Mittwoch, 2. Januar 2019

Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 10.5: Grünbach - St. Peter in der Zeit des Barocks

© Gabriele von Trauchburg


Die Zeit nach dem 30jährigen Krieg

In diesem Zeitraum muss besonders schlechtes Wetter geherrscht haben, denn 1683 und 1685 bestand die Notwendigkeit von umfangreichen Dachreparaturen. Deshalb lieferte der Schnittlinger Ziegler 1683 eine große Menge Dachplatten, und 1684 benötigte ein Dachdecker 600 Nägel. Die Schäden waren offenbar so groß, dass noch zusätzlich ein Maler hinzugezogen wurde. Doch die gerade abgeschlossenen Reparaturen mussten schon 1685 erneut ausgeführt werden. Dieses Mal lieferte der Schmied Balthasar Staudenmayer 300 Bretten- und Leistennägel fürs Dach.
Das ausgesprochen schlechte Wetter, das entsprechend umfangreiche Reparaturen nach sich zog, sodann die hohe Summe der Ausstände bei den Zinszahlungen sowie das Wissen um eine Hungersnot legen die Vermutung nahe, dass sich zwischen 1680 und 1685 wieder einmal das Wetter aufgrund eines vulkanischen Winters extrem verschlechtert hatte. Tatsächlich kommen im Zeitraum 1680 mehrere große Vulkanausbrüche in Indonesien - unter anderem beim Krakatau - als Verursacher für das Wetterchaos in Frage.

In den beiden Jahren 1691 und 1699 stand der Kapellenturm im Mittelpunkt der Bauarbeiten. Beide Male vermerkt die Heiligenrechnung, dass das Türmchen ‘ruinös’ war. Detailliert berichtet die Baurechnung von 1699: Weilen die Capelle an der Tachung ganz ruinos, hat man zu dero reparation 1150 Platten und Kalk von der Ziegelhütten Schnittlingen abhollen lassen, Kostenpunkt 7 Gulden und 14 Kreuzer. 1701 wurde die Kirchkuppel mit roter Farbe gestrichen.

Immer wieder stößt man beim Durchblättern der Heiligenrechnungen auf die Reparaturarbeiten von Glasern. Oftmals werden deren Rechnungen mit Bemerkungen über das zeitgenössische Wetter versehen. Im Jahre 1727 erledigte der Donzdorfer Glaser Anton Deybele die Reparaturen für die durch den Wind eingerüssenen Fenster. Knapp 20 Jahre später heißt es: Weillen heuer durch gewaltige Sturmwind die Fenster eingedrückt und zerrissen wurden, so hat allhiesiger Glaser mit seiner Flickarbeit 52 Kreuzer verdient.

Mit Blei gefasste Butzenscheiben - © GvT
Diese häufigen Fensterschäden lassen sich nachvollziehen, wenn man sich deren Konstruktion vor Augen hält. Die zeitgenössischen Fenster bestanden nicht aus einer einzigen Glasscheibe, sondern aus vielen runden Butzenscheiben. Diese wurden durch stabförmige Bleiruten miteinander zu einem ganzen verbunden. Das leicht formbare Blei hatte aber den Nachteil, dass es bei auftretendem Druck - beispielsweise durch Starkwinde - nachgab und deshalb Risse im Fenster entstanden.  

Die Barockisierung der Kapelle

Die Barockisierung der Grünbacher Kapelle St. Peter erfolgte in mehreren Etappen. Jede einzelne davon lässt sich mit einem historischen Ereignis in Verbindung bringen.

1715 - Das Ende des Spanischen Erbfolgekrieges
Der Einzug des Barocks in der Kapelle begann nach dem Spanischen Erbfolgekrieg 1715. Der  Patronatsherr Gaudenz von Rechberg-Weißenstein kehrte damals gemeinsam mit seinem Dienstherren, dem bayerischen Kurfürsten Maximilian Emanuel aus dem französischen Exil zurück.
In diesem Jahr, das das Ende eines 12 Jahre andauernden, ganz Europa betreffenden Krieges markiert, erhielt die Grünbacher Kapelle eine neue, vom Donzdorfer Wagner Christian Schwarz hergestellte Uhr.
Drei Jahre später bauten zwei Schwäbisch Gmünder Künstler einen neuen Altar in der noch immer gotisch geprägten Kapelle ein. Auf der undatierten Quittung, die diesen Vorgang belegt, ist vermerkt, dass die beiden Künstler für zwei Tage nach Grünbach gekommen waren, um den Aufbau ihres Werkes selbst vorzunehmen. Die Bildhauerarbeiten hatte Sebastian Schmid übernommen, das Fassen des Altars hatte Hans Kaspar Urban (Urbon) erledigt. Schmid erhielt 30 Gulden für seine Arbeit, Urban (Urbon) 25 Gulden und Spesen in Höhe von 2 Gulden und 45 Kreuzer. Aufgrund der Heiligenrechnung von 1718  und der erhaltenen Quittung weiß man zwar von dem neuen Altar, besitzt aber leider keinerlei Informationen über dessen Gestaltung.  

