© Gabriele von Trauchburg
An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass der in der Kunstgeschichte bekannte 'Donzdorfer Altar' seine Bezeichnung zu unrecht trägt. Aus diesem Grund war es bisher unmöglich, die Entstehung und die Aussage dieses Altares in das Werk des Ulmer Bildhauermeisters Bartholomäus Zeitblom einzuordnen. Mit diesem Post soll diese Lücke in der Forschung zum Werk von Bartholomäus Zeitblom geschlossen werden.
Eine leere Kapelle braucht einen Altar
Am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts prägte sich unter
Wohlhabenden eine besondere Mode aus. Man stiftete großzügig für die
Ausstattung von Kirchen und Kapellen. Dabei handelte man nach dem Motto:
Tue Gutes und rede darüber.
Man begnügte sich deshalb nicht nur mit
einer anonymen Stiftung, sondern man ließ alle Welt wissen, wer die
Stiftung für einen Ausstattungsteil getätigt hatte. Deswegen zieren
Wappen oder Stifterporträts oder am besten beides die jeweiligen
Gegenstände. Des weiteren übten die Stifter Einfluss auf die Gestaltung
ihrer Stiftungen aus.
Am Ende des 15. Jahrhunderts galt in Deutschland noch immer die Gotik als Maßstab für die Gestaltung von Gebäuden und von Innenausstattungen in den Kirchen, die Renaissance hielt erst langsam Einzug in die Kirchen. Deshalb darf man davon ausgehen, dass der Altar in der Hürbelsbacher Kapelle dem typischen, gotischen Aufbauschema folgte.
Ein gotischer Altar bestand traditionell aus dem Altartisch (Mensa), dem Aufsatz mit oder ohne Bild bzw. Schnitzerei (Predella), den Flügeln und dem Schrein (Retabel) und zuletzt dem Aufsatz (Gesprenge) (vgl. dazu http://www.angelfire.com/dc/stilkunde/mittelalter_fluegelaltar.html). Einen derartigen Altar gab es wohl auch in der Hürbelsbacher Kapelle. In den vorhandenen Akten findet sich kein Hinweis mehr darauf, wie dieser Altar ausgesehen haben könnte. Es gibt jedoch vier Gemälde und eine Holzfigur, die zwar keine Gesamtlösung, jedoch eine Vorstellung von der Ausstattung vermitteln können.
Wie der 'Donzdorfer Altar' zu seiner irreführenden Bezeichnung in der Kunstgeschichte kam
Immer wieder erregen die Bestandteile des sogenannten 'Donzdorfer Altares' Aufmerksamkeit. Zuletzt im Frühjahr 2015 bei der Ausstellun
g 'Jerusalem in Ulm - Der Flügelaltar St. Michael zu den Wengen'. Dies hängt damit zusammen, dass die Altarflügel von dem Ulmer Maler Bartholomäus Zeitblom angefertigt worden waren. Und dieser galt lange Zeit als bester spätgotischer Maler, weshalb er im 19. Jahrhundert entsprechend hoch geschätzt wurde.
Hinzu kommt die wechselvolle Geschichte der Altarflügel seit ihrem Verkauf aus Donzdorf. Anfang des 19. Jahrhunderts veräußerte der damalige Donzdorfer Pfarrer Joseph Alois Rink die Seitenflügel. Dieser Verkauf beziehungsweise das Wissen darüber sorgte dafür, dass die erhaltenen Gemälde von zwei Seitenflügeln eines Altares die Bezeichnung 'Donzdorfer Altar' erhielten.
Gestützt wurde diese bisherige Benennung der Zeitblom-Altarflügel durch eine alte Postkarte von der Donzdorfer St. Martinus-Kirche aus der Zeit vor 1938, auf der ein neogotischer Seitenaltar mit einer Kopie eines der ehemaligen Flügelgemälde zu sehen ist.
