Montag, 1. Januar 2018

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Teil 8: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Engel als Vermittler

Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg

Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg

© Gabriele von Trauchburg 


Teil 8: Prospero Brenno und seine stilistische Handschrift - Engel als Vermittler

Betritt man die Hohenrechberger Wallfahrtskirche, so fallen dem Betrachter schnell die zahllosen kleinen, sich überall tummelnden Putti, die lebensgroßen an der Decke schwebenden Engel, die musizienden Engel auf dem Hochaltar und die überlebensgroßen begleitenden Engel an den Seitenaltären auf. Es sind insgesamt 150 an der Zahl.   

Engel als dekorative Elemente sind häufig im Barock anzutreffen. In Hohenrechberg sind sie in allen Größen vertreten. Dennoch müssen die großen Engel des Prospero Brenno eine besondere Aussagekraft besitzen, wenn sie sogar - wie in Kloster Wettenhausen geschehen - als Beleg für die Arbeiten des Künstlers herangezogen werden.
Betrachtet man die großen Engel intensiv, dann stellt man fest, dass sie überwiegend die Funktion als Vermittler von Glaubensinhalten ausüben. Ihre Aufgabe können sie dadurch erfüllen, dass sie mit ihrer Körperhaltung, ihrer Gestik und ihren Blicken den Betrachter auf die gewünschten Punkte aufmerksam werden lassen.

Gianlorenzo Berninis Ideen - umgesetzt bei Prospero Brenno

Bernini hatte zu Beginn der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein neues Konzept für die Gestaltung von Altären entwickelt. Für ihn waren die Altarbilder nicht mehr nur einfaches Abbild der Glaubensinhalte, sondern sie präsentierten den Gläubigen ein religiöses Ereignis. Die für die entsprechende Darstellung zur Verfügung stehenden, durchaus klassischen Mittel waren vielfältig: unterschiedliche Materialien, die Bewegtheit von involvierten Figuren und die Erzeugung eines räumlichen Erlebnisses (s. Teil 10 - Theatrum Sacrum).
Bernini hatte zusätzlich die Idee entwickelt, Engel als Vermittler von Glaubensinhalten einzusetzen, indem er sie - unterstützt durch Mimik und Gestik - die Altarbilder präsentieren ließ. Diese künstlerische Neuentwicklung findet man besonders deutlich im linken Querhausaltar in Santa Maria del Popolo in Rom, wo der linke Engel von Berninis Mitarbeiter Antonio Raggi, der ebenfalls aus dem Tessin stammte, ausgeführt wurde.

Santa Maria del Popolo - linker Querhausaltar. Heilige Familie - linker Engel von Antonio Raggi, dem langjährigen Werkstattmitglied von Gianlorenzo Bernini, um 1660 - © Peter 1936F

Ein wahres Meisterwerk ist der von Gianlorenzo Bernini entworfene Hochaltar in Sant'Andrea al Quirinale. Wieder führte sein langjähriger Mitarbeiter Antonia Raggi die großen Engel aus.

Sant'Andrea al Quirinale, Hochaltar, 1662-1665 - © sailko
Stellt man diesen beiden Meisterwerken die Hohenrechberger Seitenaltäre gegenüber, so lassen sich doch auffallende Parallelen in der Gestaltung mit dem Altar im linken Querhaus von Santa Maria del Popolo festhalten.


Hohenrechberg, rechter Seitenaltar, 1689 - © GvT

© GvT
In Hohenrechberg waren die Platzverhältnisse bei der Gestaltung der Seitenaltäre aufgrund der architektonischen Verhältnisse stark beschränkt, dennoch gelang es Prospero Brenno das von Bernini entworfene und von Antonio Raggi ausgearbeitete Vorbild des Rahmenhaltenden Engel von Santa Maria del Popolo hier umzusetzen.
Beide Engel blicken direkt zum Betrachter hin und versuchen seine Blicke zu fesseln. 
© Peter 1936F


Das Prinzip, den Betrachter mit Hilfe der Augen auf einen zentralen Punkt hinzuleiten, ist auf eindrucksvolle Weise am linken Seitenaltar umgesetzt worden.

Hochrechberg, linker Seitenaltar, Zustand 2017 - © GvT

Deutlich kann man dem Blick der beiden Engel, die den Bildrahmen halten, folgen. Doch nur der rechte Engel blickt ins Zentrum des Gemäldes, der linke Engel scheint ins Leere zu blicken. Wenn man jedoch die Entwicklung des Altars berücksichtigt, dann erhält man ein völlig anderes Ergebnis.

