Sonntag, 10. September 2017

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Gemeinsam für Gott - Teil 2: 1686 - Das erste Jahr der Bauarbeiten

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

 

Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017


    Teil 2: 1686 - Das erste Jahr der Bauarbeiten - Arbeitsbedingungen und erster Bauabschnitt

Die Vorbereitungen für den Neubau der Kapelle auf dem Hohenrechberg waren 1685 in vollem Gang. Wie ich in Teil 1 berichtete, hatte der Baumeister ein Modell der Kirche gebaut, einen Kostenvoranschlag über 5000 Gulden (fl) errechnet, Arbeiter aus Rechberg eine Zisterne und Kalkgruben gegraben, dann wurde ein Kalkofen eingerichtet, erste Bruch- und Kalksteine gebrochen und teilweise zu gebranntem Kalk verarbeitet.

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Noch immer war Bernhard Bero von Rechberg-Donzdorf der Patronatsherr der Kapelle. Er war weiterhin als Obersthofmeister am bayerischen Hof tätig und zählte damit in den 1670er und 1680er Jahren zu den wichtigen Persönlichkeiten am kurbayerischen Hof in München. Gemeinsam mit seiner Frau Maria Jakobäa Fugger von Weißenhorn und Nordendorf verfolgte er die Fortschritte am Kapellenbau.
Der in München ausgebildete Sohn des Paares, Franz Albert, hatte zum Zeitpunkt des Kapellenbaus in der Münchner Hofhierarchie bereits die Stelle eines Oberstallmeisters erreicht. Zudem war er Mitglied der bayerischen Armee und wurde immer wieder zu Kriegszügen gegen die Türken auf dem Balkan eingesetzt. Seine Ehefrau war die aus Südtirol stammende Gräfin Katharina Barbara von Spaur. Auch sie gehörte zum Münchner Hofstaat.
Die Lebensweise an diesem in den 1670er Jahren stark nach Italien und Österreich orientierten Hof und die Pflege des neuen barocken Lebensstils war den Stiftern der Kapelle wohl vertraut. Sie brachten aufgrund ihrer Macht als Herrschaftsinhaber und Patronatsherren diesen neuen Stil in ihre eigene Herrschaft. Für die prachtvolle Ausgestaltung sorgten die vielen arbeitenden Hände von Handlangern, ausgebildeten Handwerkern bis hin zu den auswärtigen Künstlern.

Der Baumeister und sein Parlier

Nach wie vor war der aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner der Baumeister auf der Hohenrechberger Baustelle. Mehrfach im Laufe des Jahres kam er auf die Baustelle, um den Fortschritt des Bauwerks zu überwachen. Bei diesen Gelegenheiten übernachtete er in Donzdorf, am Sitz seines Auftraggebers.
Auch auf der Position des Parliers gab es keine Veränderung. Nach wie vor wählte und prüfte  Johann Wille die benötigten Baumaterialien und überwachte die Arbeiten.
Aufriss der Hohenrechberger Kapelle, um 1685 - © GvT

Die Wächter über die Baukosten

Im ersten Jahr der Bauarbeiten war der Wirt Leonhard Nuding war aus diesem Amt ausgeschieden. Nur Andreas Wagenblast vom Kleineshof  begegnet uns erneut bei der Kontrolle der Baufinanzen. Der zweite Heiligenpfleger war dann Michael Wahl vom Stollenhof. Diesen beiden Männern verdanken wir heute eine ganze Reihe interessanter Einzelheiten zum Geschehen auf der Baustelle.

Die Grundsteinlegung

Das erste große Ereignis des Jahres dürfte die Grundsteinlegung gewesen sein. Sie wurde am 22. April 1686 von Dekan Johann Furnier aus Drakenstein vorgenommen. Zu diesem Zweck mussten Gebühren in Höhe von 5 Gulden und 40 Kreuzern entrichtet werden. Zusätzlich erhielt der Geistliche 21 Gulden für seine Bemühungen.
Zu diesem Ereignis waren zahlreiche Personen erschienen. Neben der Familie des Patronatsherren kam die Verwandschaft aus Weißenstein, dann der junge Offizier und spätere General Gaudenz von Rechberg und zahlreiche Geistliche. Sie alle erhielten nach dem Festakt im Donzdorfer Schloss zuerst ein Mittag Suppen gereicht, die mit den besonderen Gewürzen einer Frau Veichelmann angereichert worden war. Danach folgte ein Hauptgang mit Geflügel, zu dem Wein getrunken wurde. Die bis dahin tätigen Arbeiter erhielten zur Feier des Tages Wein, Bier und Brandwein, die von  Stophel und Kaimer aus Vorderweiler ausschenkten.