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linker Seitenaltar mit der Kopie im rechten Altarflügel, vor 1938 - © GvT |
Auch wenn man nur einen Teil des Seitenaltares erkennen kann, so sind doch auffallend viele Frauen mit einem kleinen Kind im Schrein erkennbar. Zusätzlich stellt der rechte Seitenaltarflügel die Heimsuchung Mariens dar - also der Besuch der schwangeren Muttergottes bei ihrer ebenfalls schwangeren Cousine Elisabeth. Diese Häufung der Motive um Schwangerschaft und Kleinkinder ergänzt sich ideal mit der damaligen Aufgabe dieser Seitenkapelle als Taufkapelle.
Bei der Renovierung und Umgestaltung der Donzdorfer St. Martinus-Kirche 1938 wurde dann die Taufkapelle von der linken in die rechte Seitenkapelle verlegt. Der neogotische Altar samt dem Altarflügel mit der Zeitblomkopie wurde entfernt.
Betrachtet man die auf den Altarflügeln dargestellten Heiligen, so sticht eine Darstellung besonders ins Auge - diejenige des Heiligen Laurentius. In der gesamten Donzdorfer Geschichte gab es im Mittelalter
niemals eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen der Donzdorfer Pfarrkirche St. Martinus, der Hürbelsbacher Kapelle und deren Kirchenpatron St. Laurentius. Das bedeutet nun, dass die Altarflügel nur aus der Hürbelsbacher Kapelle stammen können, müssen also eigentlich als "Hürbelsbacher Altar" bezeichnet werden. Die Gründe für diese Umbenennung werden im Laufe des Posts noch detailliert erläutert.
Der Verkauf des ‘Donzdorfer Altar’ bzw. 'Hürbelsbacher Altar' von Bartholomäus Zeitblom
Geschäftstüchtig war man damals zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch schon, denn man richtete sich nach den Kundenwünschen. Wer sollte schon einen ganzen, aus Holz gefertigten Altarflügel kaufen? Zum Aufhängen an der Wand war er zu schwer und außerdem konnte man nur entweder die Vorder- oder die Rückseite betrachten. Die Lösung für dieses Problem: Man sägte den Altarflügel einfach der Länge nach durch. So erhielt man plötzlich zwei Bilder, die sich viel besser vermarkten ließen.
Doch in Donzdorf ging man noch einen Schritt weiter. Die Höhe des Bildes wurde als zu groß empfunden. Daher kürzte man das Bild am unteren Ende, so dass ein Format entstand, das problemlos in ein Bürgerhaus passte. Genau dieses Verfahren wurde auch beim sogenannten 'Donzdorfer Altar' angewandt.
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Maria Magdalena und Ursula, Kopie Anfang 19. Jh.
© mp-foto martin paule fotodesign, Rechberghausen |
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Die aus den beiden Altarflügeln gewonnenen vier Bilder fanden dann auch tatsächlich zwei Käufer: Die vier männlichen Heiligen der Außenseite - die Heiligen Sebastian und Georg sowie Laurentius und Wolfgang - gelangten in die Sammlung Hirscher und wurden von dort 1858 an die Kunsthalle Karlsruhe verkauft.
Auf der Innenseite waren die vier weibliche Heiligen - Maria und Elisabeth (Heimsuchung) sowie Magdalena und Ursula - zu sehen. Diese beiden Bilder gelangten über die Sammlung Laßberg in die Fürstenbergsche Sammlung nach Donaueschingen und dann in die Sammlung Würth.
Das Gestaltungsprogramm des Hürbelsbacher Altares auf der Außenseite
Im nächsten Schritt gilt es nun, das Programm, das dem Hürbelsbacher Altar zugrunde gelegen hatte, herauszuarbeiten und zu entschlüsseln. Dazu müssen wir die auf den vier Altarflügeln abgebildeten Figuren betrachteten und analysieren.
Bisher wurde in der Kunstgeschichte der Aufbau des Altares und die
Position der einzelnen Heiligen innerhalb des Altares anhand ihrer
Kopfhaltungen rekonstruiert. Ein Versuch, den Stifter und dessen Geschichte und Motivation zur Kapellenausstattung ausfindig zu machen, wurde bisher nicht unternommen. Diese Lücke soll nun geschlossen werden.
