Sonntag, 10. September 2017

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg Gemeinsam für Gott - Teil 1: 1685 - Das Jahr der Bauvorbereitungen

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Gemeinsam für Gott - Patronatsherren, Handwerker, Tagelöhner und Künstler. Vortrag zum Tag des Deutschen Denkmals 2017

 

 © Gabriele von Trauchburg, September 2017
Für die technische Beratung danke ich Herrn Benjamin Werner (staatl. Bautechniker, Lauterstein) und Herrn Bernhard Baum (Dipl. Maler- und Lakierermeister, Donzdorf)

Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Hohenrechberg - © GvT

Teil 1: 1685 - Das Jahr der Bauvorbereitungen

Seit der zweiten Hälfte der 1670er formte sich im Hause der Grafen von Rechberg allmählich der Plan, eine neue Kapelle auf dem Hohenrechberg zu errichten. Bei unserer heutigen Führung will ich Ihnen aufzeigen, wie man einen derartigen Bau plante und dann in der Realität umsetzte.
Ein derartiges Vorhaben kann nur gelingen, wenn es das entsprechende Material dazu gibt. Im Falle von Hohenrechberg sind dies die teilweise ausführlich kommentierten Bilanzen der Wallfahrtskapelle. Sie umfassen den Zeitraum von 1685 - dem Jahr der Bauvorbereitungen, 1686 - das Jahr der Grundsteinlegung und des Rohbaus, 1687 - das Jahr des Dachs und des Turms, 1688-1689 die beiden Jahre der Innenausstattung.
In den Hohenrechberger Bilanzen ist nicht nur von den erreichten Arbeitsabschnitten die Rede, sondern auch von der Organisation der Mammutbaustelle an ungewöhnlichem Ort, den beteiligten Handwerkern und von den Arbeitsbedingungen.
All diese Informationen sollen im folgenden so zusammengestellt werden, dass man sich Schritt für Schritt die Entstehung der neuen Barockkapelle auf dem Hohenrechberg vorstellen kann.

Die Auftraggeber - Der Patronatsherr und seine Familie

Als 1676 diejenige Rechberglinie, die bis dahin die für die Rechberg-Familie zentrale Herrschaft Hohenrechberg inne hatte, ausstarb, ging sie an die nächstälteste, die Donzdorfer Linie über. Der damalige Herrschaftinhaber dort war Bernhard Bero von Rechberg (1607-1686)
Bernhard Bero zählte in den 1670er und 1680er Jahren zu den wichtigen Persönlichkeiten am kurbayerischen Hof in München. Zudem hielt er sich einige Zeit lang in der österreichischen Grenzfestung Neuhäusl auf, die durch das Vordringen der Türken im 17. Jahrhundert bedroht war. In den 1680er Jahren machte Bernhard Bero Karriere als Hofbeamter. Bis 1685 hatte er die Stellung eines Obersthofmeisters erreicht, die ranghöchste Stelle an einem Hof.
Verheiratet war Bernhard Bero mit Maria Jakobäa Fugger von Weißenhorn und Nordendorf. Auch sie und ihre Familie gehörten zum engen Zirkel am kurbayerischen Hof. Der Bau der Kapelle lag ihr besonders am Herzen. Zu den Baukosten trug sie in erheblichem Maße bei und ließ sich in der Kirche ihre Grabstätte einrichten.
Der Sohn des Paares, Franz Albert, war in München am Jesuitengymnasium, über Jahrhunderte hinweg eine Kaderschmiede, erzogen worden. Wie sein Vater startete er seine berufliche Laufbahn am Münchner Hof und hatte bei Baubeginn die Stelle eines Oberstallmeisters inne. Seine Ehefrau war die aus Südtirol stammende Gräfin Katharina Barbara von Spaur. Sie zählte zu den drei beliebtesten Hofdamen der 1676 verstorbenen bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide und ist auf einem Gemälde in der Münchner Residenz abgebildet.

