© Gabriele von Trauchburg
Die vorangegangene Studie zur Kulturgeschichte der Kapellen entlang des Donzdorfer Kapellenwegs entwickelte sich im Laufe der einzelnen Untersuchungen zu einem spannenden Projekt voll unvorhersehbarer, neu zu entdeckender Aspekte.
Die kulturgeschichtliche Untersuchung einer Gruppe von Kapellen ist bisher einzigartig. Dies ist kein Wunder, denn der Großteil der schriftlichen Unterlagen wurde in der Vergangenheit als nutzlos erachtet und deshalb entsorgt. Es ist schon ein großer Glücksfall, dass die Heiligenrechnungen der alten Kapellen Hürbelsbach, Unterweckerstell und Grünbach als serielle schriftliche Quellen noch immer im Gräflich Rechbergschen Familienarchiv Donzdorf gelagert werden. Nur deshalb war es möglich, die finanziellen Grundlagen der Kapellenverwaltung aufzugliedern und völlig überraschende Erkenntnisse daraus zu ziehen.
Die kunsthistorische Entwicklung der Kapellengebäude ist von ständigem Wandel geprägt, denkmalschützerische Gedanken gab es in vergangenen Jahrhunderten nicht. Aus diesem Grunde achtete man in den unterschiedlichsten Kunstepochen weniger auf den Erhalt alter Ausstattung. Statt dessen wurde die Gestaltung der einzelnen Kapellen eher als eine ständige Weiterentwicklung empfunden.
Gerade die erstmalige gemeinsame Aufarbeitung von Geschichte und Kunstgeschichte eröffnete völlig neue Erkenntnisse: die lokale mittelalterliche Herrschafts- und Patronatsgeschichte wurde erweitert und zum Teil korrigiert (s. Hürbelsbach, Unterweckerstell und die zweigeteilte Residenz Donzdorf). Die Auswirkungen des 30jährigen Krieges konnten am Beispiel von einem Malter Hafer regional greifbar gemacht werden. Erstmals in größerem Umfang gelang der Nachweis, dass Kapellenverwaltungen als Kreditinstitute für die ländliche Bevölkerung bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts fungierten. Zugleich waren Kapellen auch Kreditinstitute für benachbarte kirchliche Gebäude. Auf diese Weise wurde eine erstaunlich hochwertige Ausstattung der Pfarreien mit barocken Pfarrhöfen oder Ausstattungen von Kirchen beispielsweise mit Orgeln finanziert.
Zudem konnte eine Reihe von Neuentdeckungen im Bereich der Kunstgeschichte gemacht werden. Im Zentrum steht dabei der Hürbelsbacher Altar, dessen Aufbau und seine Bedeutung sowie sein Stifter. Zudem war es möglich, zwei Altarflügel der Unterweckersteller Kapelle zuzuordnen. Außerdem wurde ein Rekonstruktionsversuch der Chormalereien von Unterweckerstell vorgenommen.
Ein Schwerpunkt der Untersuchungen war, die Offenlegung der Verbindung zwischen Stiftern und ihren Stiftungen, ein Untersuchungsfeld, das im regionalen Umfeld noch nie vorgenommen wurde. Gleiches gilt für die Offenlegung der Verbindungen zwischen groß- und kleinräumigen historischen Ereignissen und deren Auswirkungen auf die Kapellen im allgemeinen.
Gleichzeitig hat sich ein neues Arbeitsfeld aufgetan: In den vergangenen fünf Jahren konnte ich immer wieder Hinweise auf die Existenz einer bayerischen Kunstexklave im Umfang der ehemaligen Rechbergischen Herrschaften entdecken. Diese entstand spätestens mit dem Bau der Wallfahrtkirche Hohenrechberg. Sie entwickelte sich in der Folgezeit weiter: mit der Bernhardus-Wallfahrtskirche, der Mariensäule vor der Stadtpfarrkirche Weißenstein, mit dem Gemälde im Hochaltar der Stadtpfarrkirche, der Nenninger Pietà, mit den Nazarener-Gemälden und -Wandmalereien in Donzdorf und Unterweckerstell sowie den neogotischen Skulpturen von Anselm Sickinger. Finanziert werden konnte sie nur durch die Stiftungen der gräflichen Familie Rechberg und durch die Finanzen der Kapellen am Donzdorfer Kapellenweg. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse diese ersten Erkenntnisse noch nach sich ziehen werden.
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