Die Maurer und ihre Arbeitsbedingungen

Die Grundsteinlegung blieb nicht das einzige Fest. Am 6. Juni 1686 wurde der Einstand der Maurer gefeiert. Dazu spendierte die Bauleitung Donzdorfer Schlosswein im Wert von 4 Gulden und 11 Kreuzern. Ein Maß (= etwas mehr als 1 Liter) Wein kostete damals 5 Kreuzer. Das ergibt eine Menge von rund 50 Litern Wein für den Einstand der Maurer auf der Baustelle.
Selten findet sich in Bilanzen ein Hinweis auf Arbeitsbedingungen. Im vorliegenden Fall sind die Abmachungen zwischen Bauherr und Baumeister in Kurzform wiedergegeben. Danach erhielt jeder Geselle sowie der Polier Wille Lohn in Höhe von 28 Kreuzer pro Tag. Arbeitsbeginn war um 4 Uhr morgens, Arbeitsende war abends um 7 Uhr. Der Tagesablauf war folgendermaßen geregelt. Nach dem Beginn am frühen Morgen dauerte der erste Arbeitsabschnitt bis um 7 Uhr. Dann folgte eine einstündige Pause für das Brotessen. Danach begann der zweite Arbeitsabschnitt, der um 12 Uhr endete. Nach einer Stunde Pause für das Mittagessen wurde der dritte Arbeitsabschnitt begonnen, der solange das Tageslicht es erlaubte, jedoch spätestens um 7 Uhr abends endete. Aus der Abrechnung geht hervor, dass im Jahre 1686 im Laufe von 30 Wochen an der neuen Kapelle gebaut worden war, und die Lohnzahlungen allein für die Maurer insgesamt 705 Gulden betrugen. 
Die hier vorliegenden Zahlen liefern weitere Einzelheiten zu den Vorgängen auf der Baustelle: rein rechnerisch arbeiteten die Maurer 1686 an maximal 180 Tagen. Auf diese Weise konnte ein Maurer im Idealfall an 180 Tagen je 28 Kreuzer, also insgesamt 84 Gulden (1 Gulden = 60 Kreuzer) verdienen. Bei einer Gesamtsumme von 705 Gulden Lohn für die Maurer und den Polier bedeutet dies, dass täglich zwischen 8 bis 9 Maurer samt dem Polier am Aufbau der Mauern arbeiteten.


Zimmermänner, Schmiede und Handlanger

Den schon im Vorjahr tätige, aus Rechberg-Hinterweiler stammende Georg Persch findet man auch in diesem Jahr gemeinsam mit seinen Mitstreitern auf der Baustelle. Diese Männer übernahmen eine ganze Reihe von Arbeiten: sie brachen die Steine auf dem Hohenrechberg, schlugen das Holz für den Kalkofen, siebten den Sand, rührten den Mörtel und versorgten die Maurer mit dem jeweils benötigten Arbeitsmaterial. Dafür erhielt die Truppe um Georg Persch für das Jahr 1686 insgesamt 696 Gulden an Lohn. Weil jedoch der Tagesverdienst dieser Männer nicht bekannt ist, lässt sich die Größe dieser Arbeitergruppe leider nicht ermitteln.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass zwei Zimmermänner auf der Baustelle arbeiteten. Da war zum einen Hans Samhuber (Sambhueber), der für die Arbeiten an der Zisterne und am Kalkofen zuständig war und dafür mit 2 Gulden 24 Kreuzer entlohnt wurde.
Den weitaus größeren Auftrag hatte Christoph Reichel aus Lautern ergattert. Er sollte die gesamten Zimmermannsarbeiten für die neue Kapelle erledigen. Der Auftrag umfasste ein Gesamtvolumen von 243 Gulden, von denen im Jahr 1686 insgesamt 143 Gulden ausgezahlt wurden. Dieser Großauftrag wurde bei seinem Abschluss in Donzdorf im Becher mit zwei Maß Wein begossen.
Eine Reihe von Schmiedearbeiten übernahm der Schmied von Hinterweiler, Caspar Joß. Er fertigte Eisengatter für die Sakristei und das Oratorium und fertigte oder reparierte die Hämmer für die Maurer und das Werkzeug für die Handlanger um Georg Persch. Damit verdiente er im Jahre 1686 77 Gulden und 37 Kreuzer.
Der Schreiner Martin Frey aus Winzingen tritt erstmals in den Heiligenrechnungen jener Zeit auf. Für verschieden angefallene Arbeiten erhielt er 5 Gulden 36 Kreuzer. Dieser standen aber wohl eher im Zusammenhang mit der alten Kapelle.

