Dienstag, 15. Mai 2018

Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 3: Die Barbarakapelle

© Gabriele von Trauchburg


Teil 3: Die Barbarakapelle 

Es ist nicht das erste Mal, dass man versucht, Licht ins Dunkel um diese Kapelle zu bringen. Denn das größte Problem besteht darin, dass es nur sehr, sehr wenige Unterlagen zur Geschichte dieser Kapelle gibt. Aus dem Wenigen versuche ich nun dennoch eine einigermaßen fundierte Geschichte herauszuarbeiten.   


Die ältere Kapelle

Aus der Literatur ist bekannt, dass in den Jahren 1582 und 1583 der ursprünglich bei der Pfarrkirche St. Martinus gelegene Friedhof an seinen heutigen Standort verlegt wurde. Möglicherweise stand diese Maßnahme im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Donzdorfer Schlosses von 1569 oder der Entstehung des sogenannten Oberdorfes in unmittelbarer Nähe der Kapelle. 

Gleich im Anschluss an die Verlegung wurde dort 1585 die Barbarakapelle gebaut. Sie besaß wahrscheinlich die gleiche Größe wie die heutige Kapelle. Über den Baustil weiß man nichts. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass die Kapelle - wie auch das herrschaftliche Schloss im Dorfzentrum - bereits deutlich sichtbare Züge des Renaissance-Stils aufwies. 

Auch gibt es keine Unterlagen über die Ausstattung der Kapelle. Aufgrund der Wahl der Heiligen Barbara als Kapellenpatronin darf man vermuten, dass im  Chor ein Altar mit einer Figur oder einer Bildtafel der Heiligen Barbara gestanden hatte. 

 

Wer war der Bauherr der barocken Kapelle?

Bereits um 1700 brach man die baufällig gewordene Barbarakapelle ab. Es dauerte dann fast 40 Jahre, bis man einen Neubau ins Auge fasste. In der Zwischenzeit hatte es eine Reihe von herrschaftlichen Veränderungen in Donzdorf gegeben. Zwischen 1702 und 1704 kam es in unmittelbarer Umgebung von Donzdorf zu kriegerischen Auseinandersetzungen im Rahmen des Spanischen Erbfolgekrieges. Donzdorf war Auf- und Abmarschgebiet und hatte daher große finanzielle Belastungen zu tragen. 

Die wirtschaftliche prekäre Situation hielt weit über den bis 1715 andauernden Krieg an. Der Donzdorfer Obervogt Jehlin versuchte deshalb seit den 1720er Jahren durch die Investition in den Bau einer Schmelzhütte - nicht allzu weit von der Barbarakapelle entfernt - die schwierige Lage zu verbessern, scheiterte jedoch letztendlich.

Hinzu kam, dass der letzte Donzdorfer Herrschaftsinhaber aus der Linie Staufeneck im Jahre 1732 verstarb. Im Namen seiner Erbtöchter veräußerte Graf Paul Nikolaus Reich von Reichenstein 1735 den halben Rechbergschen Anteil der Herrschaft Donzdorf mit Gütern auf dem Scharfenberg und Wißgoldingen an Herzog Carl Alexander von Württemberg. 

Der Ritterkanton Kocher, zu dessen Organisation die Herrschaft Donzdorf gehörte, wandte sämtliche ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel an, um diesen Verkauf zu verhindern. Denn Güter unter der Organisation eines Ritterkantons durften nicht ohne dessen Genehmigung verkauft werden. Er klagte deshalb vor dem Kaiser in Wien und erhielt Recht. Schließlich sah sich der württembergische Herzog 1737 gezwungen, die Herrschaft Donzdorf zum Kaufpreis von 1735 an den Ritterkanton zu übergeben. 

Der Ritterkanton hatte im Zusammenspiel mit dem Vertreter der letzten, noch verbliebenen Rechbergschen Linie, Johann Bero von Rechberg-Weißenstein, die Rückgewinnung von Donzdorf für den Ritterkanton und damit letztendlich für die Familie Rechberg betrieben. Dies bedeutete, dass ab 1737 ein Obervogt des Ritterkantons Kocher die Verwaltung des rechbergischen Teils von Donzdorf erledigte. Diese Erkenntnisse ist wichtig, um die folgenden Vorgänge zu verstehen.   

