Montag, 1. Januar 2018

Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg - Teil 12: Die kunsthistorische Bedeutung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg

DIE WALLFAHRTSKIRCHE HOHENRECHBERG


Der italienische Barock in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg


© Dr. Gabriele von Trauchburg, Januar 2018

Teil 12: Die kunsthistorische Bedeutung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg


Bis dato ist Prospero Brenno nur einigen wenigen Kunstkennern ein Begriff. Man kennt seinen Herkunftsort und seine Familienverhältnisse. Doch schon bei der Identifizierung seiner Werke, deren Qualität und deren Umfang gehen die Meinungen doch erheblich auseinander, wie die einzelnen Kapitel dieser Untersuchung gezeigt haben. Deshalb greife ich noch einmal einzelne Punkte auf und stelle ihnen die neuen Erkenntnisse gegenüber:

Prospero Brenno - kein Wanderarbeiter, sondern ein Unternehmer

Auf einer Website, die sich mit dem süddeutschen Barock beschäftigt, wurde Brenno tatsächlich als Wanderarbeiter bezeichnet. Diese Aussage soll wohl suggerieren, dass er 1. an mehreren Orten sein Handwerk ausübte und 2. allein unterwegs war.
Wie im Laufe der Untersuchung deutlich wurde, ist die Bezeichnung 'Wanderarbeiter' im Zusammenhang mit Prospero Brenno irreführend. Schon bei seinem ersten Auftreten in Würzburg 1670 arbeitete er gemeinsam mit seinem Bruder an der Stuckierung eines Saales im dortigen Rathaus. Einem einfachen Wanderarbeiter hätte man diese prestigeträchtige Arbeit sicherlich nicht anvertraut. Was waren also die besonderen Vorzüge Brennos gegenüber den einheimischen Künstlern?

Sein nächster Wirkungsort war München - zuerst die Theatinerkirche und anschließend die kurbayerische Residenz (1673-75). Im ersten Jahr ihrer Ausgestaltung arbeitete er unter dem in Nürnberg tätigen Carlo Moretti Brentano. Dieser kehrte aber noch, als die Arbeiten in der Kirche voranschritten, nach Nürnberg zurück, um dort seine Arbeiten fortzusetzen, während Brenno weiterhin in München arbeitete. Vergleicht man die stilistische Handschrift der beiden Künstler, so kann man deutliche Unterschiede feststellen. Der von Brenno geschaffene Stuck ist leichter und stilistisch vielfältiger. Man gewinnt den Eindruck, dass Moretti gemeinsam mit Brenno die Gestaltung entworfen hatte, die Ausführung aber in erster Linie bei Brenno lag.
Die Qualität von Brennos Arbeit - sowohl im Entwurf, wie auch in der Ausführung - müssen dann die Grundlage für seine Abwerbung bei den Theatinern gewesen sein. Die Kurfürstin persönlich wollte ihn für die Ausgestaltung ihrer neuen Räume in der Residenz.

Für das Jahr 1688 ist Prospero Brenno für die Ausstattung der beiden Wallfahrtskirchen Weggental b. Rottenburg a. Neckar und für Hohenrechberg belegt. Ein einfacher Wanderarbeiter ist jedoch nicht in der Lage, gleichzeitig an zwei Orten zu arbeiten. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass er in beiden Fällen als Unternehmer auftrat, für beide Kirchen die Entwürfe lieferte, jedoch genügend potentielle  Mitarbeiter - seine Brüder, Söhne und Neffen - besaß, die die jeweiligen Arbeiten ausführten.

Prospero Brenno und der Salzburger Stuckateur PB

Beim  Anblick der ersten Fotos von der Annenkapelle in der Franziskanerkirche in Salzburg war ich wie vom Donner gerührt. Der Altar von 1680 wies die gleichen Engelkariathiden wie der Hochaltar der Wallfahrtskirche Hohenrechberg von 1689 auf. Die Signatur in Salzburg wird mit PB angegeben und mit Paolo Brenno übersetzt. In Hohenrechberg gibt es keine Signatur von Prospero Brenno.
Dennoch darf man davon ausgehen, dass hier ein und dieselbe Person am Werke war. Zum einen spricht die stilistische Übereinstimmung in Salzburg und Hohenrechberg dafür (s. Teil 7), und zum anderen haben die bisherigen genealogischen Untersuchungen nur einen einzigen Paolo Brenno nachweisen können - den Sohn von Prospero, der 1680 gerade einmal 7 Jahre alt gewesen war (s. Teil 2).   