Die männlichen Heiligen auf der Außenseite
Von den männlichen Heiligen - St. Sebastian, St. Georg, St. Laurentius und St. Wolfgang - schauen zwei der Heiligen dem Betrachter direkt ins Auge. Die Blickrichtung der beiden anderen ist entweder nach links oder nach rechts.
Der eine Heilige, der nicht dem Betrachter ins Auge blickt, ist als Bischof gekennzeichnet. Er blickt nach links zum Kirchenpatron hin. Diese Blickrichtung lässt nun den Rückschluss zu, dass der Bischof auf der rechten Außenseite plaziert gewesen sein muss, sonst würde er ins Leere blicken.
Der Heilige mit dem Speer blickt nach rechts zu seinem Nachbarn im Bild, dem Heiligen Georg. Seine Blickrichtung macht nur dann Sinn, wenn er auf der linken Altarhälfte platziert war.
Setzt man die beiden Altarbilder auf diese Weise zusammen, dann ergibt sich eine harmonische, in sich geschlossene Bildkomposition der beiden äußeren Altarflügel. Die beiden zentralen Figuren sind der Ritterheilige Georg und der Kirchenpatron Laurentius, die beide dem Betrachter ins Auge blicken. Der Blick des Heilige Sebastian ruht auf dem Heiligen Georg, der Blick des Heiligen Wolfgangs auf dem des Kirchenpatrons.
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Heiliger Sebastian (links) und Heiliger Georg (rechts) - Bartholomäus Zeitblom, wohl 1495-96 |
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Heiliger Laurentius (links) und Heiliger Wolfgang (rechts) - Bartholomäus Zeitblom, wohl 1495-96 |
Wenden wird uns den einzelnen Heiligen zu.
Der Heilige Sebastian
Auf dem ehemaligen linken Außenflügel
erkennt man auf der linken Position den Pestheiligen Sebastian anhand von zwei Attributen, einem Pfeil und einem Schwert. Der
Heilige Sebastian gehört zu den bekanntesten Heiligen und ist häufig in
Kirchen und Kapellen anzutreffen. Man schreibt ihm den Schutz der
Menschen vor der Pest zu.
Doch im Zusammenhang mit der Neueinrichtung
von Hürbelsbach als Grabkapelle steht wohl eine andere Bedeutung im
Vordergrund: Da Sebastian während seines Martyriums auf wundersame Weise
nicht von den Pfeilen der auf ihn zielenden Bogenschützen getötet
wurde, entwickelte er sich zum Patron der Bogen- und Armbrustschützen,
von Soldaten und Kriegsinvaliden.
Wie im Post ‘Hürbelsbach - von der
Pfarrkirche zur Grabkapelle, 1493-96' schon erwähnt, hatte Ritter Ulrich II.
von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen unter anderem an der Schlacht von Giengen an
der Brenz 1462 teilgenommen und war dabei in Gefangenschaft geraten. Ritter Ulrich als Stifter hatte also einen ganz persönlichen Grund, diesen Heiligen in sein Altarprogramm mit aufzunehmen.
Der Heilige Georg
Der
besonders von Rittern verehrte Heilige Georg ist das große Vorbild der
männlichen Adeligen jener Zeit. Nicht wenige hatten sich deshalb in der
Rittergesellschaft ‘St. Jörgenschild’ zusammengeschlossen. Kaiser
Maximilian - mit dem Beinamen ‘der letzte Ritter’ - hat mit seinen Büchern
die Welt der Ritter besonders stilisiert und idealisiert.
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Grabplatte des Ritters Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen - ev. von Pantaleon Sidler aus Esslingen, um 1496 - © GvT |
Ritter Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen, der zum
Schmuck seines Grabmals einen überlebensgroßen bronzenen Ritter in seiner Rüstung
hatte anfertigen lassen (vgl. den Post ´
Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 4.4: Hürbelsbach 1493-96 - Von der Pfarrkirche zur Grabkapelle), huldigte dem Rittertum also in
besonderer Weise auch auf dem Altar: Als Auftraggeber ließ er den Ritterheiligen in die
Wappenfarben der Familie von Rechberg - rot und gold - kleiden, als Hommage an seine Familie und seinen einzigen Sohn.
