Sonntag, 21. Mai 2017

Reformation im mittleren Filstal - Teil 6: Ein Erbstreit und seine Folgen für Salach

© Gabriele von Trauchburg, Mai 2017


Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gehörte die Dorfherrschaft wie auch das Patronat im Ort Salach den Herren von Rechberg-Staufeneck. Da die Familie Rechberg-Staufeneck kein Anhänger der Reformation gewesen war, kam es zunächst auch nicht zur Einführung der Reformation im Dorf.  Salach ist also eines derjenigen Dörfern im mittleren Filstal, die erst spät mit der Reformation in Berührung kamen. 

Der Erbstreit um Salach 

Im Jahre 1599 starb das letzte männliche Familienmitglied der Rechberg-Staufeneck, der siebenjährige Albrecht Hermann. Da die Herrschaft Staufeneck kein Bestandteil des unveräußerlichen Rechbergschen Familiengutes war, waren bei der anstehenden Erbteilung nun die weiblichen Mitglieder der Familie erbberechtigt. Und damit kommt es zu einer spannenden und folgenreichen Erbauseinandersetzung unter den Hinterbliebenen.
Die Tante von Albrecht Hermann, Maria Magdalena von Rechberg-Staufeneck (gestorben vor 1605), hatte sich mit ihrer Familie aufgrund einer in den Augen ihrer Eltern unstandesgemäßen Heirat 1558 mit Michael von Welden überworfen. Jetzt, nach dem Tod von Albrecht Hermann beanspruchte sie die Hälfte an der väterlichen Herrschaft.
Weil sie sich aber nur wenige Chancen auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche versprach, suchte sie sich einen starken Verbündeten - den protestantischen Herzog Friedrich I. von Württemberg (1557-1608). Der Herzog seinerseits erkaufte sich die Rechte der Maria Magdalena nur zu gern, lag die Herrschaft Staufeneck mit dem Hauptort Salach doch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landesgrenze bei Göppingen.

Württembergs Vordringen in Salach

Herzog Friedrich I. von Württemberg nutzte die gebotene Chance, seinen Machtbereich im mittleren Filstal weiter in Richtung Albaufstieg und Ulm auszuweiten. Vergeblich versuchte er dann auch noch sowohl Hohenrechberg als auch Staufeneck unter seine Herrschaft zu bringen, konnte in der Erbauseinandersetzung dann allerdings nur eine Hälfte des Dorfes Salach für sich gewinnen - die Mutter von Albrecht Hermann und Witwe von Konrad II. von Rechberg-Staufeneck, Gertrud Schutzbar von Burg-Milchling, konnte die zweite Hälfte für sich behaupten. 
Mit der Dorfherrschaft war auch das Patronatsrecht verbunden gewesen - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Pfarrei. Die Witwe war nicht in der Lage, bei diesem Recht ihren gleichberechtigten Anspruch durchzusetzen und musste mitansehen, wie am 23. Juli 1603 der damalige Priester Keller von Württemberg aus seinem Amt entfernt und ein halbes Jahr später David Börtlin als evangelischer Pfarrer in sein Amt eingeführt wurde. Trotzdem verblieb der Priester Keller noch weitere 32 Jahre lang in Salach.

Der Kampf um die Pfarrei Salach - politisch vereint, konfessionell getrennt

Im Jahre 1608 kaufte Georg von Freyberg zu Justingen und Öpfingen von Herzog Friedrich dessen Anteil an Salach. Dabei verpflichtete er sich, seinen Anteil an Salach bei der evangelischen Religion nach dem Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) zu belassen und ständig einen evangelischen Pfarrer im Dorf amtieren zu lassen. Herzog Friedrich gestand seinem Käufer damit nicht die im Augsburger Interim festgelegte Regelung zu, wonach der Dorfherr die Religion festlegte (cuius regio - eius religio).
Die spätromanische Margaretenkirche mit der Grablege der Herren von Rechberg-Staufeneck, Salach - © GvT

Georg von Freyberg erwarb zudem den 2. Salacher Dorfteil von der Rechberg-Witwe. Das bedeutet: Das Dorf Salach wurde politisch wieder zu einer Einheit, aber der Ort blieb von nun an konfessionell getrennt!!! 

Salach unter der Familie von Freyberg

Im Jahre 1631 erbte Anna Margaretha von Freyberg die Herrschaft Staufeneck mit samt Salach von ihrem Vater. Die weiteren Ereignisse in Salach standen dann in engem Zusammenhang mit denen des Herzogtums Württemberg.

Die Schlacht von Nördlingen 1634 und die Jesuiten im Württembergischen Amt Göppingen 

In der Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634 unterlagen die protestantischen Heere unter der Führung der Schweden den kaiserlichen Armeen und wurden zurückgeworfen. Dies hatte zur Folge, dass auch der damalige württembergische Herzog Eberhard III. nach Straßburg floh. Das entstandene Machtvakuum im Land wurde durch einen kaiserlichen Administrator, den Grafen Karl Ludwig Ernst von Sulz (1595-1648), ausgefüllt. Zu seinen Aufgaben gehörte die Durchsetzung des von Kaiser Ferdinand erlassenen Restitutionsediktes. Dieses 1629 erlassene Gesetz beinhaltete, dass der geistliche Besitz auf dem Stand von 1552 zurückgegeben werden musste. Einzelne Stiftskirchen wurden dabei dem Jesuitenorden überlassen, zu ihnen zählte auch das Göppinger Oberhofenstift.

Salach und die Jesuiten

Der Ehemann von Anna Margaretha von Freyberg, der Erbin der Herrschaft Staufeneck, war der kaiserlich-königliche Generalwachtmeister Wilhelm von Guyn (1603-1661). Als kaiserlicher Offizier wurde von ihm erwartet, dass er auch in seinen eigenen Herrschaften die kaiserliche Politik durchsetzte. Die Seelsorge der gesamten Salacher Bevölkerung übernahmen nun die aus Göppingen geholten Jesuiten. 