Macht und Pracht   

Das diesjährige Motto vom Tag des offenen Denkmals lautet: Macht und Pracht. Als Obersthofmeister in München lernte Bernhard Bero und seine Familie die neue Pracht nach dem 30jährigen Krieg - den Barock - kennen. Die junge Kurfürstin Henriette Adelaide brachte diesen neuen Kulturstil aus ihrer oberitalienischen Heimat nach München, indem sie Baumeister, Maler und Musiker engagierte. Bernhard Bero und seine Familie wirkten als kulturelle Multiplikatoren und brachten diese neue Mode in ihre eigene Herrschaft - nach Hohenrechberg. Als Herrschaftsinhaber und als Patronatsherr besaß Bernhard Bero die Macht, diesem Kunststil hier zum Durchbruch zu verhelfen. Er selbst, seine Frau und der Ehemann seiner Nichte, Leutnant Wilhelm von Limburg-Styrum besaßen die finanziellen Mittel, um dieses Unternehmen zu einem guten Abschluss zu bringen. Und schließlich sorgte Franz Albrecht und seine Frau dafür, dass der renommierte Stuckateur Prospero Breno mit seinen Kunstfertigkeiten an diesem Ort sich eine Pracht entwickeln ließ, die in Süddeutschland ihres gleichen sucht.  

Der Baumeister und sein Parlier

Bernhard Bero und seine Frau wählten den aus Vorarlberg stammenden und im vorderösterreichischen Günzburg arbeitenden Baumeister Valerian Brenner aus. Bei dieser Wahl entscheidend dürfte dessen erfolgreicher Abschluss des Bauprojektes Wallfahrtskirche Biberbach bei Augsburg gewesen sein. Diese Kirche hatte er im Auftrag des Schwagers von Bernhard Bero von Rechberg errichtet. Und oftmals waren es die Empfehlungen innerhalb einer Familie oder eines Freundeskreises, die zum nächsten Auftrag führten. Valerian Brenner gehört in die Kategorie der sogenannten Vorarlberger Baumeister, die den Barockstil im Kirchenbau nördlich der Alpen verbreiteten.
Valerian Brenner ist erstmals in der Bilanz von 1685 verzeichnet. Dazu heißt es, dass er zuerst ein Modell der künftigen Kapelle fertigte und aufgrund dessen einen Baukostenvoranschlag in Höhe von 5000 Gulden (fl) ausgearbeitet hatte. Im Laufe des gleichen Jahres reiste er mehrfach zur Kontrolle auf die Baustelle auf dem Hohenrechberg und übernachtete bei dieser Gelegenheit beim Adlerwirt in Donzdorf.
Zum Parlier (= Polier oder Bauleiter) der Baustelle wurde Johann Wille bestellt. Über diesen Mann gibt es bis dato keine weiterführenden Informationen. Zu seinen Aufgaben zählte die  Auswahl von Baumaterialien und die qualitative Überwachung der Arbeiten.


Die Wächter über die Baukosten

Die Überwachung der Finanzen oblag den beiden Heiligenpflegern der Kapelle Hohenrechberg. In der Regel notierten sie akkurat die jährlichen Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Kapelle.
Während der Bauarbeiten kontrollierten sie die baulichen Fortschritte anhand der vorgelegten Abrechnungen. Es ist ein Glücksfall, dass die Hohenrechberger Heiligenpfleger teilweise die Ausgaben kommentierten. Auf diese Weise gewinnt man ein plastisches Bild von der Baustelle auf dem Berg, wie man im folgenden sehen wird.
Die vielen Details zum Bau verdankt man dem damaligen Wirt in Rechberg-Hinterweiler, Leonhard Nuding. Anfangs stand ihm Michael Frey aus Rechberg-Vorderweiler bis zu seinem Tod zur Seite. Seine Stelle nahm dann Andreas Wagenblast vom Kleineshof, einem der Aushöfe von Rechberg, zur Seite.   


