Die Wallfahrtskirche Hohenrechberg
Der italienische Barock in der Wallfahrtskapelle Hohenrechberg© Gabriele von Trauchburg
Teil 11: Die Kanzel
Doppelte Kunst - Stuckateur und Bildhauer
Wir haben Prospero Brenno bisher als einen vielseitigen Stuckateur kennengelernt. Wir haben die Arbeitsweise in diesem Beruf im 17. Jahrhundert kennengelernt und dabei erfahren, dass ein Stuckateur auch über eine bildhauerische Ausbildung verfügen musste, wollte er eigenständig arbeiten (s. Teil 5).
Prospero Brenno hatte 1688 den Vertrag zur Errichtung der Altäre und der Kanzel erhalten. Aus diesem Grund ging man bisher davon aus, dass Prospero Brenno auch die aus Holz gearbeitete Kanzel angefertigt hatte. Ein Detail passt nicht in die bisherige Argumentation: Die Signatur am Kanzelfuß:
▴Signatur an der Kanzel der Wallfahrtskirche von Hohenrechberg - I▴ F▴ B ▴S ▴F ▴A 16▴89 - © GvT |
Diese Signatur lautet: I▴F▴B▴S▴F▴A 16▴89. Bisher dachte man wohl, dass der zweite Buchstabe der Signatur ein 'P' sein musste und vielleicht ein Stück ausgebrochen ist. Doch beim genauen Hinsehen erkennt man eindeutig, dass sowohl der 2. Buchstabe wie auch der 5. Buchstabe der Signatur zweifellos dieselben sind und ein 'F' darstellen. Somit heißt die neue Signatur in aufgelöster Form: I(ulio?) Francesco Brenno Salorino Fecit Anno 1689.
Wer war Francesco Brenno?
Die Familiengenealogie der Brenno ist verwirrend und deshalb nur schwer als Argumentationshilfe zu benutzen. Dennoch sollen hier die beiden Träger des Namens Franceso Brenno vorgestellt werden.Giulio Francesco Brenno (24.10.1667 - 22.5.1694)
Der in Salorino (Tessin, Ch) geborene Giulio Francesco Brenno war der Sohn von Prospero Brenno. Nach dem Tod seines Vaters arbeitet er bei seinem Onkel Giovanni Battista II. Brenno im Kloster Ebrach, wo er 1693 seine erste eigene Entlohnung erhielt. In diesem Kloster stuckierte er die Prälatenkapelle im nördlichen Abteiflügel und für die Decke des Lektorats, gleichzeitig werden ihm weitere Stuckaturarbeiten im «Neuen Bau» und der Johannesaltar in der Stiftskirche übertragen. Ein Jahr später verstarb er aufgrund einer langwierigen Krankheit. Es ist durchaus möglich, dass Giulio Francesco im Alter von 21 Jahren gemeinsam mit seinem Vater von 1688 bis 1689 in Hohenrechberg tätig war.
Francesco Brenno (1644 - 1696)
Der ebenfalls in Salorina geborene Francesco Brenno war der Sohn eines nicht weiter bekannten Giovanni Battista I. Brenno dargestellt. Francesco arbeitete 1678-80 an der Ausstattung der Domstiftskirche Herrenchiemsee, war vielleicht 1680 bei der Barockisierung des Chores der Franziskanerkirche Salzburg beteiligt, im Schloss Hohenaschau stuckierte Francesco unter der Bauleitung von Enrico Zucalli bis 1682. Anschließend arbeitete um 1685 in Moosdorf. Danach arbeitete Frencesco gemeinsam mit seinem Bruder Carlo Antonio in Salzburg, zuerst an der Kajetanerkirche und unter der Bauleitung von Giovanni Gaspare Zucalli an der St. Erhard-Kirche.
Der Wechsel auf dem Stuhl des Erzbischofs von Salzburg von Maximilian Gandoph Graf von Kuenburg hin zu Johann Ernst von Thun hatte tiefgreifende Auswirkungen auf Francesco Brenno: Thun entließ die italienischen Baumeister und Künstler, um deren künstlerische Vorherrschaft zu brechen. Die Brüder Francesco und Carlo Antonio prozessierten zwar gegen die Aufkündigung ihres Vertrages und konnten schließlich nach 1689 wenigstens noch St. Erhard zum Abschluss bringen, doch ihre Zeit in Salzburg war im Grunde genommen noch 1687 beendet. Der 44jährige Francesco Brenno hätte also genügend Zeit zur Verfügung gestanden, seine Arbeit in Hohenrechberg fortzusetzen.