Der Jesuitenorden und einige seiner Erfolge in der Umgebung

Der Jesuitenorden verfolgte das Ziel, Protestanten wieder zur katholischen Religion zurückzubringen. Bei diesem Vorhaben konnte er durchaus auf spektakuläre Erfolge verweisen: Petrus Canisius erreichte in Augsburg, dass nach und nach alle protestantisch gewordenen Mitglieder der berühmten Fuggerfamilie wieder zum katholischen Glauben zurückfanden.
Auch im Filstal war Canisius erfolgreich. Nach mehreren Sitzungen mit dem Jesuitenpater kehrte der 1555 protestantisch gewordene Graf Ulrich XVII. von Helfenstein am 25. April 1567 wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurück.
Der mit 1555 einhergehende Bruch in der Ausstattung der Kirchen des oberen Filstales lässt sich bis heute sehr deutlich erkennen. Graf Ulrich von Helfenstein hatte gemäß den protestantischen Vorstellungen seine Patronatskirchen und Kapellen säubern und damit alle alten Altäre und Heiligenfiguren entfernen lassen. Daher finden sich äußerst selten Altäre oder Skulpturen aus vorreformatorischer Zeit in den Kirchen des oberen Filstales. Nach seiner Rückkehr zum katholischen Glauben mussten die nunmehr wieder katholischen Kirchen neu ausgestattet werden.

Das Salacher Simultaneum

Im Westfälischen Frieden von 1648 war die Wiederherstellung Württembergs festgeschrieben worden und so konnte sein Herzog Eberhard III. wieder nach Stuttgart zurückkehren. In den kommenden Jahren suchte dieser nun die während des Krieges vorgenommenen Veränderungen wieder auf die Basis vor seiner Vertreibung zurückzuführen.
Deshalb kam es in Salach ab 1650 zu einigen Auseinandersetzungen, denn Wilhelm von Guyn war noch immer der Salacher Dorfherr und hatte kein Interesse daran, dass Württemberg sich erneut in seine Dorfangelegenheiten einmischte. Er verbot seinen evangelisch gebliebenen Untertanen den Besuch benachbarter protestantischer Gottesdienste und ersetzte nach dem Weggang der Jesuiten in Göppingen die Pfarrei in Salach durch einen Kapuziner. Den von Württemberg verordneten evangelischen Pfarrer Deckinger aus Ulm ließ er nicht ins Dorf. In der Folge kamen württembergische Beamten von Göppingen am 8. September 1650 mit bewaffneter Mannschaft nach Salach, öffneten die Kirche und führten Deckinger in sein Amt ein. Aber kaum waren sie abgezogen, so ließ Guyn Pfarrer Deckinger durch 'einige starke ledige Gesellen' über die Markung hinausführen. Am 15. Oktober wurde Deckinger in Salach erneut in sein Amt eingesetzt, aber schon am andern Tage wieder mit Gewalt aus dem Territorium hinaus geschleppt. Deshalb wurde zu seinem Schutz am 19. Oktober ein Kommando von 20 Musketieren nach Salach verlegt, das erst aufgrund der Versicherung von Guyn, den evangelischen Gottesdienst künftig zu gestatten, am 29. November 1650 wieder abgezogen wurde.Am 29. August 1655 kam es schließlich zu einem Vergleich zwischen Württemberg und Guyn. Aufgrund dessen wurde  im Ort das Simultaneum, d.h. das gleichberechtigte Nebeneinander beider Religionen, eingeführt. Laut diesem Vertrag wurde die katholische Pfarrei nicht wieder besetzt. Statt dessen wurden die Einwohner in die Pfarrei in Klein-Süßen eingegliedert. Dort verblieben sie mit  Ausnahme zwischen 1772—1775 bis zum 13. Oktober 1798, als erstmals die katholische Pfarrei Salach wieder besetzt wurde. Die evangelische Pfarrei im Ort hingegen wurde wiederbesetzt. Anfangs lebte der Pfarrer im Dorf und dann außerhalb des Ortes auf der Burg Staufeneck. Zur Versorgung der beiden Pfarrer diente der traditionelle Zehnt. Davon erhielt der evangelische die Hälfte des großen, den gesamten kleinen und lebenden Zehnt der evangelischen Bewohner, der katholische Geistliche erhielt die andere Hälfte von den katholischen Dorfeinwohnern.
Während des Simultaneums, also bis zur Einweihung der katholischen Kirche St. Margarete anfangs des 20. Jahrhunderts, nutzten beide Konfessionen die alte gotische Margarethen-Kirche.

Quellen und Literatur

- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 90 Bü 1994 - Streit Georg Ludwigs von Freyberg mit Gertrud Gräfin zu Löwenstein, Witwe Konrads VI.. von Rechberg-Staufeneck und Geborener Schutzbar von Burgmilchling über den Besitz der Burg Staufeneck und den halben Teil des Dorfes Salach, 1604-1610
- Oberamtsbeschreibung Göppingen, S. 276-282 - https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_G%C3%B6ppingen/Kapitel_B_29
- Die Kirchen in Salach, hrsg. v. der evangelischen Kirchengemeinde Salach und der katholischen Kirchengemeinde Salach, Salach 2006
- Christina Riese, ... jedoch daneben die Catholische Religion nach und nach fruchtbarlich eingefiert würde. Kriegserfahrung, landesfürstliche Politik und Religiositätals Eckpunkte kommunalen Lebens in Göppingen zwischen 1634 und 1648, in: Hohenstaufen/Helfenstein 17, 2007, S. 83-118

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