb von ihrer Burg aus kontrollierten.

Blick von Schloss Weißenstein hin zum Albaufsteig 'Alte Steige'

Aus den überlieferten Urkunden kennt man einige Familienmitglieder: Im Württembergischen Urkundenbuch sind eine Reihe von Urkunden, in denen Mitglieder der Familie von Weißenstein überliefert sind, verzeichnet. 
  • 1241, 2.-7. Februar: Ulrich von Weißenstein ist Zeuge in einer helfensteinischen Urkunde.
  • 1258, 29. Dezember: Der Augsburger Bischof Hartmann von Dillingen übergibt seiner Domkirche seinen gesamten Besitz, darunter die Burg und Stadt Dillingen, die Vogtei über das Kloster Neresheim sowie alle seine Dienstmannen und eigenen Leute. In die letzte Kategorie fallen die pueris de Wiszenstain - die Jungen aus der Familie der Weißensteiner.
  • 1281, 6. Januar: Sigfried von Weißenstein verkauft das Dorf Winterreute an den Geislinger Ammann Albert Kuchalber. Das Dorf Winterreute existiert heute nicht mehr, sein Name ist nur noch als Flurname nordwestlich von Stötten überliefert.
  • 1286, 28. Juni: Bischof Hartmann von Augsburg schenkt seine Ministerialen von Weißenstein an die Augsburger Domkirche - nachdem er 1258 die Söhne der Weißensteiner bereits seiner Domkirche geschenkt hatte.
  • 1292, 14. Mai: Graf Ulrich von Helfenstein verkauft einen Ort an das Kloster Kaisheim. Einer der Zeugen: Sigfried von Weißenstein.
Der Geislinger Heimatforscher Isidor Fischer war der Meinung, dass die Herren von Weißenstein zuerst helfensteinische, dann dillingische und dann wieder helfensteinische Ministerialen gewesen sind. Als Ministerialen bezeichnet man Männer, die als Beamte im Dienste des Adels Verwaltungs- und Herrschaftsaufgaben übernahmen. Aus diesen Beamten entwickelte sich der niedrige Adelsstand.
Die Urkunde von 1241 gibt uns keine direkte Antwort darauf, ob der Zeuge Ulrich von Weißenstein ein helfensteinischer Beamter war. Man erkennt nur, dass dieser Ulrich als Zeuge bei Graf Ulrich von Helfenstein und seinem gleichnamigen Sohn geschätzt war. Eine direkte Verbindung zu den Grafen als Ministeriale kann hier zwar vermutet, aber nicht belegt werden.
Viel interessanter sind die beiden Urkunden von 1258 und 1286 - dort verfügt der Augsburger Bischof Hartmann, dass er zuerst die Söhne (1258) und dann die gesamte Familie der Weißensteiner (1286) seiner Augsburger Domkirche schenkt. Dies bedeutet nun folgendes: Die Weißensteiner stehen eindeutig in direkter Abhängigkeit von des Augsburger Bischofs Hartmann. Sie waren somit in diesem Zeitraum keine helfensteinischen, sondern dillingische Ministerialen.

Der Augsburger Bischof Hartmann

Dieser Bischof (1248-1286) ist für jemanden, der wie ich in Augsburg Geschichte studiert hat, kein unbekannter Mann. Er blieb vor allem deshalb im Gedächtnis, weil große Teile des nördlich von Augsburg gelegenen Territoriums des Hochstiftes aus seinem Besitz stammt. Nur deshalb konnte nach der Reformation der Augsburger Bischof zeitweise von Augsburg nach Dillingen fliehen und dort seine Residenz aufschlagen.
Bischof Hartmann entstammte der berühmten Familie der Grafen von Dillingen, zu der auch der Augsburger Bistumsheilige Ulrich zählte. Seine Familie besaß große Herrschaftsgebiete in der Nordschweiz und eben rund um Dillingen, sodann hatte sie das Kloster Neresheim gestiftet und sie wurden zu starken Anhängern der Staufer. Bischof Hartmann war der letzte männliche Nachkomme. Er hatte zwei Schwestern, von denen eine, Williburg, durch Heirat die Ehefrau des Ulrich II. von Helfenstein wurde und den Helfensteinern eine reiche Mitgift einbrachte.