Prospero Brenno und Gianlorenzo Bernini  

Über die Ausbildung und die frühen Arbeiten von Prospero Brenno ist nichts überliefert. Man weiß nur, dass er 1670 im Alter von 32 Jahren erstmals in Deutschland tätig ist. Zwei Jahre später gehört er zu den führenden Handwerkern beim Bau der Münchner Theatinerkirche, von wo er im Auftrag der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide abgeworben wird, damit er ihre neuen Räume in der Münchner Residenz gestaltet. 1680 begegnet PB - bisher als Paolo Brenno übersetzt - in der Franziskanerkirche in Salzburg, wo er im Auftrag des Erzbischofs eine Kapelle ausarbeitet und signiert. 1685-1687 begegnet man Prospero Brenno in Benediktbeuern bei der Ausgestaltung der dortigen Klosterkirche und später noch einmal bei der Gestaltung der Kapitelräume. 1688 und 1689 arbeitete Brenno auf dem Hohenrechberg und in Weggental. Es blieb bisher ein Rätsel, wie es Prospero Brenno gelang, die prestigeträchtigen Aufträge zuerst in Würzburg und dann in München und Salzburg zu erhalten.
Eine Erklärung hierfür liefert die erstmals vorgenommene Untersuchung zu Brennos Stil. Ausgangspunkt war die Frage, woher er seine Inspirationen bezogen hatte und wie er sie im Laufe der Zeit umsetzte. Möglich war dies aufgrund der Tatsache, dass Prospero Brenno in Hohenrechberg als alleiniger Handwerker auftrat. Auf diese Weise konnte seine stilistische Handschrift herausgearbeitet werden.
Und diese erbrachte erstaunliches zutage: Sowohl der Hauptaltar wie auch die beiden Seitenaltäre von Hohenrechberg wurden nach Gestaltungsprinzipien von Gianlorenzo Bernini gearbeitet. Zudem weisen die von Brenno in seine Entwürfe eingearbeiteten Engel deutliche Parallelen zu den von Bernini entworfenen und von seinem Werkstattmitarbeiter Antonio Raggi ausgeführten Engeln in Santa Maria del Popolo und Sant'Andrea al Quirinale auf. Gestaltungsprinzipien und Ausführung wurden in den 1660er Jahren entwickelt - also nicht lange bevor Prospero Brenno erstmals nach Deutschland kam und in Würzburg seinen ersten Auftrag erledigte (s. Teil 8).
Diese Beobachtungen rechtfertigen nun das Aufstellen der These, dass Prospero Brenno wohl über einen längeren Zeitraum hinweg in Rom gewesen war und mit großer Wahrscheinlichkeit in der Werkstatt des führenden Architekten und Bildhauers Gianlorenzo Bermini gearbeitet hatte.


Prospero Brenno und die kunsthistorische Bedeutung der Wallfahrtskirche Hohenrechberg 

In der Wallfahrtskirche Hohenrechberg konnte Prospero Brenno erstmals vollständig die Ideen von Gianlorenzo Bernini umsetzen. Zuerst entwarf er für die Wallfahrtskirche ein Gesamtkonzept das Innere. Sämtliche Elemente wurden aufeinander abgestimmt: Decken und Wände, Altäre, Sitzbänke und Beichtstühle. Alle Details entstanden im italienischen Barock. Der Hohenrechberger Barock ist einzigartig: er ist der älteste erhaltene Barock in weitem Umkreis und zudem direkt von Rom ausgehend geprägt.
Brenno gestaltete mit dem Hochaltar in Hohenrechberg das wohl älteste Theatrum Sacrum in Süddeutschland. Es entstand 30-40 Jahre vor den großen Heiligentheatern beispielsweise in der Klosterkirche Weltenburg (s. Teil 10).
Dadurch dass Prospero Brenno federführend bei der Ausstattung in Hohenrechberg arbeitete, entstand hier sein Hauptwerk, das gleichzeitig den Höhepunkt seinen eigenständigen Werkes darstellt.


Prospero Brenno und seine künstlerische Ausstrahlung auf die Region um Hohenrechberg 

Im Teil 10 - Das Theatrum Sacrum - ist es bereits angeklungen, dass die Arbeit von Prospero Brenno sich auf weitere Kirchengebäude in der Region auswirkte - so auf die Wallfahrtskirche Birenbach, die Pfarrkirche Winzingen und auf die Stadtpfarrkirche Lauterstein-Weißenstein.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Schwerpunkt, der allein aufgrund der stilistischen Übereinstimmungen Prospero Brenno und seinen Familienmitgliedern zugeschrieben werden muss: Der prachtvolle barocke Orgelprospekt der Heilig-Kreuz-Kirche in Schwäbisch Gmünd samt seinem alten Kirchengestühle. Offenbar brachte Brenno nicht nur nach Hohenrechberg, sondern auch nach Gmünd den italienischen Barock in seiner ganzen Fülle.

Orgelprospekt in der Heilig-Kreuz-Kirche Schwäbisch Gmünd, um 1688 - © GvT
 
 
 

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