Der Heilige Laurentius
Auf
dem rechten Außenflügel sind links der Heilige Laurentius und rechts der
Heilige Wolfgang von Regensburg dargestellt. Beide sind durch ihre
Attribute - der Rost und Palmzweig für Laurentius, die Kirche für Wolfgang - eindeutig
gekennzeichnet.
Der Heilige Lauretius war seit der
Pfarreigründung durch das Klosters
Anhausen im 12. Jahrhundert der Hürbelsbacher Kirchenpatron. Offenbar
betrachtete Ulrich II. von Rechberg diesen Heiligen auch nach der
Degradierung der Pfarrkirche zur Kapelle weiterhin als den rechtmäßigen
Kirchenpatron seiner Grabkapelle. Somit ist es nicht verwunderlich, dass
der Heilige Laurentius auf dem Hürbelsbacher Altar abgebildet ist.
Gleichzeitig wird damit deutlich, dass dieser Zeitblom-Altar
ausschließlich für diese Kapelle geschaffen wurde.
Der Heilige Wolfgang
Der Heilige Wolfgang von Regensburg wurde um 924 in der Gegend von Reutlingen geboren. Zunächst war er geistlicher Lehrer und Missionar, ehe er 972 zum Bischofvon Regensburg geweiht wurde. Wolfgang verstarb 994 in Pupping in Oberösterreich und wurde 1052 heiliggesprochen. Seine Attribute sind der Bischofsstab und in der Hand ein Kirchenmodell.
Die Legende erzählt, dass der heilige Wolfgang von Regensburg in St. Wolfgang am nach ihm benannten Wolfgangssee in Oberösterreich eine Kirche hatte errichten lassen. Später
verstarb er während einer Inspektionsreise in einer Dorfkirche. Dort hatte man ihre Kirchentüren offen gelassen, damit alle Menschen sehen konnten, dass
der Bischof eines ruhigen Todes starb.
Die Einordnung des heiligen Wolfgang in das Bildprogramm der Vorderseite
des Hürbelsbacher Altares ist auf den ersten
Blick nicht offensichtlich, verbindet man jedoch die Vita des Heiligen mit den
Lebensumständen des Altarstifters, treten zwei Verbindungen zutage. Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen muss durch seinen Dienst bei Herzog Ludwig d. Reichen
von Bayern-Landshut (= Niederbayern) mit der Verehrung von St. Wolfgang
von Regensburg in Berührung gekommen sein. Auf diese Weise hatte er den historischen Regensburger Bischof Wolfgang als Kirchenbauer und seine Verehrung als Helfer für einen
ruhigen Tod kennengelernt.
Auf dem ehemaligen Altarbild hält der Heilige Wolfgang in der einen Hand seinen fein ausgearbeiteten Bischofsstab und in der anderen das exakte
Modell der Hürbelsbacher Kapelle.
Doch weshalb wählte Ulrich II. von Rechberg ausgerechnet den Regenburger Bischofsheiligen? Offensichtlich ist, dass Ulrich II. im Laufe seines Lebens den Bau mehrerer Kirchen oder Kapellen veranlasste oder gemeinsam mit weiteren Bauherren initiierte. 1488 ließ er die 1. steinerne Kapelle auf dem Hohenrechberg, im 20. Jahrhundert zum Gasthaus Rechberg umgebaut, errichten. Zudem war Ulrich II. Mitinitiator beim Bau zweier Kirchen, ebenfalls 1488 in Wetzgau b. Schwäbisch Gmünd und dann 1492 in Heuchlingen.
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Die zum Gasthaus umgebaute erste steinerne Kapelle auf dem Hohenrechberg, © GvT |
Weil der heilige Wolfgang das Modell der Hürbelsbacher Kapelle in Händen hält, darf man die Vermutung äußern, dass im Auftrag von Ulrich II. Bauarbeiten an der Kapelle vorgenommen wurden. In das Modell integriert ist eine deutlich sichtbare Glocke im Dachreiter. Wie schon zuvor erwähnt, stiftete Ulrich II. von Rechberg als erstes 1493 eine von Pantaleon Sidler gegossene Glocke. Auch die Gestaltung des Maßwerks der Fenster im Chor und das Kreuzrippengewölbe im Innern der Kapelle lässt die Vermutung einer Entstehung des älteren Kapellenteils oder dessen Umgestaltung um 1493 zu.