© GvT

Aus den Heiligenrechnungen der Wallfahrtskirche Hohenrechberg geht hervor, dass der Schwäbisch Gmünder Maler Johann Georg Heberle sämtliche Gemälde für die neue Kirche anfertigen sollte. Seine Aufgabe war es, auf den Deckengemälden und auf den Altarblättern der Seitenaltäre Szenen aus dem Marienleben darzustellen. 
Die Gemälde von Heberle sind heute nicht mehr erhalten, wohl aber kennt man die Themen der Deckengemälde aus den Heiligenrechnungen - Mariä Empfängnis, Mariä Heimsuchung, die Geburt Christi. Auf dem Hochaltar steht das Gnadenbild, das Maria mit dem kleinen Jesus auf dem Schoß zeigt. Im Gemäldekanon fehlen also noch die beiden wichtigen Szenen von der Grablegung sowie der Himmelfahrt Mariens und ihrer Krönung zur Himmelskönigin.  
Wie die beiden letzten Szenen wohl ausgesehen haben, zeigt eine in das Jahr 1686 datierte Sepiazeichnung im Schwäbisch Gmünder Museum 'Prediger'. Sie stammt von Johann Georg Heberle. Sie passt sowohl von den Proportionen wie auch von der Thematik her exakt zur Neugestaltung von Hohenrechberg, wie die obige Fotomontage zeigt. 


© GvT

Dargestellt ist die Himmelfahrt Mariens nach dem Vorbild von Peter Paul Rubens. Die rot markierten Blickwinkel der beiden Engel, die den Bildrahmen halten, stimmt mit den beiden Bildschwerpunkten überein: der linke Engel schaut in den leeren Sarkophag, der rechte Engel verfolgt die Krönung Mariens im Himmel.

Vor allem in der Gestaltung des linken Seitenaltars in der Wallfahrtskirche von Hohenrechberg sind die Ideen von Gianlorenzo Bernini zur Gestaltung von Altären verwirklicht. Die entsprechenden Vorbilder sind in Rom zu finden und datieren in die 1660er Jahre. Diese Beobachtung lässt nun die Vermutung aufkommen, dass Prospero Brenno sich in den 1660er Jahren in Rom aufhielt und möglicherweise eine gewisse Zeit lang in der Werkstatt von Bernini arbeitete.
Diese Beobachtung mag auch die Grundlage dafür sein, dass der scheinbar bedeutungslose 'Wanderarbeiter' Prospero Brenno als leitender Stuckateur auf der Baustelle der Theatinerkirche in München arbeiten konnte.

Francesco Brenno und die Rahmenhaltenden Engel   

Ein weiteres Mitglied aus der Stuckateur- und Bildhauerfamilie Brenno nutzte ebenfalls Rahmenhaltende Engel, um die Zuschauer auf das dargestellte Heilsgeschehen aufmerksam zu machen. Für die Kajetanerkirche fertigte Francesco Brenno 1686 einen Entwurf, der mit dem Vertrag vom 20. November 1686 bestätigt wurde. 

© Mattana
 
Francesco Brennos Gestaltung der großen Engel am Hochaltar in der Salzburger Kajetanerkirche erinnert besonders an Berninis Hochaltar in Sant'Andrea al Quirinale. Auch der hier benutzte große Vorhang gehört zum Stilrepertoire von Bernini.


Quellen und Literatur

- GRFAD, Heiligenrechnungen von Hohenrechberg
- Felix Ackermann, Die Altäre des Gianlorenzo Bernini - das barocke Altarensemble im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, Petersberg 2007
- Gabriele von Trauchburg, Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg, Donzdorf 2016
- Gabriele von Trauchburg, Die Wallfahrtskapelle Hohenrechberg - Gemeinsamt für Gott, hier im Blog
- Ramharter, Johannes, "Weil der Altar altershalben unförmblich und paufellig ...": Rechtsfragen zur Ausstattung von Sakralbauten im Salzburger Raum, Wien u.a. 1996 - https://books.google.de/books?id=9GxXntJ0JBEC&pg=PA127&lpg=PA127&dq=Salzburg+Kajetanerkirche+Brenno&source=bl&ots=oQWtnsX262&sig=Z23oAshEQmYJhlMpTZxOEI7cqBs&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi_8Litx97XAhVNKuwKHYNzBtgQ6AEIUjAK#v=onepage&q=Salzburg%20Kajetanerkirche%20Brenno&f=false










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