Freitag, 1. September 2017

Geschichte(n) der Stadt Lauterstein - Teil 1: Die erste urkundliche Nennung von Weißenstein und sein Ortsadel

Gabriele von Trauchburg, © September 2017


Die Stadt Lauterstein im Landkreis Göppingen wurde am 1. Januar 1974 im Zuge der Gemeindereform in Baden-Württemberg aus dem Dorf Nenningen und der Stadt Weißenstein gebildet. Die beiden Orte verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, waren sie doch die beiden Hauptorte der ehemaligen Rechberg-Herrschaft Weißenstein. Es gibt eine ganze Reihe von historischen Ereignissen, die beide Ortsteile betreffen. Sie sollen im Laufe der Zeit an dieser Stelle zusammengetragen werden.   

Die erste schriftliche Nennung von Weißenstein

Seit langem ist bekannt, dass der Ortsname der alten Stadt Weißenstein - gelegen am Albaufstieg auf dem Weg von Göppingen nach Heidenheim - erstmals in einer Urkunde von 1241 aufgeführt ist.
Mit einer Urkunde, entstanden vom 2.-7. Februar 1241 überließen Graf Ulrich von Helfenstein und dessen gleichnamiger Sohn dem Kloster Salem Grund und Boden. In diesem Schriftstück wird an fünfter Stelle Ulrich von Weißenstein als Zeuge genannt. Welche Erkenntnisse kann man aus dieser Nennung  ziehen?

Schloss Weißenstein - © GvT

Der Weißensteiner Ortsadel

Bereits in staufischer Zeit gab es den Ort Weißenstein. Auf seiner Gemarkung lebte unter anderem eine adelige Familie, die sich nach diesem Ort nannte. Wo sich ihr Wohnsitz befand, ist nicht anhand von Schriftstücken zu ermitteln.
Jedoch helfen hier die Erkenntnisse der Kunstgeschichte weiter. Bis heute thront über dem Ort das Schloss Weißenstein, dessen Anfänge bis in die 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück gehen. Aufgrund der Lage von Weißenstein und seinem Schloss direkt an einem der niedrigsten Albaufstiege und wie ein Riegel im engen Josefstal darf man vermuten, dass die Männer dieser Adelsfamilie in erster Linie genau diesen wichtigen Aufstieg auf die Alb von ihrer Burg aus kontrollierten.

Blick von Schloss Weißenstein hin zum Albaufsteig 'Alte Steige'

Aus den überlieferten Urkunden kennt man einige Familienmitglieder: Im Württembergischen Urkundenbuch sind eine Reihe von Urkunden, in denen Mitglieder der Familie von Weißenstein überliefert sind, verzeichnet. 
  • 1241, 2.-7. Februar: Ulrich von Weißenstein ist Zeuge in einer helfensteinischen Urkunde.
  • 1258, 29. Dezember: Der Augsburger Bischof Hartmann von Dillingen übergibt seiner Domkirche seinen gesamten Besitz, darunter die Burg und Stadt Dillingen, die Vogtei über das Kloster Neresheim sowie alle seine Dienstmannen und eigenen Leute. In die letzte Kategorie fallen die pueris de Wiszenstain - die Jungen aus der Familie der Weißensteiner.
  • 1281, 6. Januar: Sigfried von Weißenstein verkauft das Dorf Winterreute an den Geislinger Ammann Albert Kuchalber. Das Dorf Winterreute existiert heute nicht mehr, sein Name ist nur noch als Flurname nordwestlich von Stötten überliefert.
  • 1286, 28. Juni: Bischof Hartmann von Augsburg schenkt seine Ministerialen von Weißenstein an die Augsburger Domkirche - nachdem er 1258 die Söhne der Weißensteiner bereits seiner Domkirche geschenkt hatte.
  • 1292, 14. Mai: Graf Ulrich von Helfenstein verkauft einen Ort an das Kloster Kaisheim. Einer der Zeugen: Sigfried von Weißenstein.
Der Geislinger Heimatforscher Isidor Fischer war der Meinung, dass die Herren von Weißenstein zuerst helfensteinische, dann dillingische und dann wieder helfensteinische Ministerialen gewesen sind. Als Ministerialen bezeichnet man Männer, die als Beamte im Dienste des Adels Verwaltungs- und Herrschaftsaufgaben übernahmen. Aus diesen Beamten entwickelte sich der niedrige Adelsstand.
Die Urkunde von 1241 gibt uns keine direkte Antwort darauf, ob der Zeuge Ulrich von Weißenstein ein helfensteinischer Beamter war. Man erkennt nur, dass dieser Ulrich als Zeuge bei Graf Ulrich von Helfenstein und seinem gleichnamigen Sohn geschätzt war. Eine direkte Verbindung zu den Grafen als Ministeriale kann hier zwar vermutet, aber nicht belegt werden.
Viel interessanter sind die beiden Urkunden von 1258 und 1286 - dort verfügt der Augsburger Bischof Hartmann, dass er zuerst die Söhne (1258) und dann die gesamte Familie der Weißensteiner (1286) seiner Augsburger Domkirche schenkt. Dies bedeutet nun folgendes: Die Weißensteiner stehen eindeutig in direkter Abhängigkeit von des Augsburger Bischofs Hartmann. Sie waren somit in diesem Zeitraum keine helfensteinischen, sondern dillingische Ministerialen.

