Dienstag, 27. März 2018

Die barocke Wallfahrt auf dem Bernhardus 

Teil 9: Das Ende der Wallfahrtskirche auf dem Bernhardus, Zusammenfassung 

© Gabriele von Trauchburg

Was fängt man mit einer geschlossenen Kirche an?
Mit der Überführung der Bernhardus-Figur auf den Hohenrechberg begann die Zerstörung der Bernharduskirche. Am 18. Oktober 1806 wurden die ersten Kirchengeräte nach Donzdorf gebracht. Eine heute noch vorhandene Aufstellung besagt, dass eine Monstranz, ein Ziborium mit Deckel und Krone, 3 Kelche mit 3 Patenen und 2 Löffeln, zwei hölzerne schwarze, mächtig versilberte Kruzifixe schließlich noch ‘Kirchenwäsche’ (= Altartücher) nach Donzdorf gebracht worden waren. Einen Tag später erhielt die Kirche von Hohenrechberg ebenfalls in einer Liste zusammengefasste Gegenstände, unter anderem 3 Messbücher, 1 Evangelienbuch, Rosenkränze und große, schwere Kerzen.
Dem Treffelhauser Mesner und Orgelmacher Johann Schweizer war die Aufgabe übertragen worden, den Wert der Orgel auf dem Bernhardus festzulegen. Da das Basso-Octav-Register nicht mehr richtig funktionierte, wurde die Orgel auf den geringen Wert von 22 Gulden veranschlagt. Aufgrund einer herrschaftlichen Weisung wurde die Orgel der Kirche in Ottenbach zugesprochen, wo Maximilian Emanuel von Rechberg ebenfalls Patronatsherr war.

In der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Lauterstein-Weißenstein befinden sich heute zwei große weiße, teilvergoldete Statuten auf dem Hochaltar - der Heilige Maximilian Emanuel und die Heilige Walburga, die Namenspatrone des Herrscherpaares. Die beiden Figuren befanden sich ursprünglich auf dem linken Seitenaltar in der Bernhardus-Kirche und wurden aus der Wallfahrtskirche in die Stadtpfarrkirche gebracht und dort in den Hochaltar eingefügt. Drei kleinere Figuren in der Stadtpfarrkirche - darunter ein Sebastian und ein Antonius von Padua - könnten aufgrund ihres Stils ebenfalls aus der Wallfahrtskirche stammen. 

Der Heilige Maximilian Emanuel, um 1764 - ursprünglich aus der Wallfahrtskirche auf dem Bernhardus - © GvT


Die Heilige Walburga, um 1764 - ursprünglich aus der Wallfahrtskirche auf dem Bernhardus - © GvT



Vorbereitungen zur Versteigerung der Wallfahrtskirche im Oktober 1808 
Zunächst war das weitere Schicksal des Kirchengebäudes unklar gewesen. Erst zwei Jahre nach der Schließung entschloss man sich, die Kirche samt Benefiziatenhaus zum Abriss freizugeben, nachdem sämtliche für den Patronatsherren interessanten Objekte aus der Kirche geholt und auf seine anderen Patronatskirchen verteilt worden waren. 

Für die eigentliche Versteigerung Ende Oktober 1808 wurde eine Aufstellung erarbeitet, in der mögliche Werte nach Interessengruppen untergliedert wurden. So kamen spezielle Lose für Schreiner, Zimmerleute und Maurer zustande. Der Materialwert der Kirche wurde mit 1599 Gulden veranschlagt, der des Benefiziatenhauses mit 680 Gulden. Die Bretter des Kirchenbodens, die Kanzel, der Choraltar, die Nebenaltäre, Bet- und Beichtstühle, die Wandkästen in der Sakristei, zwei innere Kirchentüren und vieles mehr sollten an den Mann gebracht werden. Man hoffte, dass Zimmerleute die Balken, Bretter und Nägel vom Kirchendachboden gebrauchen könnten, und es fanden sich sicherlich Maurer, die für die über 18.400 Dachplatten Verwendung hatten. 


