Mittwoch, 7. Februar 2018

Geschichte(n) der Stadt Donzdorf

© Dr. Gabriele von Trauchburg



Teil 3: Älteste Hinweise auf das Christentum in Donzdorf - Das Kirchenpatrozinium


Es sind nicht immer nur die schriftlichen Überlieferungen, die Erkenntnisse über die frühe, mittelalterliche Geschichte liefern. Gerade in diesem Zeitraum sind ganz andere Möglichkeiten gefragt. Mal sehen, was sie zutage fördern:

Das Patrozinium einer Kirche

Im Frühmittelalter, also in der Zeit, als unsere Region christianisiert wurde, stifteten viele Adelige eine Kirche und sorgten für ihren Unterhalt. Deshalb besaßen sie auch das Recht, den Kirchenpatron auszuwählen. Zu bestimmten Zeiten gab es besonders bevorzugte Heilige. Diese Beobachtung hilft dabei, so manche Kirchenstiftung historisch einzuordnen. Dies gilt beispielsweise für den heiligen Martin von Tours.

Der Heilige Martin von Tours  

Der Heilige Martin stammt aus Ungarn, wo er wohl um 316 n. Chr. als Sohn eines politischen Amtsträgers, eines Tribuns, im heutigen Szombathely in Ungarn geboren wurde. Seine Erziehung erhielt er in der Heimatstadt des Vaters, im etwa 30 Kilometer südlich von Mailand gelegenen Pavia. Im Alter von 15 Jahren schickte ihn sein Vater zu einer Reiterkompanie nach Gallien. Im französischen Poitiers taufte ihn der dortige Bischof Hilarius drei Jahre später.
Das Wunder, das den heiligen Martin so berühmt machte, geschah vor dem Jahr 356 am Stadttor von Amiens. Der Reiterhauptmann teilte seinen großen Mantel in zwei Teile und überließ eine Hälfte einem Bettler.
Als im Jahre 356 ein neuer Feldzug gegen die Germanen von Worms ausgehend geplant wurde, verließ der Heilige Martin das Militär und kehrte statt dessen zum Bischof von Poitiers zurück. Dieser schickte ihn zunächst als Missionar nach Ungarn, wo er sich jedoch nicht gegen den dort verbreiteten Arianismus durchsetzen konnte. Der heilige Martin kehrte deshalb nach Poitiers zurück.
371/72 wurde Martin auf Drängen des Volkes zum Bischof von Tours gewählt. In dieser Funktion erwies er sich als gerechter und treusorgender Kirchenmann. Er gründete das unweit von Tours gelegene Kloster Marmoutier, das sich zu einem bedeutenden religiösen Zentrum entwickelte. In seinem Bistum gründete er zudem zahlreiche Pfarreien und organisierte den Pfarreiklerus. Aufgrund seiner asketischen Lebensweise beeindruckte er zahlreiche Zeitgenossen, die ihrerseits seine Lebensweise übernahmen und religiöse Zentren gründeten. Der Heilige Martin starb wohl am 8. November 397 im heutigen Candes-Saint-Martin bei Tours in Frankreich.

St. Martin gibt dem Bettler seinen halben Mantel, Ausschnitt aus dem Deckengemälde von Joseph Wannenmacher in St. Martin Donzdorf - © GvT

* 316/317 (oder um 336) in Sabaria,
316/317 (oder um 336) in Sabaria, heute Szombathely in Ungarn
† 8. November 397 (?) in Candes, heute Candes-Saint-Martin bei Tours in Frankreich