Der Augsburger Bischof Hartmann

Dieser Bischof (1248-1286) ist für jemanden, der wie ich in Augsburg Geschichte studiert hat, kein unbekannter Mann. Er blieb vor allem deshalb im Gedächtnis, weil große Teile des nördlich von Augsburg gelegenen Territoriums des Hochstiftes aus seinem Besitz stammt. Nur deshalb konnte nach der Reformation der Augsburger Bischof zeitweise von Augsburg nach Dillingen fliehen und dort seine Residenz aufschlagen.
Bischof Hartmann entstammte der berühmten Familie der Grafen von Dillingen, zu der auch der Augsburger Bistumsheilige Ulrich zählte. Seine Familie besaß große Herrschaftsgebiete in der Nordschweiz und eben rund um Dillingen, sodann hatte sie das Kloster Neresheim gestiftet und sie wurden zu starken Anhängern der Staufer. Bischof Hartmann war der letzte männliche Nachkomme. Er hatte zwei Schwestern, von denen eine, Williburg, durch Heirat die Ehefrau des Ulrich II. von Helfenstein wurde und den Helfensteinern eine reiche Mitgift einbrachte.

Die Weißensteiner und ihre Verbindung nach Augsburg und Geislingen

Diese kurze Zusammenfassung der Geschichte der Grafen von Dillingen hilft uns nun bei der Erklärung der Situation der Herren von Weißenstein. Die Weißensteiner konnten nur deshalb an die Augsburger Kirche übergeben werden, weil sie ursprünglich Ministerialen der Grafen von Dillingen gewesen waren.
Wenn die Weißensteiner also Ministerialen der Dillinger Grafen gewesen waren, dann bedeutet dies auch, dass der Besitz und/oder die Grafschaft der Dillinger bis nach Weißenstein gereicht haben muss. Und nachdem die Herren von Weißensteiner an die Augsburger Kirche verschenkt worden waren, besaß diese Domkirche Einfluß bis eben hierher in diesen Ort!
Das Auftreten der Weißensteiner im Umfeld der Grafen von Helfenstein lässt sich durch die Ehe zwischen dem Grafen Ulrich II. von Helfenstein und der Gräfin Williburg von Dillingen erklären, die Einzelheiten des Verhältnisses zwischen den Grafen von Helfenstein und den Grafen von Dillingen, muss an anderer Stelle geklärt werden.

Der Besitz der Weißensteiner

Die Herren von Weißenstein gehörten nicht gerade zu den ärmsten Ortsadeligen, denn 1281 verkaufte Siegfried von Weißenstein das Dorf Winterreute an den Ammann Kuchalber, einen ranghohen Beamten der Stadt Geislingen. Das konnte nur deshalb geschehen, weil Sigfried von Weißensteiner der Dorfherr von Winterreute gewesen waren. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Waren sie auch die Dorfherren von Weißenstein?
Eine Urkunde, die uns darüber Auskunft geben könnte, gibt es nicht. Es scheint am wahrscheinlichsten folgende Situation vorgelegen zu haben: Die Herren von Weißenstein konnten sich als Ministerialen der Grafen von Dillingen und dann der Augsburger Domkirche eine größere Herrschaft aufbauen, waren in ihren Entscheidungen jedoch von diesen abhängig.
Isidor Fischer vermutet nun, dass die Augsburger Kirche ihre Herrschaft über die Herren von Weißenstein sozusagen ‘verpachtet’ hat, d.h. im Fachjargon, der Personen und Besitz wurde als Lehen an die Grafen von Helfenstein gegeben. Diese Behauptung könnte richtig sein - eine Urkunde dazu fehlt aber, was eigentlich verwundert, weil die Augsburger Urkunden aus dieser Zeit weitgehend erhalten geblieben sind.
Es gibt aber auch noch eine andere Erklärung: Die enge Verbindung zu den Helfensteinern könnte aber genauso gut durch die oben erwähnte Verschwägerung zwischen Bischof Hartmann und Graf Ulrich II. von Helfenstein entstanden sein. Es stellte deshalb für die Herren von Weißenstein keinen Interessenskonflikt dar, wenn sie für die Helfensteiner als Zeugen in Urkunden auftraten. Im Gegenteil - man könnte sogar sagen, dass immer dann, wenn die Weißensteiner eine Urkunde für die Helfensteiner unterzeichneten, dass sie dann auch mit Zustimmung der Grafenfamilie von Dillingen handelten. Auf diese Weise lässt sich auch die noch lange anhaltende Verbindung der Helfensteiner zum Bistum Augsburg erklären.