Die Versteigerung
Zur Versteigerung der Wallfahrtskapelle im 25. Oktober 1808 wurden eigene Regeln geschaffen. Unter anderem hieß es in den Anweisung, dass jedem Bieter verdeutlicht werden sollte, dass die betroffenen Gebäude auf dem Bernhardus nicht stehen bleiben, sondern zum Abbrechen und Abräumen versteigert werden sollen. Die Käufer wurden verpflichtet, ihre ersteigerten Werte innerhalb von 8 Tagen abzubauen und wegzubringen. Die Kosten für Abbau und Abtransport wurden ihnen auferlegt. Um eine möglichst große Anzahl an Interessenten auf den Bernhardus zu locken, wurden öffentliche Bekanntmachungen herausgegeben und Ausschreibung an die umliegenden Pfarreien verschickt.

Das Ergebnis der Versteigerung vom 25. Oktober 1808 war folgendes:
  • der mit 125 fl angesetzte Choraltar fand keinen Käufer, 
  • die beiden Nebenaltäre für 125 fl gingen an die Pfarrkirche nach Treffelhausen,
  • die mit 40 fl taxierte Kanzel wurde für 25 fl nach Salach verkauft, 
  • ebenso gingen 20 Betstühle für 21 fl nach Salach (der Salacher Pfarrer erwies sich als hart im Verhandeln und konnte sich überwiegend durchsetzen); 
  • 5 Beichtstühle wurden für 3 fl nach Weiler (i.d.B.) verkauft, 
  • 4 einfache Beichtstühle ergatterte der Obermüller Joseph Hämmerle von Weißenstein, 
  • 2 Stühle aus dem Chor ersteigerte Wolfgang Nägele aus Treffelhausen, 
  • 2 Betstülchen sicherte sich der Salacher Pfarrer Ruf, 
  • 1 Stülchen kaufte Joseph Schmied von Weißenstein und 
  • 2 Wandkästen aus der Sakristei konnte Gabriel Nägele von Weißenstein gebrauchen.
  • Die beiden Glocken mit 701 Pfund Gewicht wurden zunächst in der Hauptversteigerung ausgesetzt, weil sich kein Käufer gefunden hatte. Dann hatte der Nördlinger Jude Nattan sein Interesse bekundet, die Glocken gewogen und pro Pfund 26 Kreuzer geboten. Damit erhielt er den Zuschlag und bezahlte noch im November 1808 die Summe von 303 Gulden und 36 Kreuzern.
Den Abriss von Kirche und Benefiziatenhaus wollte ein Konsortium von 8 Männern übernehmen, die insgesamt 800 fl auf zwei Jahre verteilt dafür zu zahlen bereit waren. Wie weit sie in ihrer Arbeit bereits fortgeschritten waren, lässt sich am letzten Verkauf vom 20. Februar 1809 erkennen. Gabriel Nägele aus Weißenstein erwarb zu diesem Zeitpunkt den 9 Meter hohen, ehemals mit 125 fl angesetzten Choraltar für 15 Gulden. Er musste sich mit dem Ausbau desselben beeilen, weil die Kirche damals schon weitgehend abgebrochen war.

Zieht man Bilanz eine Bilanz von der Versteigerung, so muss man feststellen, dass die versteigerten Gegenstände großenteils weit unter Wert verkauft werden mussten. Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand. Die Versteigerung fand in der Zeit nach der Säkularisierung des kirchlichen Gutes und der Mediatisierung der kleinen Adelherrschaften statt. Zum einen herrschte ein großes Überangebot an derartigen Angeboten auf dem Markt und die Napoleonischen Kriege taten das Ihre zum Verfall der Preise. Zum andern bevorzugte man in der Zwischenzeit einen modernen Stil - den Klassizismus. Damit galten die angebotenen Stücke als veraltet und minderwertig.