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Modell, sogar mit Kirchenglocke |
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Der hellrot gedeckte Teil ist der ursprüngliche Teil der Kapelle |
Ein weiterer Grund für die Wahl von St. Wolfgang als Motiv im neuen Altar ist seine
Verehrung als Helfer für einen ruhigen Tod, der Wunsch eines jeden
Menschen. Diese Eigenschaft ist nun ideal für die Gestaltung eines
Altares, der in einer Grabkapelle zu stehen kommen sollte.
Das Gestaltungsprogramm des Hürbelsbacher Altares auf der Innenseite
Wie bei den Außenflügeln wurde in der Kunstgeschichte der Aufbau des Altares und die Position der einzelnen Heiligen innerhalb des Altares bisher anhand ihrer Kopfhaltungen rekonstruiert. Und wie in diesem Post für die Außenseite praktiziert, sollen die einzelnen weiblichen Heiligen in Verbindung mit dem Stifter Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen und seiner Familie gebracht werden.
Beim geöffneten Altar erblickten die Betrachter die Darstellungen von vier weiblichen Heiligenfiguren auf den Seitenflügeln. Traditionell gilt in der Kunstgeschichte, dass auf dem linken Altarflügel die beiden Heiligen Maria Magdalena und Ursula von Köln zu sehen waren, während auf dem rechten die Muttergottes und ihre Cousine Elisabeth dargestellt waren (vgl. Kat. Jerusalem in Ulm, 174f)
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Maria und Elisabeth - Heimsuchung, Ausschnitt, Original Bartholomäus Zeitblom, 1492-1496 - © GvT |
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Maria Magdalema und Ursula, Ausschnitt, Original Bartholomäus Zeitblom, 1492-1496 - © GvT |
Wenden wir uns den einzelnen Frauen zu:
Maria Magdalena
Auf dem unteren der beiden Flügelaltarbilder sind zwei Frauen abgebildet. Auf der linken Seite ist Maria Magdalena mit einem Gefäß in der Hand dargestellt. Ursula ist mit dem Pfeil, der sie durchbohrte, gekennzeichnet.
Maria Magdalena hatte Jesus bei einer ihrer Begegnungen die Füße gesalbt, daher ihre Darstellung mit einem Deckelgefäß. Sie war eine begeisterte Anhängerin von Jesus Christus. Nach dessen Tod war Maria Magdalena die erste, der Jesus nach seiner Auferstehung als vermeintlicher Gärtner erschien. Maria Magdalena ist die erste Augenzeugin und Botschafterin des Auferstehungswunders an Ostern.
Ursula von Köln
Ursula von Köln war der Legende nach eine Königstochter. Ursula kam von einer Pilgerfahrt nach Rom in Köln an. Sie wurde
gemeinsam mit ihren Begleiterinnen überfallen und
gefangen genommen. Alle Begleiterinnen von Ursula wurden misshandelt und
getötet. Der Anführer wollte Ursula für sich, doch sie verweigerte sich.
Deshalb wurde sie durch einen Pfeilschuss getötet (s. Attribut). Darauf
hin kamen 11000 Engel (wohl die Seelen ihrer Begleiterinnen) über Köln
und vertrieben die Feinde aus der Stadt.
Der Tod der Heiligen Ursula wird mit der Vertreibung der Hunnen aus Köln in Verbindung gebracht. Bis heute wird die Heilige u.a. für eine gute Ehe und für einen ruhigen Tod verehrt sowie bei Kinderkrankheiten und gegen Qualen des Fegefeuers angerufen. Drei dieser vier Eigenschaften besitzen einen Bezug zum Altarstifter zu: Da wäre zunächst die gute Ehe. Davon zeugt die Sage vom Klopferle. Darin wird erzählt, dass Ulrich II. und seine Frau sich während ihrer ganzen Zeit immer kleine Nachrichten haben zukommen lassen.Ulrich II. von Rechberg bereitete sich systematisch auf sein Ableben vor, indem er die von ihm ausgewählte Grabkapelle bewusst ausstattete. Somit passen die beiden anderen der Heiligen Ursula zugeschriebenen Eigenschaften - die erneute Bitte für einen ruhigen Tod und die Hilfe gegen die Qualen des Fegefeuers - ideal zur Ausstattung einer Grabkapelle.