Die besondere Eigenschaft des Ortes Weißenstein

Was machte Weißenstein für die Grafen von Dillingen überhaupt so interessant? Reichtum in Form von Äckern - Fehlanzeige. Bodenschätze - Fehlanzeige. Wichtig war statt dessen die strategische Bedeutung des Ortes.
Betrachten wir einmal die geographische Situation: in unserer unmittelbaren Umgebung gibt es zahlreiche Albaufstiege: den Drackensteiner Hang, die Geislinger Steige, die Ravensteiner Steige und die Weißensteiner Steige. Sie alle zählen zu den niedrigsten Albaufstiegen überhaupt. Über Süßen und Geislingen verlief die Reichsstraße - eine Via Regia - in die Königspfalz Ulm. Diese wurde von den Helfensteinern direkt kontrolliert.
Der Weißensteiner Aufstieg lag in der Hand des Ortsadels von Weißenstein. Hier führte die Heeresstraße, die über Schwäbisch Gmünd, Rechberg und das Christental ins Lautertal kam, weiter auf die Schwäbische Alb und nach Heidenheim. Burg und Siedlung Weißenstein bildeten einen natürlichen Riegel, der ohne großen Aufwand kontrolliert werden konnte. 

Letzte Nachrichten vom Weißensteiner Ortsadel

Die Verbindung zwischen Weißenstein und der Augsburger Domkirche wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt gelöst. Dies muss während des 14. Jahrhunderts in einem Zeitraum zwischen 1292 und 1384 erfolgt sein - doch Urkunden dazu sind bisher nicht bekannt. In dieser Zeit haben sich mehrere Pestwellen über unsere Region ausgebreitet und einen großen Teil der Bevölkerung hinweg gerafft. In der Folge litten Herrschaftsinhaber und Untertanen unter einer unvorstellbaren Wirtschaftskrise.
Einen Vertreter des Weißensteiner Ortsadels kann man im genannten Zeitraum verfolgen: Konrad von Weißenstein siegelte am 24. Juli 1361 in Geislingen eine Verkaufsurkunde des Rudolf von Überkingen. Am 17. März 1383 verkauften die Brüder Konrad und Friedrich von Helfenstein die aus dem Erbe ihres Vaters stammende Hälfte des Zolls von Faimingen a.d. Donau. In der zugehörigen Urkunde siegelt Conrad von Weißenstein als Vogt von Gisselingen (Geislingen/Steige). Das nächste Mal hört man von ihm im Jahre 1389, als er in der Umgebung einer Gräfin von Helfensteiner genannt wird.
Ein weiteres Mal erscheint ein Konrad von Weißenstein am 1. Februar 1401. Damals stiftete er der Überkinger Kirche einen Ewigzins. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser Konrad von Weißenstein die heimatliche Region bereits verlassen und war Pfleger der bayerischen Stadt Gundelfingen. Von dem aus der Stiftung eingenommenen Zins sollten zu geregelten Terminen eine Messe für seine Eltern Konrad und Anna von Weißenstein und den gesamten Vorfahren gelesen werden. Dieser Konrad scheint der Sohn des zwischen 1364 und 1389 agierenden Konrads von Weißenstein gewesen zu sein.
Ein letztes Mal erfährt man von diesem Konrad, dass er am 16. Dezember 1410 als Schiedsrichter in einer Erbauseinandersetzung der Grafenwitwe Anna von  Helfenstein und ihrem Sohn Johann vermittelt. Über das weitere Schicksal der Familie von Weißenstein gibt es bislang keine Nachrichten. 


Quellen und Literatur

- Württembergisches Urkundenbuch - https://www.wubonline.de/
- Regesta Boica, Bd. 10 u.12, München 1843-1849
- Volkert, Wilhelm, Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg Bd. 1, Augsburg 1985 
- Stadtarchiv Geislingen, Urkunden - online:
http://stadtarchiv-geislingen.de/wp-content/uploads/2016/01/G-001-Urkunden.pdf
- Zöpfl, Friedrich, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Mittelalter Bd. 1, Augsburg 1955
- Seehofer, Josef, Stadt Lauterstein in Vergangenheit und Gegenwart, Lauterstein 1981
- Fischer, Isidor, Heimatgeschichte von Weißenstein und Umgebung, Schwäbisch Gmünd 1927

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