Die Weißensteiner und ihre Verbindung nach Augsburg und Geislingen

Diese kurze Zusammenfassung der Geschichte der Grafen von Dillingen hilft uns nun bei der Erklärung der Situation der Herren von Weißenstein. Die Weißensteiner konnten nur deshalb an die Augsburger Kirche übergeben werden, weil sie ursprünglich Ministerialen der Grafen von Dillingen gewesen waren.
Wenn die Weißensteiner also Ministerialen der Dillinger Grafen gewesen waren, dann bedeutet dies auch, dass der Besitz und/oder die Grafschaft der Dillinger bis nach Weißenstein gereicht haben muss. Und nachdem die Herren von Weißensteiner an die Augsburger Kirche verschenkt worden waren, besaß diese Domkirche Einfluß bis eben hierher in diesen Ort!
Das Auftreten der Weißensteiner im Umfeld der Grafen von Helfenstein lässt sich durch die Ehe zwischen dem Grafen Ulrich II. von Helfenstein und der Gräfin Williburg von Dillingen erklären, die Einzelheiten des Verhältnisses zwischen den Grafen von Helfenstein und den Grafen von Dillingen, muss an anderer Stelle geklärt werden.

Der Besitz der Weißensteiner

Die Herren von Weißenstein gehörten nicht gerade zu den ärmsten Ortsadeligen, denn 1281 verkaufte Siegfried von Weißenstein das Dorf Winterreute an den Ammann Kuchalber, einen ranghohen Beamten der Stadt Geislingen. Das konnte nur deshalb geschehen, weil Sigfried von Weißensteiner der Dorfherr von Winterreute gewesen waren. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Waren sie auch die Dorfherren von Weißenstein?
Eine Urkunde, die uns darüber Auskunft geben könnte, gibt es nicht. Es scheint am wahrscheinlichsten folgende Situation vorgelegen zu haben: Die Herren von Weißenstein konnten sich als Ministerialen der Grafen von Dillingen und dann der Augsburger Domkirche eine größere Herrschaft aufbauen, waren in ihren Entscheidungen jedoch von diesen abhängig.
Isidor Fischer vermutet nun, dass die Augsburger Kirche ihre Herrschaft über die Herren von Weißenstein sozusagen ‘verpachtet’ hat, d.h. im Fachjargon, der Personen und Besitz wurde als Lehen an die Grafen von Helfenstein gegeben. Diese Behauptung könnte richtig sein - eine Urkunde dazu fehlt aber, was eigentlich verwundert, weil die Augsburger Urkunden aus dieser Zeit weitgehend erhalten geblieben sind.
Es gibt aber auch noch eine andere Erklärung: Die enge Verbindung zu den Helfensteinern könnte aber genauso gut durch die oben erwähnte Verschwägerung zwischen Bischof Hartmann und Graf Ulrich II. von Helfenstein entstanden sein. Es stellte deshalb für die Herren von Weißenstein keinen Interessenskonflikt dar, wenn sie für die Helfensteiner als Zeugen in Urkunden auftraten. Im Gegenteil - man könnte sogar sagen, dass immer dann, wenn die Weißensteiner eine Urkunde für die Helfensteiner unterzeichneten, dass sie dann auch mit Zustimmung der Grafenfamilie von Dillingen handelten. Auf diese Weise lässt sich auch die noch lange anhaltende Verbindung der Helfensteiner zum Bistum Augsburg erklären.

