Montag, 1. Januar 2018

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Teil 5: Die Arbeitsweise des Prospero Brenno

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg 


Teil 5: Die Arbeitsweise des Prospero Brenno

Aus der bisherigen Forschung geht hervor, dass Prospero Brenno in vielen Fällen gemeinsam mit einem Bruder, seinen Söhnen oder einem Vetter an einem Projekt arbeitete, beispielsweise in Würzburg, München oder Weggental b. Rottenburg a. Neckar. In anderen Fällen gehörte er zu einem größeren Trupp, in dem eine ganze Reihe von Stuckateuren arbeitete, etwa in München oder in Benediktbeuern.
In den Heiligenrechnungen der Wallfahrtskirche Hohenrechberg wird ausschließlich der Name Prospero Brenno genannt. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass Brenno die gesamte Ausstattung allein hergestellt hat. Vielmehr darf man auch hier vermuten, dass er nahe Verwandte in den Auftrag mit einbezogen hat. Darauf weist die Signatur am Fuß der Kanzel hin: IFBSFA1689 (s. Teil 11).

Die Arbeitswelt des Prospero Brenno lässt sich ziemlich gut anhand der Münchner Hofrechnungen ermitteln. Im Lauf der Jahrhunderte hatten die Zünfte strikte Arbeitsteilungen entwickelt, um auf diese Weise Arbeit für ihre Mitglieder zu sichern. Am Beispiel des Stuckateurshandwerks lässt sich diese Trennung und ihre Folgen besonders gut aufzeigen.
Stuckateure benötigten für die Herstellung von Bordüren oder anderer häufig wiederkehrender Ornamente aus Holz gefertigte Model. Dieses Arbeitsverfahren hatte nun zur Folge, dass Stuckateure zuerst ihre Entwürfe zu Papier brachten. Sie reichten dann die Entwürfe an einen ausgebildeten Bildhauer weiter. Der wiederum setzte die Papierzeichnungen in Holz um, so dass Model mit den gewünschten Mustern entstanden. Diese Model wurden den Stuckateuren übergeben, damit sie mit deren Hilfe die gewünschten Elemente herstellen konnten.
Prospero Brenno war nicht an diese traditionelle Arbeitsteilung gebunden, weil er in beiden Handwerken - das des Bildhauers und des Stuckateurs - ausgebildet war. Für ihn besaß diese Tatsache große Bedeutung, denn damit konnte er seine Entwürfe selbst in Holz modellieren und anschließend auch selbst die Stuckelemente herstellen - was ihm einen beachtlichen zeitlichen und finanziellen Vorteil einbrachte. Seine Fähigkeiten als Bildhauer stellte er unter anderem bei der Gestaltung der Kanzel unter Beweis. Prospero Brenno war also ein auf allen Ebenen seiner Kunst ausgebildeter Spezialist:
  1. Prospero Brenno verfügte über die Fähigkeiten, Entwürfe zur Ausstattung eines Gebäudes - sei es eine Residenz oder eine Kirche - anzufertigen. 
  2. Prospero Brenno war offensichtlich ein gefragter Stuckateur. Wenn er unter Vertrag genommen wurde, war er in der Lage, dem Auftraggeber ein Gesamtpaket vom Entwurf bis zur Fertigstellung aus einer Hand zu liefern. 

Prospero Brenno als Designer für andere Handwerker 

Die soeben gewonnene Erkenntnis hilft bei der weiteren Betrachtung der Hohenrechberger Ausstattung. Auffällig ist die Tatsache, dass nicht nur die Stuckaturen aus einer Hand gefertigt sind, sondern auch weitere Ausstattungsgegenstände wie die Beichtstühle und die Sitzbänke genau auf den Stil der Kirche abgestimmt sind und Ornamente aufzeigen, die man bis dahin in der Region sonst nicht kannte. Diese Beobachtung lässt nur einen Schluss zu: es war Prospero Brenno, der neben Decken, Wänden und Altären zudem noch die Beichtstühle und die Sitzbänke entworfen hatte. Die Ausführung erfolgte dann teilweise durch regionale Handwerker.
Diese These lässt sich eindeutig für die Sitzbänke belegen. Die Heiligenrechnungen von Hohenrechberg nennen den Schreiner Michael Frey aus Winzingen als deren Hersteller. Die Fratze im oberen Teil der Seitenwange gehört jedoch eindeutig ins stilistische Repertoire von Prospero Brenno.
Sitzbank von Michael Frey, Winzingen 1689 - mit einer Groteske, einer stilisierten Rose und einer Marienmuschel als Krönung- © GvT
Dieses Vorgehen, eigene Entwürfe fähigen Handwerkern zur Ausführung zu überlassen, eröffnete Brenno die Möglichkeit, auf mehreren Baustellen gleichzeitig als Auftragnehmer aufzutreten.  Dies scheint im Zeitraum zwischen 1688 und 1689 der Fall gewesen zu sein.

Prospero Brenno gleichzeitig an zwei Orten 

Aufgrund der Hohenrechberger Heiligenrechnungen und der darin vermerkten Arbeitsfortschritte weiß man definitiv, dass Prospero Brenno und seine Mitarbeiter 1688 und 1689 die Ausstattung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg herstellten.
Parallel entstand die Wallfahrtskirche Weggental, wo die Söhne von Prospero Brenno nachgewiesen sind. Die stilistischen Parallelen in beiden Kirchen insbesondere bei den Kompositkapitellen sind unübersehbar. Sie würden noch deutlicher zutage treten, wenn die Hohenrechberger Kapitelle noch ihren ursprünglichen Zustand - reinweiß - besitzen würden. 


  © GvT

Die Kompositkapitelle von Weggental (oben) und Hohenrechberg (unten) - © GvT

Da die beiden Projektorte rund 100 Kilometer von einander entfernt liegen, konnten die beiden Aufträge nur dann gleichzeitig erledigt werden, wenn mehrere Personen für oder mit Brenno gearbeitet hatten.
Wie schon mehrfach angeführt, lieferte Brenno die Entwürfe und seine Mitarbeiter, wahrscheinlich in den meisten Fällen enge oder nahe Verwandte - erledigten die Ausführungen. Diese Arbeitsorganisation hätte dann zur Folge, dass Brenno - abhängig vom jeweiligen Auftrag - selbst als Unternehmer tätig war. Prospero Brenno war also weit mehr als ein einfacher 'Wanderarbeiter'.

Quellen und Literatur

BayHStA München - HR (Hofregistratur) II, Fasz. 14, 115
GRFAD - Heiligenrechnungen Hohenrechberg 1687-1689
 











Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Geschichte(n) von Gingen/Fils - Teil 1.3: Die erste bekannte Gingener Dorfherrschaft: Königin Kunigunde

© Gabriele von Trauchburg Als zweite Frau möchte ich Ihnen die deutsche Königin Kunigunde vorstellen. Sie ist diejenige Königin, die ih...