Sonntag, 30. Dezember 2018

Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 10.2: Grünbach - St. Peter: Eine Kapelle für Badende?

© Gabriele von Trauchburg


In Teil 1 zur Geschichte der Grünbacher Kapelle wurde bereits die Möglichkeit angesprochen, dass das 1481 genehmigte ‘Wildbad’ der Ausgangspunkt für den Um- und/oder Neubau der 1492 vollendeten Grünbacher Kapelle war. Eine dem Heiligen Petrus geweihte Kapelle gab es hier schon vor 1492. Erstmals urkundlich fassbar ist diese Grünbacher Petrus-Kapelle bereits 1401. 

St. Peter - der Kapellenpatron

Es gibt nur ein kirchliches, dem Heiligen Petrus geweihtes Gebäude im Lautertal - eben die Kapelle in Grünbach, außerdem befindet sich die Pfarrkirche St. Peter im Seitental von Reichenbach unter Rechberg. Der katholische Gedenktag für diesen Heiligen ist der 29. Juni. Sein Name bedeutet ‘der Fels’. Die Rolle des Petrus als einer der wichtigsten Jünger und Apostel Jesu lässt sich anhand der Bibel nachvollziehen.
Im Laufe der Zeit erhielt Petrus seine eigene Verehrung. Menschen wählten den ehemaligen Fischer zum Patron der Brückenbauer, wodurch die Grundlage für den Titel der Päpste - Pontifex Maximus = größter Brückenbauer - geschaffen wurde. In vielen mittelalterlichen Darstellungen erkennen wir Petrus anhand eines großen Schlüssels in seiner Hand. Nach gängigen Vorstellungen schloss er das Himmelstor, die Paradiespforte, auf - ein bis heute geläufiges Bild. 


St. Petrus - Patron der Grünbacher Kapelle - © GvT

Diese Rolle am Eingang des Himmel, auch als Himmelsschleuse angesehen, schrieb Petrus zudem die Funktion eines Wettermachers zu, wobei er entschied, ob die Himmelsschleuse zum Regnen geöffnet wurde oder nicht. 
Aufgrund seines ehemaligen Berufes als Fischer und seiner engen Beziehung zum Wasser entwickelte er sich auch zum Patron zahlreicher Berufe, z.B. Fischer, Fischhändler, Schiffer und Schiffbrüchigen, aber auch Walker, Netzweber, Tuchweber. Seine Bedeutung als Öffner und Schließer der Himmelspforte wurde verallgemeinert, wodurch ihn weitere Berufe als Patron in Anspruch nehmen konnten, beispielsweise Glaser, Schreiner, Schlosser, Schmiede. Weiter stand er Reuigen, Büßenden, Beichtenden und bei den Krankheiten Besessenheit, Fallsucht, Tollwut, Fieber, Schlangenbiss und Fußleiden bei.
Gerade die letztgenannten Krankheiten sind vielleicht ein Hinweis auf diejenigen Krankheit(en), die in Grünbach geheilt wurden oder bei denen zumindest Linderung eintrat.

Suche nach dem Stifter des Gemäldezyklus

Die neue Kapelle Grünbach erhielt beim Um- oder Neubau der Kapelle 1492 einen Gemäldezyklus, der heute noch weitgehend erhalten geblieben ist. Wer dieses Gemälde in Auftrag gegeben hat, ist nicht bekannt. Da man jedoch immer wieder einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen dem Initiator des Grünbacher Wildbades von 1481 und dem Um-/Neubau der St. Peter-Kapelle von 1492 herstellt, darf man auch im Initiator des Wildbades den Auftraggeber vermuten: Heinrich von Rechberg-Weißenstein. Bereits 1481 muss er seine herrschaftliche Position in Grünbach soweit ausgebaut gehabt haben, dass er als Dorfherr den Antrag zur Genehmigung des Grünbacher Wildbades bei Kaiser Friedrich III. hatte stellen können.
Heinrich von Rechberg war der Kirche sehr zugetan: Am 28. August 1456 stiftete er ein Salve Regina, das von den beiden Weißensteiner Kaplänen jeden Samstag gesungen werden sollte. Drei Jahre später schuf Heinrich von Rechberg eine Frucht-Almosen-Stiftung für die Armen in seiner Stadt Weißenstein. Als nächstes stiftete Heinrich am 25. Januar 1478 die Pfarrei in Weißenstein. Zuvor hatte der Ort, obwohl rechtlich seit dem 14. Jahrhundert eine Stadt, zur Pfarrei Treffelhausen gehört. Im Zusammenhang mit der Gründung der Pfarrei entstand die im gotischen Stil erbaute Stadtpfarrkirche, wie sie noch auf dem bekannten Merian-Stich zu sehen ist. Zur Entschädigung verloren gegangener Zehnteinnahmen erhielt die Treffelhauser Kirche 1482 eine Frühmess-Pfründe und Schnittlingen eine wöchentliche Messe.
Betrachtet man dieses Engagement von Heinrich von Rechberg im kirchlichen und sozialen Bereich, so käme er als Initiator für die Umgestaltung der St. Peters-Kapelle tatsächlich in Frage. Diese Überlegungen erhalten jedoch dadurch einen Dämpfer, dass Heinrich von Rechberg-Weißenstein bereits 1489 verstarb. Falls er dennoch der Initiator der Um- bzw. Neubauten war, so wurden seine Ideen von seinem Sohn und Nachfolger Wilhelm III. nach seinem Tode weiterverfolgt und 1492 schließlich abgeschlossen. Die finanziellen Voraussetzungen in der Familie waren auf alle Fälle gegeben. Aus mehreren Urkunden geht hervor, dass Heinrich von Rechberg die finanziellen Strategien seines Vaters fortsetzt und sich als Kreditgeber von Bischöfen, Herzögen und Markgrafen erweist.
Dass das Gemälde von einem Vertreter der Familie Rechberg gestiftet wurde, darauf weist die Farbgebung hin. Zwei Farben treten im Gemäldezyklus besonders hervor: goldgelb und rot, die Wappenfarben der Rechberg. Tatsächlich benutzten die Herren und Grafen von Rechberg immer wieder ihre Wappenfarben bei der Gestaltung ihrer Gebäude und Kirchen, besonders eindrucksvoll in der Kapelle von Markt Altenstadt-Filzingen.    

