Donnerstag, 17. Mai 2018

Donzdorfer Kapellenweg - Teil 4.2: Ein Streit und seine Folgen - Das Schicksal von Hürbelsbach zwischen 1106-1143

© Gabriele von Trauchburg


Entweder im Jahre 1106 oder 1107 richteten die Lorscher Mönche gleichzeitig ein Schreiben an Papst Paschalis II. (1099–1118), dem Garanten ihres Klosters, und an den deutschen König Heinrich V. (1099–1125). Diese beiden Schreiben lenken den Blick auf Auseinandersetzungen zwischen den Lorscher Mönchen und namentlich nicht genannten Adeligen. Adelige hatten den Mönchen einen Teil ihres zu Gingen gehörenden Besitzes und damit ihre Einnahmen unrechtmäßig an sich gerissen. Zwar ist in den Schreiben nicht ausdrücklich von Hürbelsbach die Rede, doch die nachfolgenden Ereignisse von 1125 und 1143 lassen nur diesen einen Schluss zu. 
                               

Die allgemeine Lage um 1125

Pfalzgraf Manegold d.J. von Dillingen (um 1065 - nach 1143), der königliche Verwalter in Ulm von 1112-1125, gründete 1125 ein Kloster in Langenau. Diese Klostergründung erfolgte in einer politisch äußerst angespannten Lage.
Die 100jährige Herrschaft der Salier ging mit dem Tod Kaiser Heinrichs V. im Jahre 1125 zu Ende. Zwei Männer beanspruchten die Nachfolge für sich - der Sachse Lothar von Supplinburg und der Staufer Konrad III. Aus der Königswahl ging Supplinburg als Sieger hervor. Zur Sicherung seiner Machtbasis in Süddeutschland verlangte König Lothar die Herausgabe des gesamten Salierbesitzes. Dieses Vergehen war durchaus üblich.
Doch der Gegner des Königs, der Staufer Konrad III., war ein Enkel Kaiser Heinrichs IV. und beanspruchte das Eigengut der Salier für sich. Darüber entstanden juristische Unsichertheit und Streitigkeiten in Süddeutschland, in deren Verlauf die Stadt Augsburg 1132 von den Truppen Lothar von Supplinburgs komplett zerstört wurden.
Das neugegründete Kloster in Langenau lag in unmittelbarer Nachbarschaft zur Reichsstraße zwischen der Königspfalz Ulm und der Reichsstadt Augsburg und war damit in seinem Bestand gefährdet. Aufgrund dieser unsicheren Lage wurde die Langenauer Klosterneugründung letztendlich 1143 nach Anhausen bei Herbrechtingen - also ins Einflussgebiet der Grafen von Dillingen - verlegt. In der Anhauser Stiftungsurkunde von 1143 werden die 1125 gestifteten Klostergüter, darunter Hürbelsbach, ausdrücklich als Bestandteil der älteren Stiftung bestätigt. Diese Urkunde von 1143 enthält somit die erste datierte Nennung von Hürbelsbach.

Die Legalisierung eines Diebstahls

Nachdem in der Stiftungsurkunde des Klosters Anhausen Hürbelsbach auftaucht, ohne dass im Kloster Lorsch eine Verkaufsurkunde über den Ort existiert, muss man in Hürbelsbach den in den Briefen von 1106 unrechtmäßig entwendeten Lorscher Besitz erkennen.
Doch keine 20 Jahre später findet sich dieser ehemalige Lorscher Klosterbesitz plötzlich als Stiftungsgut bei der Neugründung des Langenauer Klosters wieder. Wie konnte es dazu kommen? Ein Blick in das Stammesgesetz der Alamannen hilft dabei weiter. Darin ist verankert, dass keiner von den Laien sich unterstehe, Kirchengut ohne Urkunde zu besitzen; wenn er keine Urkunde vorweist, dass er vom Hirten der Kirche erworben habe, stehe der Besitz der Kirche zu.
Eine schriftliche Rechtfertigung für den Stiftungsvorgang rund um Hürbelsbach gibt es nicht, doch man findet dazu eine durchaus plausible Erklärung. Die Kirche konnte keinen Krieg mit Waffen führen, dafür verfügte sie über ein äußerst wirksames Mittel, möglichen Räubern größten Respekt einzuflößen: Sie verwies auf das Jüngste Gericht und die Aussicht auf ein ewiges Fegefeuer. Dabei war nicht nur derjenige, der diesen Frevel begangen hatte, davon betroffen, sondern auch seine Nachfahren. Was lag also näher, als das geraubte geistliche Gut in ein neues Kloster einzubringen, das zudem unter der Kontrolle der Familie der Dillinger stand und von einem Bischof abgesegnet wurde, der rein zufällig zur eigenen Familie gehörte?

Das Interesse des Pfalzgrafen Manegold an Hürbelsbach

Pfalzgraf Manegold d.J. von Dillingen residierte als Vertreter des Königs in der Königspfalz in Ulm. Zu seinen Aufgaben gehörten Kontrollfunktionen und die Vertretung des Königs innerhalb des Stammesherzogtums. Das Interesse des Pfalzgrafen Manegold d.J. an Hürbelsbach lässt sich aus der einzigartigen geographischen Lage der Siedlung leicht erkennen. Auf einem Hügel des auslaufenden Marrens überwacht Hürbelsbach den Eingang in das Lautertal und das Filstal. Von Plochingen kommend verlief der direkte Weg zur Königspfalz Ulm durch das Filstal bis nach Geislingen. Damit wurde Hürbelsbach zum strategischen Vorposten von Ulm.

Blick von Hürbelsbach ins Filstal Richtung Göppingen - © GvT

Möglicherweise spielte die außerordentliche Lage von Hürbelsbach in den Auseinandersetzungen um die Herrschaft zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem Sohn Heinrich V. in den Jahren 1105 und 1106 eine entscheidende Rolle, so dass sich Pfalzgraf Manegold zu dieser Vorgehensweise genötigt  gesehen hatte.

Quellen und Literatur

- Schott, Clausdieter, Lex Alamannorum. Das Gesetz der Alemannen - Text, Übersetzung, Kommentar zum Faksimile aus der Wandelgarius-Handschrift Codex Sangallensis 731, Augsburg 1993, S. 95
- Volkert, Wilhelm, Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg, Bd. 1 - Von den Anfängen bis 1152, Augsburg 1985, S. 300f
- Geschichte der Stadt Augsburg, hrsg. v. Gunther Gottlieb u.a., Stuttgart 1984
- Gabriele von Trauchburg, 1100 Jahre Gingen an der Fils, Gingen/Fils 2015

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