Die besondere Eigenschaft des Ortes Weißenstein

Was machte Weißenstein für die Grafen von Dillingen überhaupt so interessant? Reichtum in Form von Äckern - Fehlanzeige. Bodenschätze - Fehlanzeige. Wichtig war statt dessen die strategische Bedeutung des Ortes.
Betrachten wir einmal die geographische Situation: in unserer unmittelbaren Umgebung gibt es zahlreiche Albaufstiege: den Drackensteiner Hang, die Geislinger Steige, die Ravensteiner Steige und die Weißensteiner Steige. Sie alle zählen zu den niedrigsten Albaufstiegen überhaupt. Über Süßen und Geislingen verlief die Reichsstraße - eine Via Regia - in die Königspfalz Ulm. Diese wurde von den Helfensteinern direkt kontrolliert.
Der Weißensteiner Aufstieg lag in der Hand des Ortsadels von Weißenstein. Hier führte die Heeresstraße, die über Schwäbisch Gmünd, Rechberg und das Christental ins Lautertal kam, weiter auf die Schwäbische Alb und nach Heidenheim. Burg und Siedlung Weißenstein bildeten einen natürlichen Riegel, der ohne großen Aufwand kontrolliert werden konnte. 

Letzte Nachrichten vom Weißensteiner Ortsadel

Die Verbindung zwischen Weißenstein und der Augsburger Domkirche wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt gelöst. Dies muss während des 14. Jahrhunderts in einem Zeitraum zwischen 1292 und 1384 erfolgt sein - doch Urkunden dazu sind bisher nicht bekannt. In dieser Zeit haben sich mehrere Pestwellen über unsere Region ausgebreitet und einen großen Teil der Bevölkerung hinweg gerafft. In der Folge litten Herrschaftsinhaber und Untertanen unter einer unvorstellbaren Wirtschaftskrise.
Einen Vertreter des Weißensteiner Ortsadels kann man im genannten Zeitraum verfolgen: Konrad von Weißenstein siegelte am 24. Juli 1361 in Geislingen eine Verkaufsurkunde des Rudolf von Überkingen. Am 17. März 1383 verkauften die Brüder Konrad und Friedrich von Helfenstein die aus dem Erbe ihres Vaters stammende Hälfte des Zolls von Faimingen a.d. Donau. In der zugehörigen Urkunde siegelt Conrad von Weißenstein als Vogt von Gisselingen (Geislingen/Steige). Das nächste Mal hört man von ihm im Jahre 1389, als er in der Umgebung einer Gräfin von Helfensteiner genannt wird.
Ein weiteres Mal erscheint ein Konrad von Weißenstein am 1. Februar 1401. Damals stiftete er der Überkinger Kirche einen Ewigzins. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser Konrad von Weißenstein die heimatliche Region bereits verlassen und war Pfleger der bayerischen Stadt Gundelfingen. Von dem aus der Stiftung eingenommenen Zins sollten zu geregelten Terminen eine Messe für seine Eltern Konrad und Anna von Weißenstein und den gesamten Vorfahren gelesen werden. Dieser Konrad scheint der Sohn des zwischen 1364 und 1389 agierenden Konrads von Weißenstein gewesen zu sein.
Ein letztes Mal erfährt man von diesem Konrad, dass er am 16. Dezember 1410 als Schiedsrichter in einer Erbauseinandersetzung der Grafenwitwe Anna von  Helfenstein und ihrem Sohn Johann vermittelt. Über das weitere Schicksal der Familie von Weißenstein gibt es bislang keine Nachrichten. 


Quellen und Literatur

- Württembergisches Urkundenbuch - https://www.wubonline.de/
- Regesta Boica, Bd. 10 u.12, München 1843-1849
- Volkert, Wilhelm, Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg Bd. 1, Augsburg 1985 
- Stadtarchiv Geislingen, Urkunden - online:
http://stadtarchiv-geislingen.de/wp-content/uploads/2016/01/G-001-Urkunden.pdf
- Zöpfl, Friedrich, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Mittelalter Bd. 1, Augsburg 1955
- Seehofer, Josef, Stadt Lauterstein in Vergangenheit und Gegenwart, Lauterstein 1981
- Fischer, Isidor, Heimatgeschichte von Weißenstein und Umgebung, Schwäbisch Gmünd 1927

Geschichte(n) von Gingen/Fils - Teil 1.3: Die erste bekannte Gingener Dorfherrschaft: Königin Kunigunde

© Gabriele von Trauchburg Als zweite Frau möchte ich Ihnen die deutsche Königin Kunigunde vorstellen. Sie ist diejenige Königin, die ih...