Maria und Elisabeth - Die Heimsuchung
Maria und ihre Cousine Elizabeth haben einen gemeinsamen Grund zur Freude. Völlig unerwartet waren beide Frauen guter Hoffnung - Maria mit Jesus und Elisabeth mit Johannes dem Täufer. Dieses Thema wird traditionell mit dem Titel ‘Heimsuchung’ bezeichnet. Man kann es als den Beginn neuen Lebens deuten.
Bei dieser Tafel handelt es sich um das einzige Gemälde, auf der die beiden dargestellten Heiligen miteinander interagieren. Das Motiv besitzt eine besondere Beziehung zum Stifter. Die Freude, auch noch im hohen Alter ein Kind zu erwarten, besaß für Ulrich II. und seine Frau Anna von Venningen einen konkreten Hintergrund. Das Paar war bereits 15 Jahre lang verheiratet, als ihnen der langersehnte männliche Erbe geboren wurde.
Überlegungen zum Schrein des Hürbelsbacher Altares
Zum Aussehen des Altarschreins gibt
es keine schriftliche Überlieferung. Doch die Entwicklung der Themen
auf den Innenflügeln - von der Empfängnis bis zum Tod und der
Auferstehung - legt nahe, dass im Schrein ein Ereignis aus dem Leben
Christi gezeigt wurde. In Betracht kommen 1. Maria und Christus-Kind -
ähnlich wie in der Kirche auf dem Hohenrechberg oder 2. eine Kreuzigung
oder Kreuzabnahme bzw. Pietà. Tatsächlich gibt es heute in der
Hürbelsbacher Kapelle eine Pietà-Gruppe im dortigen Altar, die ebenfalls
in die Zeit vor 1500 datiert wird
Es
ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass diese Gruppe Bestandteil des
Schreins war, denn im Verhältnis zur Größe der Seitenflügel ist sie zu
klein. Bei einem eigens entworfenen Altar wäre zu erwarten, dass die
Größenverhältnisse der Figuren im Schrein und der Flügelaltäre
miteinander korrespondieren.
Der Hürbelsbacher bzw. Donzdorfer Altar, die Heilige Apollonia und Nikolaus Weckmann
Von den übrigen Bestandteilen des 'Donzdorfer Altars' - Predella, Schrein oder Gesprenge - gibt es
keine
gesicherte Überlieferung. Man darf jedoch davon ausgehen, dass geschnitzte Figuren im
Schrein aufgestellt waren. Es gibt ein altes
Schwarz-weiß-Foto aus der Nordwürttembergischen Zeitung (NWZ) aus den
1960er Jahren, auf dem eine Heilige Apollonia abgebildet ist (s.u.). Sie
wird als
Figur aus dem Hürbelsbacher Hochaltar deklariert.
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Heilige Apollonia von Alexandria, 1969 gestohlen aus der Hürbelsbacher Kapelle |
Diese
85 cm hohe Figur wurde zusammen mit einer weiteren Figur, der barocken,
gleich großen Heiligen Ottilie, 1969 aus der
Hürbelsbacher Kapelle gestohlen. Beide Figuren gelten seither als
verschollen.
Das Bildwerk der heiligen Apollonia
konnte vor seinem Verschwinden noch keinem Ulmer Künstler
zugeschrieben werden. Doch gelang der Ulmer Forschung in den vergangenen
Jahren u.a. der Nachweis, dass viele Figuren von Zeitblom-Altären aus
der Werkstatt des Ulmer Bildhauer Niklaus Weckmann stammten
(Teget-Welz). Man darf deshalb vermuten, dass beim Hürbelsbacher
Altar diese enge Arbeitsgemeinschaft der beiden Künstler ebenfalls
bestanden hatte.