Die Bauvorbereitungen

Die Lage der Baustelle stellte eine große Herausforderung für die beteiligten Menschen dar. Noch immer führt der Weg von der Burg bis herauf zur Kapelle über diesen besonders letzten steilen Anstieg. Dieser musste während der Bauarbeiten mit dem Baumaterial bewältigt werden.
Die Ausgaben in den Bilanzen, den sogenannten Heiligenrechnungen, zeigen sehr deutlich, dass die Baustelle systematisch vorbereitet wurde. Im Jahr 1685 entstanden zwei Vorhaben: eine Zisterne und ein Kalkofen mit Kalkgruben.

Die Zisterne

Die Zisterne entstand in unmittelbarer Umgebung zur neu zu errichtenden Kapelle. Dieses Wasserreservoir war dringend nötig, um darin das auf der Baustelle benötigte Wasser sammeln zu können. Dazu musste zunächst die Zisterne ausgehoben werden. Allein dieses Vorhaben  stellte die daran beteiligten Arbeiter vor eine große Herausforderung, folgte doch der dünnen Humusschicht gleich das weiße Kalkgestein. In dieses Gestein musste die Zisterne hinein gegraben werden.
Diese schweißtreibende Aufgabe hatte Georg Persch, Tagelöhner aus Hinterweiler, übernommen. Tagelöhner ist in diesem Fall eine leicht irreführende Berufsbezeichnung, denn Persch tritt als Vertreter einer ganzen Reihe von Tagelöhnern in den Heiligenrechnungen auf, vielleicht könnte man in ihm für die Zeit der Baustelle eine Art Unternehmer erkennen. Er hatte seine Männer für diese Baumaßnahmen gewonnen. Er dirigierte sie im Verlauf der unterschiedlichen Arbeiten auf der Baustelle, stellte die Rechnungen, erhielt die einzelnen Summen und zahlte die Männer aus.
Arbeiten, die spezielle Kenntnisse voraussetzten, wurden von Fachleuten erledigt. So holte man den Maurer Simon Kerner aus Treffelhausen für die Maurerarbeiten. Dieser brachte noch seinen Gesellen zur Unterstützung mit.
Damit die neue Zisterne sich möglichst bald mit Wasser füllen konnte, wurde ein ganzes Netz an Rohrleitungen verlegt. Rohre, sogenannte Deicheln, wurden damals aus Holz hergestellt. Zimmermänner bohrten in Holzstämme ein durchgängiges Loch. Die dünneren oberen Enden eines Stammes wurden in das dicke untere Ende eines Stammes geschoben und mit Hilfe von Metallbändern fixiert.
Die auf dem Hohenrechberg benötigten Deicheln stellte der Schwäbisch Gmünder Zimmermann Johann Herlickhover her. Den Auftrag für die Herstellung von hölzernen Dachrinnen - wahrscheinlich für die alte Kapelle, dem heutigen Gasthaus - erhielt der Donzdorfer Zimmermann Gregor Mayr. Zur Fertigstellung der Zisterne stellten der Gmünder Schlosser Franz Schmid einige Teile her und verbaute sie, dann baute Johann Herlickhover schließlich das Gestell und das Dach darüber.

Der Kalkofen

Der Kalkofen war von größter Bedeutung, darin wurde der Kalk gebrannt, den man für die Herstellung des Mörtels und des Verputzes dringend benötigte. Für diesen Kalkofen wurden zwei regionale Maurer engagiert: Johann Boser aus Weißenstein und Hans Georg Friestadler aus Hinterweiler. Boser stellte den Kalkofen her, Friestadler mauerte die Einfassung.

Die Kalkgruben

Der im Kalkofen gebrannte Kalk wurde nach dem Brennvorgang weiter verarbeitet. In großen Pfannen wurde er gelöscht, d.h. Wasser und Kalk wurden vermischt und solange gerührt, bis der sich entwickelnde Dampf ‘gelöscht’ war. Anschließend lagerte man die geschmeidige Masse in Kalkgruben. Je älter ein derartiger Kalk war, desto bessere Qualität besaß er. Die Kalkgruben wurden ebenfalls von Georg Persch und seinen Mitstreitern hergestellt.