Unterschriften des Malers Hans Kaspar Urban und des Bildhauers Sebastian Schmidt, 1718 - © GvT
1752 und 1760 erhielt die Kapelle neue Bilder. Im ersten Fall wurden zwei Tafeln für den Altar angefertigt, im zweiten Fall schuf ein nicht namentlich genannter Maler zwei Bilder für den Preis von 4 Gulden und 40 Kreuzern. Wie schon beim neuen Altar lassen sich keine Aussagen zu den Motiven treffen.

1774-1779 - Vollständige Umgestaltung von St. Peter nach einem vulkanischen Winter
Gleich wie in den Jahren 1815-1817 nach dem Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora lassen sich in den Jahren 1770-1772 dieselben typischen Folgen eines oder mehrerer heftiger Vulkanausbrüche feststellen. Dieser zweijährige Zeitraum weist Jahre ohne Sommer auf, die Feldfrüchte verfaulten auf den Äckern, es brach eine Hungersnot und in deren Folge Seuchen aus, die Sterblichkeitsrate wuchs in dieser Zeit beängstigend an, wie die Sterbematrikel in ganz Europa belegen.
Weil die Menschen sich diese Phänome nicht erklären konnten, suchten sie Halt und Trost im Schoß der Kirche. Im benachbarten Lauterstein-Nenningen entstand 1774 anstelle der alten, kleinen Feldwegkapelle eine neue, die dann am 8. Dezember 1774 eine Pietà des bayerischen Hofbildhauers Franz Ignaz Günther als Ausstattung erhielt (s. Label: Franz Ignaz Günther)
Im Zeitraum zwischen 1773 und 1776 verändert die bis dahin gotische Kapelle ihr Aussehen. 1774 fertigten der Donzdorfer Schreiner Johannes Menrad, der Glaser Joseph Deibele und der Waldstetter Maler Bez ein Kästchen mit den Reliquien des Heiligen Petrus, das sich die Kirchenverwaltung 31 Gulden kosten ließ.
Da der Kapellenpatron, St. Peter, auch als Wetterheiliger angesehen wurde, hofften die Menschen auf Hilfe bei ihm. In einer gleichzeitig erworbenen Monstranz für die Reliquien des Heiligen sollten sie den Beweis seiner Anwesenheit in Grünbach sehen und erfahren.
Ein Jahr später während des Sommers 1775 erhielt die bis dahin gotische Kapelle eine völlig neue Ausstattung im Stil des Spätbarocks. Am 23. Juni 1775 durchbrach der Donzdorfer Maurermeister Johannes Höllriegel mit einem seiner Gesellen die Mauer der Kapelle für den Einbau eines neuen Fensters. Fünf Tage später, am 27. und 28. Juni wurde das neue Fenster eingemauert. Außerdem arbeiteten zwei Gesellen an der Tür - wohl am Westportal.

Westportal der Kapelle St. Peter in Grünbach - © GvT
Das hierfür notwendige Arbeitsmaterial kam von der Schnittlinger Ziegelei. Abschließend haben seine zwei Gesellen die Kirchen mit Kalkfarbe geweißelt. Sämtliche Maurerarbeiten waren Ende Juni abgeschlossen, so dass Maurermeister Höllriegel  bereits am 30. Juni die Bezahlung seiner Rechnung quittieren konnte.
Anschließend setzte der Donzdorfer Glasermeister Joseph Deibele am 29. Juni das neue Fenster ein und reparierte noch ein weiteres für den Preis von 5 Gulden 32 Kreuzer. Der Donzdorfer Schlosser und Uhrmacher Johann Michael Schwarz lieferte die notwendige Schließtechnik für das neue Fenster.
Der 1718 von Schmidt und Urban geschaffene Altar erhielt 1775 eine neue Farbfassung durch den Waldstetter Maler Anton Bez, wofür dieser ein Honorar in Höhe von 24 Gulden erhielt. Zwei Jahre später lieferte Bez auch noch vier Leuchter mit einem Gesamtpreis von 4 Gulden für die Kapelle.

Unterschrift des Malers Anton Bez aus Waldstetten, 1775 - © GvT
Dann kam die Empore an die Reihe. Der Donzdorfer Schreiner Johannes Menrad hatte die Verkleidung der Empore abgerissen und durch eine neue ersetzt. Zwei Jahre später, also 1777,  überarbeitete der Schreiner dann auch noch das Kirchengestühl.
Den Schluss dieser Arbeiten bildet das 1779 vom Altmeister der barocken Malerei, Joseph Wannenmacher, angefertigte Altarbild. Es hatte 12 Gulden 12 Kreuzer gekostet. Dieses Bild war zeitgleich mit den Deckenfresken in St. Martinus in Donzdorf entstanden. Weitere Details dazu finden sich unter dem eigenen Blogeintrag Der Barockmaler Joseph Wannenmacher im Lautertal (Label: Joseph Wannenmacher)
 