Martin war der Sohn eines heidnischen römischen Tribuns. Er wurde in Pavia, der Heimatstadt des Vaters, christlich erzogen und im Alter von zehn Jahren in die Gruppe der Katechumenen - der Taufbewerber - aufgenommen. Mit 15 Jahren musste er auf Wunsch des Vaters in den Soldatendienst bei einer römischen Reiterabteilung in Gallien eintreten. Im Alter von 18 Jahren wurde er von Hilarius, dem späteren Bischof von Poitiers, getauft. 356 schied er nahe Worms vor einem neuen Feldzug gegen die Germanen aus dem Militär aus, weil Christsein und Militärdienst sich nicht vereinbaren lassen. Zuvor geschah nach der Legende, was Martin weltberühmt machte: Martin begegnete am Stadttor von Amiens als Soldat hoch zu Ross einem frierenden Bettler, ihm schenkte er die mit dem Schwert geteilte Hälfte seines Mantels 1; in der folgenden Nacht erschien ihm dann Christus mit dem Mantelstück bekleidet: er war es, der Martin als Bettler geprüft hatte.

Der Heilige Martin als Staatsheiliger der Franken

Ausgehend von seiner Wirkungsstätte in Tours entwickelte sich eine große Verehrung von Bischof Martin. Im 6. Jahrhundert gab es bereits Martins-Kirchen in Rom und Italien. Der Martins-Kult wurde besonders von Benediktinern gefördert und verbreitet.
Zwei Könige taten das ihre, um die Verehrung des Heiligen Martin in ihren Herrschaftsgebieten  voranzubringen. Der Suebenkönig Chararich (550–559) trat zum Katholizismus über und ließ eine Martins-Kirche in Braga im heutigen Portugal errichten.
Der Frankenkönig Chlodwig I. (466-511) konvertierte nach der Schlacht gegen die Alamannen bei Zülpich 496 zum Christentum und erklärte den Heiligen Martin zum Schutzpatron über die fränkischen Könige und ihrer Herrschaft. Dieser Vorgang beinhaltete auch die Missionierung der heidnischen Bevölkerung in ihrem Herrschaftsbereich und die Grundlage für die Entwicklung hin zu einem christlichen Königreich der Franken.
Diese Politik wurde auch Chlodwigs Nachfolgern weiter verfolgt. Unter dem Karolinger Pippin dem Mittleren (635-714) wurde die Verehrung des Heiligen Martin weiter nach Friesland und in den rechtsrheinischen Raum getragen.

Alamannen kommen unter die Vorherrschaft der Franken zwischen 496 und 537

Bei den beiden Schlachten von Zülpich 496 und 506 wurde die Expansionspolitik der Alamannen in nördlicher Richtung von den Franken gestoppt, die ihrerseits damit begonnen hatten, unter der Führung der Merowinger und später der Karolinger ihr eigenes Königreich aufzubauen, das sich bis zum 9. Jahrhundert über weite Teile von West-, Mittel- und Südeuropa ausdehnte.
Die Niederlage der Alamannen bei der Schlacht von Zülpich im Jahre 496/97 bedeutete das Ende der alamannischen Autonomie. Um Schutz flehend wandten sie sich an den Ostgotenkönig Theoderich d. Gr. und wurden in großen Teilen in das ostgotische-italische Rätien auf- und gegen die Franken in Schutz genommen.
Diese alamannisch-italische Verbindung wurde 537 durch die byzantinischen Angriffe in Süditalien zerstört. Damit Ostgotenkönig Witigis sich militärisch gegen die byzantinischen Einfälle wehren konnte, sicherte er zunächst seine nördliche Grenze durch Verhandlungen mit den Franken ab. Als Gegenleistung für die Neutralität der Franken in diesem Konflikt überließ König Witigis dem Enkel von Chlodwig I., König Theudebert I., unter anderem Churrätien und das Protektorat über die Alamannen und andere benachbarte Stämme.
Das alamannische Gebiet umfasste damals neben Churrätien das gesamte Schweizer Alpenvorland bis zum Verlauf der Aare. Weiter verlief die Grenze nach der Aaremündung den Rhein hinab bis zum Rheinknie bei Basel, weiter zum Vogesenhauptkamm und an diesem entlang, dann durch die Rheinebene hindurch in Richtung des heutigen Heilbronn bis hinüber zum nördlichen Riesrand, von dort zur Donau und dann den Lech hinauf. Aufgrund des ostgotisch-fränkischen Vertrags von 537 kam das alamannische Gebiet bereits in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts kampflos unter fränkischer Herrschaft. 