Betrachtet man die oben abgebildete, gestohlene
Figur der Apollonia genauer, so scheint sich die These der
Zusammenarbeit zwischen Batholomäus Zeitblom und Niklaus Weckmann auch
hier zu bestätigen. Obwohl das einzige bisher vorhandene Foto nicht
den gewöhnlichen Standards entspicht, so zeigt doch gerade die
Gestaltung des Kopfes und des Faltenwurfs im Umhangs der Heiligen Apollonia die für Weckmann typischen
Schemata (Meisterwerke Massenhaft).
Mit dieser
Erkenntnis wird gleichzeitig der Weckmann-Forschung ein wichtiges
Instrument an die Hand gegeben. Klagte man in der Forschung bisher, dass
man das Frühwerk von Niklaus Weckmann nur wage umreißen kann, so lässt
sich nun mit der Heiligen Apollonia ein Werk von Weckmann auf einen
engen Zeitraum zwischen 1493 und 1496 eingrenzen.
Neue Interpretation zum Hürbelsbacher bzw. Donzdorfer Altar
Durch die Verknüpfung von biographischen Daten aus dem Leben von Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen, ist es gelungen, das Programm des sogenannten Donzdorfer Altares zu entschlüsseln.
Die Außenseite befasst sich mit der Welt des Ritters Ulrich - dargestellt durch die Heiligen Sebastian und Georg - und seiner Verbindung zu Hürbelsbach - dargestellt durch den Heiligen Wolfgang als Kirchenbauer, der dem Kirchenpatron St. Laurentius seine von ihm ausgewählten und vermutlich erbaute Grabkapelle präsentiert.
Es fällt auf, dass der Heilige Wolfgang im Gegensatz zu den anderen drei Heiligen als älterer Mann mit ausgeprägten individuellen Zügen dargestellt ist. Ist es vielleicht möglich, dass sich der Stifter Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen in der Figur des St. Wolfgang abbilden ließ?
Die Innenseite des Altares beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld, in das das Leben eines Menschen eingebettet ist: von der Geburt bis zum Tod und den Erwartungen beim jüngsten Gericht. Ausgehend von dieser Beobachtung verblüfft jedoch die bisher von der Kunstgeschichte vertretene Ansicht vom Aufbau des Altares:
links: Maria Magdalena - die erste Zeugin des Auferstehung Christi
links: Ursula - Bitte um einen ruhigen Tod und Beistand gegen die Qualen des Fegefeuers
rechts: die junge Maria - die Geburt Christi ihrer Cousine ankündigend
rechts: die ältere Elisabeth - die Geburt ihres Sohnes Johannes d. Täufers ankündigen
Diese bislang vertretene Gliederung basiert auf der Art und Weise der Aufstellung der beiden Bildtafeln von den vier weiblichen Heiligen neogotischen Altar von Donzdorf, wie sie auf der Postkarte von der Donzdorfer Kirche vor 1938 (s.o.) und einer Dokumentation des Landesdenkmalamtes von Baden-Württemberg (s.u.) zu sehen ist.
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https://www.bildindex.de/document/obj00071801?part=3&medium=mi05137g01
Doch parallel zur Außenseite des Hürbelsbacher Altares wurde auch dessen Innenseite bewusst gestaltet. Die Bilder der weiblichen Heiligenfiguren bilden thematisch und gestalterisch jeweils in sich geschlossene Einheiten, wie Blicke und Gestik verraten. Somit entscheidet der von ihnen verkörperte Glaubensinhalt über ihre Position auf der Innenseite des Retabels. Betrachtet man also die Frauen zusammen mit der Bedeutung, die sie für einen Gläubigen verkörperten, dann muss ihre Folge im Hürbelsbacher Altar eine andere gewesen sein:
links: die junge Maria - die Geburt Christi ihrer Cousine ankündigend links: die ältere Elisabeth - die Geburt ihres Sohnes Johannes d. Täufers ankündigen rechts: Maria Magdalena - die erste Zeugin des Auferstehung Christi rechts: Ursula - Bitte um einen ruhigen Tod und Beistand gegen die Qualen des Fegefeuers
Diese Reihenfolge ist thematisch in sich geschlossen und gleichzeitig das Glaubensbekenntnis des Stifters Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen.