 

Der Bau der barocken Barbarakapelle

Der Ritterkanton Kocher als Patronatsherr der Donzdorfer Pfarrei St. Martinus begann 1738 mit den Planungen für eine neue Kapelle - also genau ein Jahr nach Abschluss des gewonnenen Prozesses gegen Württemberg. Das Motiv für den Neubau einer seit nahezu 40 Jahren nicht mehr vorhandenen Kapelle liegt nicht direkt auf der Hand.

Schon im Dezember 1739 war der Bau abgeschlossen, teilweise finanziert durch einen Kredit der Kapellenverwaltung Unterweckerstell (vgl. Teil 6.5 - Unterweckerstell, Label Unterweckerstell). Die gesamten Bauarbeiten leitete der damalige Donzdorfer Obervogt des Kanton Kochers, Merz. Dieser wandte sich nach Abschluss der Bauarbeiten an ein nicht namentlich genanntes männliches Mitglied des Hauses Rechberg, um an die finanzielle Zusage für den Kapellenbau zu erinnern. Merz erwähnte dabei, dass noch eine Differenz von 100 Gulden ausgeglichen werden musste. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die gräfliche Familie Rechberg über den Bau der Kapelle bestens informiert war - zudem hatte ein Untertan der Rechbergischen Herrschaft Weißenstein die Arbeiten des Baumeisters übernommen. Die Weihe der neuen Kapelle erfolgte dennoch erst 1748, also zu einem Zeitpunkt, als Donzdorf sich bereits wieder drei Jahre in der Hand der Familie Rechberg-Illereichen-Weißenstein befand.

Der lange Zeitraum zwischen Fertigstellung und Weihe hing möglicherweise auch mit dem Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges von 1740-1748 zusammen. Der bayerische Kurfürst Karl Albrecht hatte die Thronfolge der Habsburgerin Maria Theresia nicht anerkannt und sich zum deutschen Kaiser krönen lassen. Diese Haltung führte zwangsläufig zum Krieg und letztlich zur Niederlage von Karl Albrecht. In seinem Heer hatten die beiden einzigen waffenfähigen Rechberg, Johann Bero von Rechberg-Weißenstein und seine jüngerer Bruder Franz Xaver Leo gekämpft.

Die Barbarakapelle in Donzdorf, 1739 - © GvT

Baumeister war der Weißensteiner Maurermeister Philipp Spengler. Er schuf einen für die damalige Zeit hochmodernen Bau. Statt der alten strengen Sakralarchitektur mit rechteckigem Kapellenraum und angefügtem gerundetem Chor schuf er anstelle des harten, kantigen Übergangs von Kapellenraum und Chor eine sanfte, gerundete Übergangsform. In diesen  Übergängen wurden Nischen für Altäre eingerichtet. 
 

Der Innenraum der Barbarakapelle - © GvT

Die Kapelle ist der Heiligen Barbara geweiht. Sie ist eine der 14 Nothelfer. Man ruft sie insbesondere in den letzten Sekunden des Lebens an. Die Hinwendung zu dieser Heiligen ist für einen Sterbenden dann von größter Bedeutung, wenn für ihn keine andere Möglichkeit mehr auf den Erhalt des Sterbesakraments besteht.  