Die Bedeutung des Heiligen Martin von Tours für die Geschichtsschreibung


Der Wechsel aus dem Schutz der Ostgoten unter die Herrschaft der Franken hatte für die Alamannen weitreichende Folgen. Sie verloren ihre Souveränität, denn die Franken begannen damit, die neuen Gebiete in ihrem Sinne durchzuorganisieren.
Der bekannteste und bis heute offensichtlichste Weg der Franken, ihre neu gewonnenen Gebiete herrschaftlich zu durchdringen, war die Gründung einer Vielzahl von neuen Dörfern. Sie alle endeten auf die Silbe -heim. Diese Orte wurden nicht selten zu fränkischen Verwaltungszentren ausgebaut. Auch für den Landkreis Göppingen lässt sich diese fränkische Neuroganisation bis heute beobachten. Im Landkreis finden sich die beiden Orte Holz-heim und Türk-heim und in näherer Umgebung des Landkreises Kirchheim/Teck, Weilheim/Teck, Westerheim, Steinheim und Heidenheim.
Zusätzlich siedelten die Franken Angehörige anderer Völker des Frankenreichs im alamannischen Gebiet an, was sich bis heute in Ortsnamen wie beispielsweise Türkheim, Sachsenheim oder Frankenthal niederschlägt. Die ersten Bewohner von Geislingen-Türkheim stammten allerdings nicht aus der Türkei - die gab es damals noch gar nicht -, sondern aus Thüringen. Doch genügten diese wenigen Orte wirklich, um die Beherrschung eines neuen Gebietes zu sichern?
Es gab da noch eine weitere Methode zur Herrschaftssicherung. Man siedelte fränkische Familien im neuen Herrschaftsgebiet an. Das bekannteste, aber nicht einzige Beispiel für dieses Vorgehen sind die Welfen. Man darf deshalb durchaus die Vermutung äußern, dass auf dem in der Archäologie bekannten Herrschaftssitz auf dem Donzdorfer Waldenbühl eine Familie gesessen hatte, die Verbindungen zu den Franken besaß oder zumindest von diesen geduldet wurde.   
Und dann war da noch der Staatsheilige Martin von Tours. Mit dem Wechsel zum Christentum hatten sich die Frankenkönig verpflichtet, die Verbreitung des Christentums voranzutreiben. Als Zeichen ihrer Macht sorgten sie dabei für die Einführung des Christentums unter ihrem Kirchenpatron. Martins-Patrozinien gibt es im Landkreis Göppingen bis heute in Lauterstein-Nenningen, Donzdorf und Geislingen-Altenstadt, ursprünglich gab es noch ein St. Martin-Patrozinium bei der Göppinger Oberhofenkirche. Interessant ist dabei, dass alle vier Orte von strategisch wichtiger Bedeutung sind. 
Fasst man die hier gewonnenen Ergebnisse zusammen, so zeigt sich deutlich, dass sich die Übernahme der Herrschaft durch die Franken anhand von zwei Kriterien deutlich nachweisen lassen, zum einen anhand der beiden Ortsneugründungen, vor allem aber durch die vier Martins-Patrozinien in den bereits bestehenden alamannischen Orten Göppingen, Geislingen-Altenstadt, Nenningen und Donzdorf.
Mindestens in diesem Orten des Landkreises Göppingen wurde also nach 537 das Christentum eingeführt. Und diese Erkenntnis wird noch weiter durch die Donzdorfer Gürtelzungen mit Kreuzzeichen von der Mitte oder dem Ende des 7. Jahrhunderts gestützt (s. Geschichte(n) der Stadt Donzdorf - Teil 2). 

Quellen und Literatur

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienM/Martin_von_Tours.htm
Pankraz Fried u. Wolf-Dieter Sick (Hrsg.), Die historische Landschaft zwischen Lech und Vogesen. Forschungen und Fragen zur gesamtalemannischen Geschichte, Augsburg 1988





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