Welche Erkenntnisse ergeben sich nun zur barocken Wallfahrt auf den Bernhardus?
1. Die barocke Bernharduswallfahrt kam dem Bedürfnis der Menschen im 18. Jahrhundert besonders bei medizinischen Problemen entgegen. Sie pilgerten auf den Bernhardus, um dort für allgemeinen Beistand und insbesondere bei ihren Gebrechen zu bitten und zu erhalten.
2. Mit dem Bau der Wallfahrtskirche wurde der stetig steigenden Anzahl der Pilger ein Raum gegeben, der ihren Bedürfnissen Rechnung trug. 
3. Die Kirche wurde im damals höchst modernen Stil des Barocks errichtet. Ihr Architekt, ihr Baumeister und die beteiltigten Kunsthandwerker gehörten zur Elite ihrer Zunft in jener Zeit.
4. Aus heutiger, kunsthistorischer Sicht ist der Verlust der Kirche ein Jammer. Die Wallfahrtskirche reihte sich in eine bedeutende Gruppe von barocken Kirchenbauten mit der Degginger Wallfahrtskirche Ave Maria und der Weißensteiner Stadtkirche ein. Gemeinsam begründeten sie eine kunsthistorische Einheit, die nicht von der Region, sondern von Bayern geprägt ist.
5. Das Ende der barocken Wallfahrt war nicht - wie man in den meisten bisherigen Darstellungen lesen kann - durch die Philosophie der Aufklärung hervorgerufen worden, sondern durch den drohenden Bankrott der Rechbergischen Herrschaften in den Napoleonischen Kriegen und der Not des unterversorgten Pfarrers in der Hohenrechberger Pfarrei.
Die bisherigen Deutungen beruhen auf falschen Annahmen. Dem bedeutenden Pfarrer Joseph Rink wird in diesem Zusammenhang Unrecht getan, ebenso dem scheinbar willenlosen Maximilian Emanuel von Rechberg. Stattdessen waren beide Männer hochgebildet. Maximilian Emanuel war Jurist, der das Kirchenrecht sehr gut kannte. Außerdem waren beide Männer Verfechter der katholischen Aufklärung und nicht - wie immer wieder unterstellt wird - der radikalen Aufklärung eines D’Alembert oder eines Holbach. Rechberg und Rink mussten Probleme lösen, die denen der heutigen katholischen Kirche in Deutschland in fataler Weise ähneln.
6. Heute finden sich nur noch wenig Überreste der barocken Wallfahrtskirche. Allen voran steht die alte Bernhardus-Figur bis heute auf dem rechten Seitenaltar in der Kirche auf dem Hohenrechberg. Dort findet sie jedoch nicht dieselbe Beachtung wie die ‘Schöne Maria’ im Hauptaltar. Bei der Beschreibung der Wallfahrt zum Hohenrechberg im Heimatbuch von 2004 wurde diejenige zum Bernhardus völlig ignoriert, nicht einmal ein Bild von der Figur wurde abgedruckt - das hat er definitiv nicht verdient. 
Die beiden lebensgroßen Statuen im Weißensteiner Hauptaltar wurden oben bereits näher betrachtet.
Die nach Salach verkauften Stücke sind wohl spätestens mit dem Neubau der katholischen Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts vernichtet worden. Die Treffelhauser Nebenaltäre wurde spätestens beim Dorfbrand im 19. Jahrhundert ein Raub der Flammen.
Der wohl markanteste Überrest der barocken Wallfahrt befindet sich heute auf zahlreichen Hinweisschildern - das Logo der Glaubenswege ist dem Aufriss der Wallfahrtskirche auf dem Bernhardus nachempfunden. Auf diese Weise ist die Existenz der barocken Wallfahrt präsenter denn je, obwohl kaum jemandem die Grundlage dieses Logos bewusst ist..

Logo, Ausschnitt aus dem Titelblatt des Wanderführers 'Glaubenswege'


Quellen und Literatur
GRFAD - einschlägige Archivalien zur Bernhardus-Wallfahrt
Gabriele von Trauchburg, Lauterstein - Kirchenführer, Lauterstein 2015
Glaubenswege. Wege für den Geist, die Seele; zum Wandern und Genießen - Wanderführer, Schwäbisch Gmünd 2016 (www.glaubenswege.de)

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