 

Die Ausstattung der Kapelle 

Das Innere der Barbarakapelle ist heute in schlichter Einfachheit gehalten. Im Chor steht ein triumphierender Auferstehungschristus. Im Kapellenraum kann man gotische, der Ulmer Schule zuzuordnende Heiligenfiguren bewundern. Auf der linken Seite steht eine spätgotische Marienfigur, die ursprünglich Teil einer Kreuzigungsgruppe gewesen war. In der linken ‘Seitenaltar’-Nische befindet sich eine Maria Magdalena, die den Deckel eines Salbgefäßes in einer Hand hält, das Gefäß selbst ist nicht mehr erhalten. Der Maria Magdalena gegenüber befindet sich in der rechten Nische eine Madonna mit Kind aus dem Umfeld des berühmten Ulmer Bildhauers Hans Multscher aus der Zeit um 1470. Zuletzt steht ganz rechts eine Anna Selbdritt - die Großmutter Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Enkel Jesus.
Zwischen den gotischen Figuren sticht eine 1780 eigens eingebaute Mauernische auf der linken Seite ins Auge. Darin fand ein so genannter Schulterwundenheiland seinen Platz. Diese Darstellung der Leiden Christi geht auf eine Vision der Mystikerin Crescentia von Kaufbeuren (1703-1744) zurück, die der Irseer Pater Magnus Remy in bildliche Form umsetzte. Auf dem Umweg über den kurfürstlichen Hof in München gelangte diese Verehrung auch in Rechbergische Herrschaften - 1779 in die Wallfahrtskirche auf dem Hohenrechberg, 1780 hier in die Barbarakapelle in Donzdorf und in die Alte Gottesacker-Kapelle von Illereichen.

Der Crescentianischer Kerkerchristus von 1780 - © GvT

 

Das Außergewöhnliche an der Kapelle

So klein die Kapelle auch ist, so besitzt sie unter den barocken Kirchen und Kapellen im Landkreis Göppingen dennoch ein außergewöhnliches Merkmal. Vergleicht man die barocken Kirchengebäude, so findet man die typischen barocken Elemente im Bereich der Ausstattung, d.h. in Form von Stuckaturen, Gemälden oder Bildnissen. Die Architektur der Kirchengebäude folgt der traditionellen Weise mit einem rechteckigen Langhaus und einem gerundeten Chor. Die einzige Ausnahme von diesem Schema, die ich im Landkreis kenne, ist die Donzdorfer Barbarakapelle. 

Von außen betrachtet folgt sie dem traditionellen Architekturschema. Doch im Inneren hält sie eine Überraschung bereit. Am Übergang vom Hauptraum zum Chor finden sich zu beiden Seiten zwei oval ausgeformte Nischen, in denen die Seitenaltäre untergebracht waren. 

Diese ovale Form im Übergang vom Hauptraum zum Chor ist ein architektonisches Element, das in Rom bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeführt worden war. In Süddeutschland ist es vor allem Dominikus Zimmermann, der die Auflösung der traditionellen Raumstrukturen in kirchlichen Gebäuden vorantrieb - so 1728–1733 in der 'schönsten Dorfkirche der Welt' in Steinhausen, 1735–1740 in der Frauenkirche von Günzburg und 1745–1754 in der Wieskirche bei Steingaden. 

 

Die ganz eigene Führung des Lichts im Chorraum - © GvT

Der Weißensteiner Baumeister Philipp Spengler begnügte sich jedoch nicht nur mit der Nachahmung des Zimmermannschen Prinzips der Auflösung der alten Strukturen, sondern er nahm die neue ovale Gestaltungsform zu Hilfe, um somit die Aufmerksamkeit noch stärker auf den Chor zu lenken. Spengler verkleinerte mit Hilfe der ovalen Nischen den Choreingang. Auf diese Weise verschwinden für den Betrachter beinahe die beiden Chorseitenfenster. Hingegen reflektieren die eingezogenen Nischenmauern das Licht der Chorseitenfenster, so dass eine ganz eigene Atmosphäre im Chorraum entsteht.    

  

Quellen und Literatur

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 224 Bü 196 und A 164 Bü 28, 6

GRFAD, RA 4471 - Akte zur Barbarakapelle Donzdorf, 1738

Josef Rink, Familien Geschichte der Rechberg - Teil 5, Manuskript 1821

Heribert Hummel, Donzdorf - Die Kirchen der Stadt Donzdorf, Weißenhorn  1995

https://www.augsburger-allgemeine.de/illertissen/Erinnerung-an-die-Leiden-Christi-id24625926.html

 

 

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