1784-1787 - wieder ein vulkanischer Winter
Im Mai 1783 brach der isländische Laki-Krater aus. Der darauffolgende Winter von 1783-1784 gilt bis heute als einer der härtesten auf der nördlichen Erdhalbkugel überhaupt. Von Ende Dezember 1783 bis in den Januar 1784 wurde Mitteleuropa von einer Kältewelle und extremem Schneefall heimgesucht. Im Februar und März 1784 kam es zu absolut ungewöhnlich starken  Überschwemmungen in Mitteleuropa. Aufgrund von nicht mehr passierbaren Straßen, und zugefrorenen Flüssen mit Eisgang traten massive Lieferschwierigkeiten beim Getreide auf. Wegen der Eiseskälte wurden überall arme Menschen mit kostenlosem Holz versorgt. Dennoch kamen in der Folge mindestens 25.000 Menschen ums Leben.
Bei der Grünbacher Kapelle St. Peter sind ab dem Sommer 1784 einschneidende Veränderungen in der Architektur feststellbar. Den Beginn der Bauarbeiten und deren Umfang verrät die Rechnung des Donzdorfer Maurermeisters Jakob Linder. Am 3. August legte er gemeinsam mit zwei Gesellen Kalkgruben an, dann begann er mit der Herstellung des Kalks und vermischte ihn mit Sand und Wasser zum notwendigen Mörtel. Ende August renovierte der Meister mit fünf Gesellen das gesamte Kapellendach und die aus Schindeln gefertigte Turmverkleidung. Mitte September schließlich mauerte er die Pfosten für die neue Kanzel. 
Diese neue Kanzel war bereits Anfang September 1784 fertiggestellt gewesen und musste nur noch eingebaut werden. Die Ausführung hatte in den Händen des Degginger Malers Johann Michael Schweizer gelegen, der zu diesem Zweck die stolze Summe von 120 Gulden erhielt. Leider haben sich keine Informationen über deren Gestaltung erhalten.

Unterschrift des Malers Johann Michael Schweizer aus Deggingen, 1784 - © GvT
Der aus Deggingen stammende Maler Johann Michael Schweizer ist in der Forschung nur wenig bekannt. Er ist wahrscheinlich identisch mit dem gleichnamigen Johann Michael Schweizer, der bei der Renovierung der Göppinger Stadtkirche mit Marmorierarbeiten nachweisbar ist. Derjenige hatte sich 1744 in Deggingen verheiratet und dabei trat der zweite Sohn des Jakob Ulrich d.Ä. aus der bekannten Degginger Stuckateurs-Dynastie als Trauzeuge auf. Der jüngere Maler ist jedoch bisher nicht eindeutig dieser berühmten Familie zuzuordnen.

Drei Jahre später arbeitete der Donzdorfer Maurermeister Jakob Linder mit seinen Gesellen erneut an der Kirche. Zuerst wurden die üblichen Reparaturmaßnahmen am Dach durchgeführt. Zusätzlich hatte er den Auftrag erhalten, in der Mauer bei der Kanzel ein Fenster durchzuschlagen und zu mauern.  

Die Baumaßnahmen von 1787 schlossen die Barockisierung in der Grünbacher Kirche ab. So viele Einblicke die Heiligenrechnungen in die Entwicklung der Grünbacher Kapelle auch geben, so können manche Arbeiten doch nicht eindeutig datiert werden. Beispielsweise erkennt man auf dem Foto mit den acht Passionsszenen deutlich, dass eine im barocken Stil gefertigte Hohlkehle (eine leicht rinnenförmig gebogene Vertiefung zwischen Decke und Mauer) die gotischen Malereien an deren oberen Rand beschneidet. Sie wurde wahrscheinlich im Zuge der  Bauarbeiten 1787, vielleicht gleichzeitig mit dem Einbau einer neuen Decke, geschaffen. 

Nur zwei Jahre später brach die französische Revolution aus, die eine 25jährige Kriegszeit nach sich zog. Die Durchmärsche der Armeen direkt vor der Haustüre und die hohen Beitragszahlungen zu deren Finanzierung ließen keine kostspieligen Reparaturen oder gar Neuanschaffungen mehr zu.

Quellen und Literatur

- GRFAD - Heiligenrechnungen Grünbach und deren Beilagen
- Ulrich Hägele, Die Stukkateur- und Bildhauerfamilie Schweizer, in: Deggingen und Reichenbach im Täle - Ein Heimatbuch, S. 261 mit Anm. 76
- https://de.wikipedia.org/wiki/Winter_1783/84
- https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_gro%C3%9Fer_historischer_Vulkanausbr%C3%BCche
- https://de.wikipedia.org/wiki/Butzenscheibe
- https://de.wikipedia.org/wiki/Bleirute
- http://www.pieta-nenningen.de/




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