Das Arbeitsmaterial

Die Arbeiten im Gestein - das Ausheben der Zisterne und die Herstellung der Kalkgruben - erforderten bestimmte Werkzeuge - Pickel, Hauen, Schaufeln und weitere Kleinwerkzeuge. Diese stellten der Wagner Hans Nothard vom Fuchshof und der Schmied von Hinterweiler, Caspar Jos, in großem Umfang her.
Für die Herstellung von Mörtel benötigte man neben Wasser und Kalk auch noch Sand. Das dazu notwendige Sandsieb lieferte der Gmünder Hufschmied Andreas Kroll. Schubkarren zum Transport von Material auf der Baustelle fertigte der Zimmerknecht Hans Sambhueber.
Die Steine für den Bau der Kirche und für die Herstellung des Mörtels wurden zum Teil direkt auf dem Berg gebrochen und dann gleich an Ort und Stelle verarbeitet. Im Steinbruch arbeitete der bereits mehrfach genannte Georg Persch mit seinen Mitstreitern.
Nach dem Bau von Kalkofen und Kalkgruben ging der Hinterweiler Maurer Friestadler daran, den gelöschten Kalk herzustellen. Das notwendige Holz zum Erhitzen der Kalksteine schluggen und lieferten ebenfalls Georg Persch und seine Mitstreiter.
Der außerdem benötigte Sand war auf dem Hohenrechberg nicht zu finden. Dieser wurde entweder aus den umgebenden Flüssen gewonnen oder aber in Sandmühlen hergestellt. Beide Sandarten mussten dann auf die Baustelle geliefert werden. Die Transporte übernahmen die Hohenrechberger Untertanen. Einige Fuhren erledigten sie ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen, weil sie auf diese Weise ihrer Fronpflicht nachkamen. In diesem Fall erhielten sie eine kostenloste Verpflegung aus Brot, Wein und Brandwein beim Hinterweiler Wirt Nuding. Hatten sie ihre Fronpflichten erledigt, mussten aber noch mehr Fuhren tätigen, so stellten sie hierfür Rechnungen, deren Höhe ihnen dann von den Heiligenpflegern ausbezahlt wurden.

Die Handwerker

Die akkurat geführten Heiligenrechnungen erlauben für das Jahr 1685 bereits einen interessanten Einblick auf die Baustelle auf dem Hohenrechberg. Auffallend ist, dass die meisten Handwerker, Zulieferer und Tagelöhner aus Dörfern rechbergischer Herrschaften kommen: Straßdorf, Rechberg, Weißenstein, Donzdorf und Treffelhausen. Einzig dann, wenn ein besonderes Material oder ein Handwerk nicht von eigenen Untertanen erledigt werden konnte, holte man sich dieses fehlende Material oder Wissen aus der nahegelegenen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd.
Soweit möglich, habe ich hier bewusst auch die Namen der damals beteiligten Bauarbeiter genannt. Viele Namen davon findet man noch heute in der Region. Auch diese Männer sind es wert, im Rahmen einer solchen Betrachtung einmal genannt zu werden.

Quellen und Literatur

- GRFAD - HA, Heiligenrechnungen der Kapelle Hohenrechberg 1685-1689
- GRFAD - RA, einschlägige Archivalien zum Bau der Kapelle Hohenrechberg
- von Trauchburg, Gabriele, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem  Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- von Trauchburg, Gabriele, Die Aushöfe der Herrschaft und der Gemeinde Rechberg, in: Rechberg - Ein Heimatbuch, hrsg. v. Karl Weber und K.J. Herrmann, Schwäbisch Gmünd 2004, S. 366-383
- Kurzfilm zum Kalkbrennen - https://www.youtube.com/watch?v=u6AE9cYByy0
- Kurzfilm zum Historischer Kalkmörtel: https://www.youtube.com/watch?v=j-NGv5i3AVU

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