Meiner Meinung nach kommt eher der 44jährige Francesco als Künstler der Hohenrechberger Kanzel in Frage, denn er verfügte über deutlich mehr bildnerische Erfahrung sein sein 21jähriger Neffe. Möglicherweise kommt Francesco Brenno auch als Künstler der beiden Beichtstühle in Frage, denn deren Bildhauer wird in den Heiligenrechnungen nicht genannt.
Der Aufbau der Kanzel
Der Aufbau der Kanzel steckt voller Symbolik. Es ist spannend, diese Schritt für Schritt aufzudecken.
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Der Kanzelboden
Der Boden ist als die Hälfte einer Perlmuschel geformt. Diese Muschel - die auch an der Spitze der Sitzwangen wiederkehrt - ist ein Mariensymbol. Der Muschelboden wird durch vier aus Lilienblüten bestehende Bänder untergliedert. Die Lilienblüten sind ein weiteres Mariensymbol.
Zwischen den Lilienbändern hängen große, üppige, feingliedrig ausgearbeitete Fruchtgirlanden (vgl. Teil 6).
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Die Kanzelbrüstung
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Von der Kanzel wird das Wort Gottes verkündet. Kein Wunder, dass man dort die vier Autoren des Evangelien findet (von links nach rechts):
- Lukas mit dem Stier
- Matthäus mit dem Menschen
- Markus mit dem Löwen
- Johannes mit dem Adler
Der sinnierende Evangelist Johannes, 1689 - © GvT |
Die Hohenrechberger Kanzel als Vorbild für die Kanzel in Deggingen
Offensichtlich beeindruckte die Hohenrechberger Kanzel die Zeitgenossen in der näheren Umgebung. Dies zeigt sich besonders in der Gestaltung der Kanzel von Heilig-Kreuz in Deggingen.
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Wie in Hohenrechberg wird der Boden der Kanzel von einer Muschelhälfte gebildet. Ebenso wird die Muschelhälfte durch Lilienbänder gegliedert. In den Räumen zwischen den Lilienbändern sind wie in Hohenrechberg üppige Fruchtgebinde angebracht.
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Wie in Hohenrechberg sind es Figuren, die auf dem Muschelrand sitzen. Anders als in Hohenrechberg handelt es sich hier jedoch nicht um die vier Evangelisten, sondern um die vier Kirchenväter. Anhand ihrer Attribute erkennt man:
- Papst Gregor den Großen
- den Heiligen Augustinus - Bischof von Hippo in Nordafrika
- den Heiligen Ambrosius - Bischof von Mailand und
- den Heiligen Hieronymus
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Der Schalldeckel in Deggingen verdient besondere Aufmerksamkeit. Er ist eine eigenständige Gestaltung, die die Elemente aus dem Kanzelkorb - Fruchtgirlanden, Akanthusblätter und kleine Putti - noch einmal aufnimmt und neu kombiniert.
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Die Rezeption der Hohenrechberger Kanzel in Heilig-Kreuz in Deggingen geht auf die bestehenden herrschaftlichen Verbindungen zurück. Gleich nach dem Verkauf der Herrschaft Wiesenstein an das Kurfürstentum Bayern in den 1660er Jahren, zu der damals auch Deggingen gehörte, belehnte der bayerische Kurfürst die Familie Rechberg mit der Ausübung der Herrschaftsgewalt. Dieses Herrschaftsverhältnis dauerte bis zur Säkularisierung 1806 an.
Quellen und Literatur
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Giulio_Francesco.htmlhttp://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Francesco.html
https://www.uibk.ac.at/aia/brenno_francesco.html
Ulrich Hägele, Weit über die Grenzen hinaus bekannt - Die Stuckateur- und Bildhauerfamilie Schweizer, in: Deggingen und Reichenbach im Täle - ein Heimatbuch, Deggingen 2011, S. 241-261
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