Das Personalmanagement

Auf der außergewöhnlich gelegenen Baustelle wurde eine beachtliche Anzahl von Mitarbeitern benötigt. Sie mussten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Die Lösung dieses Problems wurde mit Baubeginn dem Schultheiß von Straßdorf, Franz Blessing, übertragen. Seine Aufgabe bestand darin, die entsprechende Anzahl von benötigten Handwerkern und Handlangern anzuwerben, ihren Einsatz zu organisieren und sie für ihre Arbeit auszuzahlen. Dafür erhielt er 40 Gulden sowie Getreide.

Baumaterial

Aus den Rechnungen geht hervor, dass im Jahr 1686 große Mengen an Baumaterial aus der näheren Umgebung auf den Hohenrechberg geschafft wurden.
Wie im Vorjahr lieferte Hans Nothard vom Fuchshöfle Leitern und Schubkarren im Wert von 13 Gulden. Benötigte Bretter und Rahmenschenkel für 41 Gulden lieferte der Sägmüller Georg Lang aus Salach. Das beim Bau benötigte Eisen besorgte der Gmünder Bürgermeister und Handelsmann Achilles Stahl und erhielt dafür 96 Gulden. Dringend benötigt wurden auch Nägel für den Dachstuhl.
Die umfangreichsten Lieferungen kamen von zwei Ziegeleien. Albrecht Schmied aus Staufeneck und Andreas Huber aus Waldstetten lieferten Brandsteine und Platten für Brankkalk. Dafür wurde Huber 194 Gulden vergütet und Schmied 73 Gulden. Sogar für das kommende Jahr wurde schon bei Ziegler Huber vorbestellt - nämlich 10.000 Brandsteine für 63 Gulden.


Transportwesen

Die exponierte Lage der Baustelle auf dem Hohenrechberg sorgte dafür, dass die Baumaterialien alle dorthin gebracht werden mussten. Die gesamten Transportkosten für das Jahr 1686 betrugen 532 Gulden. Man lieferte Steine, vor allem für den Kalkofen, dann Holz, Kalk und Wasser.
Weil man bei der Zusammenstellung der Heiligenrechnung eine Fuhre versehentlich nicht in die große Summe mit einbezogen hatte, erfährt man dann nebenbei, dass für einen Transport von Steinen aus dem Steinbruch auf dem Berg durch den Schonterbauer Michael 45 Kreuzer bezahlt wurde. Ein weiterer Fuhrunternehmer war der Straßdorfer Wirt Georg Staudenmayer, ansonsten beauftragte man bevorzugt Rechberger Untertanen.

Baufortschritte

Aus der Heiligenrechnung des Jahres 1686 lässt sich auch der Baufortschritt ablesen. Insgesamt wurde 30 Wochen lang auf der Baustelle gearbeitet. Die Maurer begannen mit ihrer Arbeit Anfang Juni nach der Einstandsfeier. Sie scheinen gut über den Sommer vorangekommen zu sein, so dass man Anfang September die Hoffnung hegte, sogar noch den Dachstuhl aufrichten zu können. Deshalb findet sich folgender Eintrag: ... mehr besagten Maurern den 10. September dies Jahr zu Animierung besserer Arbeit gereicht - 20 Maß Wein im Wert von 1 Gulden 40 Kreuzer. Tatsächlich standen bis zum Ende der Bausaison die Mauern des Langhauses, und im späten Herbst wurde der Dachstuhl aufgerichtet. Beim Hebauf ließ deshalb die Patronatsherrschaft 62 Maß Wein für Maurer und Zimmerleut im Wert von 5 Gulden 10 Kreuzern ausgegeben.
Die Hohenrechberger Heiligenrechnungen offenbaren deutlich, dass die Differenzierung bei den einzelnen Arbeitsgängen. Wie im Jahr davor werden bei der Vergabe der Arbeiten in erster Linie rechbergische Untertanen bevorzugt. Nur bei Spezialaufgaben holt man Hilfe von außen.



Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- von Trauchburg, Gabriele, Die Aushöfe der Herrschaft und der Gemeinde Rechberg, in: Rechberg - Ein Heimatbuch, hrsg. v. Karl Weber und K.J. Herrmann, Schwäbisch Gmünd 2004, S. 366-383

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