Der Gemäldezyklus  

Das mehrteilige Wandgemälde befindet sich an der Nordwand im Langhaus. Aufgrund seiner Position innerhalb des Gebäudes wird deutlich, dass das Wandgemälde für die Kapellenbesucher im besonderen angefertigt worden war. Diese These ergibt sich aus folgender Beobachtung: In vielen Kirchen oder Kapellen wurden teure Wandgemälde nur im Chor - dem Platz der Geistlichkeit - ausgeführt. Diese Gemälde dienten der Betrachtung durch die Geistlichkeit. Besonders eindrucksvolle Beispiele hierfür sind die Wandgemälde in den Chören von Göppingen-Oberwälden, Eislingen-Krummwälden und Geislingen-Stötten.
Hingegen dienten diejenigen Gemälde, die im Langhaus angebracht waren, den  Gottesdienstbesuchern zur Belehrung. Dies wird besonders deutlich anhand des großen Wandgemäldes in der Gingener Johannes-Kirche.    

Das Thema des mehrteiligen Wandgemäldes ist die Passion Christi. Der Grünbacher Zyklus ist dabei in guter Gesellschaft, denn auch in anderen Kirchen in unserem Landkreis findet man dieses Motiv. 

Bisher konnte der Künstler des Grünbacher Wandgemäldes nicht identifiziert werden. Zieht man jedoch die engen politischen Verbindungen des Heinrich von Rechberg-Weißenstein mit der Reichsstadt Ulm in Betracht und berücksichtigt die wohl ulmischen Bildwerke in der von ihm gestifteten Stadtpfarrkirche von Weißenstein, so liegt durchaus die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Grünbacher Künstler um einen Ulmer Maler handeln könnte.

Ausschnitt aus dem Passionszyklus in der Grünbacher St.-Peter-Kapelle, 1492 - © GvT
Der gotische Gemäldezyklus erstreckt sich über zwei Reihen. Die ausführlichste Form der gemalten Passionsgeschichte findet sich in Eislingen-Krummwälden. Dort umfasst das gesamte Wandgemälde 15 vollständige Einzelbilder, mit deren Hilfe sich auch die Bilder in Grünbach identifizieren lassen.
In der oberen Reihe erkennt man:
  • 1. Fußwaschung (?), Fragment
  • 2. Abendmahl
  • 3. Jesus am Ölberg
  • 4. Die schlafenden Jünger am Ölberg
  • 5. Verrat Jesu / Judaskuss
  • 6. - zerstört -
  • 7. Jesus bei Kaiphas (?), Fragment
  • 8. Jesus vor Herodes
In der unteren Reihe erkennt man:
  • 9. - zerstört - 
  • 10. Geißelung 
  • 11. Dornenkrönung 
  • 12. Ecce Homo (Seht, welch ein Mensch)
  • 13. Händewaschung des Pilatus (?)
  • 14. - zerstört -
  • 15. Kreuznagelung, Fragment
  • 16. Kreuzigung (vgl. H. Hummel, S. 112).
Ausschnitt aus dem Passionszyklus der Grünbacher St.-Peter-Kapelle, 1492 - © GvT
Von den ehemals wohl 16 Bildern lassen sich heute noch 10 Einzelbilder eindeutig identifizieren, drei von ihnen sind nur noch fragmentarisch erhalten und drei Bilder sind vollständig zerstört. Wie es zu diesen Verlusten kam, darüber berichte ich in Kapitel 10.5.   

Für die Ausführung des Gemäldes benutzte der Künstler wohl Vorlagen. Eine Besonderheit bildet dabei die aufwendige Architekturkulisse. Der Künstler projizierte das biblische Geschehen in eine zeitgenössische, städtische Gegenwart. Ein derartiges Vorgehen war damals durchaus häufiger zu finden, beispielsweise beim bekannten Altar des Ulmer Wengen-Klosters. Deshalb lautete denn auch der Titel zur Ausstellung anlässlich seiner Rekonstruktion ‘Jerusalem in Ulm’. Gleichzeitig bediente der Maler mit seinen drastischen Darstellungen der Szenen die Schaulust seiner Zeitgenossen.  
  

Quellen und Literatur

- Joseph Rink, Familiengeschichte der Grafen und Herren von Rechberg und Rothenlöwen, Teil 2
- Heribert Hummel, Wandmalereien im Kreis Göppingen (Veröffentlichungen des Kreisarchivs Göppingen Bd. 6), Weißenhorn 1978
- Gabriele von Trauchburg, Lauterstein - Weißenstein - Nenningen. Kirchenführer, Lauterstein 2015
- Jerusalem in Ulm. Der Flügelaltar aus St. Michael zu den Wengen, Katalog, Ulm 2015

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Geschichte(n) von Gingen/Fils - Teil 1.3: Die erste bekannte Gingener Dorfherrschaft: Königin Kunigunde

© Gabriele von Trauchburg Als zweite Frau möchte ich Ihnen die deutsche Königin Kunigunde vorstellen. Sie ist diejenige Königin, die ih...