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Der Donzdorfer bzw. Hürbelsbacher Altares im Werk von Bartholomäus Zeitblom und Niklaus Weckmann
Bisher wird die Entstehung des sogenannten 'Donzdorfer Altares' mit
um 1490 angegeben. Aufgrund der in diesem Blog zusammengetragenen Fakten kann man seine Entstehungszeit jetzt sehr viel präziser benennen. Der erste Eckpunkt der Datierung ist der Februar 1492. Damals wurde die Pfarrei Hürbelsbach aufgelöst und die Kircheneinrichtung in die Marienkapelle nach Klein-Süßen gebracht. Unmittelbar danach begann Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen mit der Umgestaltung der Hürbelsbacher Kapelle zu seiner Grabkapelle. Dies belegt die bis heute vorhandene Sidler-Glocke von 1493 im Turm der Kapelle, der zweite Eckpunkt in der Datierung. Der dritte Eckpunkt ist das Todesjahr von Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen im Jahre 1496.
Die gesamte neue Ausstattung des Hürbelsbacher Kirchengebäudes muss also zwischen den Jahren 1492-1496 entstanden sein. Ob und in welcher Weise damals das Kirchengebäude auch noch architektonisch verändert wurde, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.
Vier Elemente lassen sich heute als Teile der dem neuen Zweck angepasst Einrichtung der Kapelle identifizieren.
- die von Pantaleon Sidler im Jahre 1493 gegossene Glocke
- das Epitaph von Ulrich II. - heute in St. Martinus Donzdorf (Foto s.o.)
- das gestohlene Bildwerk der Heiligen Apollonia - Schwester des Heiligen Laurentius (Foto s.o.)
- die ehemaligen, im 19. Jahrhundert gekürzten Flügel des Altars von Bartholomäus Zeitblom (Fotos s.o.)
Hürbelsbach ist nicht die einzige von Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen ausgestattete Kirche. Auch die von ihm erbaute erste steinerne Kirche auf dem Hohenrechberg besaß eine hochwertige Ausstattung, wie die Beschreibung in der Schwäbischen Chronik von Crusius aufzeigt. Von dieser Ausstattung zeugt heute noch das große Cruzifix in der Hohenrechberger Kirche, das bis dato Michel Erhart zugeschreiben wird.
Literatur
https://de.wikipedia.org/wiki/Bartholom%C3%A4us_Zeitblom
https://de.wikipedia.org/wiki/Niklaus_Weckmann
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_von_Regensburg
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienS/Sebastian.htm
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienU/Ursula_von_Koeln.htm
https://www.bildindex.de/document/obj00071801?part=3&medium=mi05137g01- (Donzdorfer Altar)
http://www.inschriften.net/landkreis-goeppingen/inschrift/nr/di041-0125.html#content - Sidlerglocke
http://www.inschriften.net/landkreis-goeppingen/inschrift/nr/di041-0137.html#content - Epitaph
- Grimm, Claus Grimm / Konrad, Bernd, Die Fürstenberg-Sammlungen Donaueschingen.
Altdeutsche und schweizerische Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts,
München 1990, S. 118f
- Meisterwerke Massenhaft. Die Bildhauerwerkstatt des Niklaus
Weckmann und die Malerei in Ulm um 1500, Katalog, hrsg. v.
Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, Stuttgart 1993
- Dietlinde Bosch, Bartholomäus Zeitblom - Das künstlerische Werk (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 30), Ulm 1999- Teget-Welz, Manuel, Bartholomäus Zeitblom, Jörg Stocker und die Ulmer Kunstproduktion um 1500, in: Jerusalem in Ulm - Der Flügelaltar aus St. Michael zu den Wengen, hrsg.v. Ulmer Museum, Ulm 2015, S. 10-25, mit weiterführender Literatur.
- Trauchburg, Gabriele von, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg (Kirchenführer), Donzdorf 2016