Dienstag, 12. Februar 2019

Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 9.3: Der Stifter der Nenninger Pietà

© Gabriele von Trauchburg


Den Auftrag für die heute weltberühmte Pietà des bayerischen Hofbildhauers Franz Ignaz Günther hatte der damalige Nenninger Dorf- und Patronatsherr, Freiherr Maximilian Emanuel von Rechberg erteilt, der in München der bayerischen Kurfürstin Anna Maria Sophie als Oberhofmeister diente.


Franz Ignaz Günther, Nenninger Pietà, 1774 - © GvT

Maximilian Emanuel von Rechberg als Mäzen und Auftraggeber

Maximilian Emanuel von Rechberg, geboren 1736 in München ist der Auftraggeber und Stifter der Nenninger Pietà des Franz Ignaz Günther. Maximilian Emanuel war der Sohn von Johann Bero von Rechberg-Kellmünz-Osterberg und dessen Ehefrau Maria Theresia von Lösch-Hilgertshausen. Sein Vater war Oberst bei der bayerischen Kavallerie, seine Mutter war Obersthofmeisterin in München. Schon allein diese beiden Hinweise genügen, um zu erkennen, dass Maximilian Emanuel wohl mehr Bindungen nach Bayern hatte, als man das hier im Lautertal zunächst vermuten würde.
Die Familie lebte während des Winters in München und im Sommer in Weißenstein. Die Erklärung dafür ist einfach. Politik wurde nur von Oktober bis März oder April gemacht, im Sommer reisten die Hofmitglieder auf ihre Güter und überwachten die Arbeiten auf den Feldern - der daraus erwirtschaftete Ertrag war die notwendige Basis für das Leben im Winter am Hof.
Das Jahr 1745 war ein Schicksalsjahr für den damals 9jährigen Maximilian Emanuel. Er  verlor im gleichen Jahr seinen Vater und seinen älteren Bruder Bernhard.
Entsprechend den Familiengesetzen war nicht Maximilian Emanuel der Erbe seines Vaters, sondern sein Onkel Franz Xaver Leo, der jüngere Bruder seines Vaters. Dieser wurde nun Oberhaupt der Familie Rechberg und übernahm die Herrschaften Hohenrechberg und Weißenstein am Fuße der Schwäbischen Alb sowie Kellmünz, und Osterberg im Bereich des Illertals zwischen Ulm und Memmingen. Maximilian Emanuels Mutter, Theresia, und ihre Kinder wurden deshalb nur mit Geld abgefunden.
Doch Theresia scheint eine energische, weitsichtige und tatkräftige Frau gewesen sein. Mit der Abfindung und ihrem eigenen Vermögen erwarb sie die damals württembergische Hälfte von Donzdorf und sorgte auf diese Weise dafür, dass Maximilian Emanuel seine väterliche Heimat nicht vergaß und statt dessen sich langsam darauf vorbereiten konnte, hier als Erwachsener einmal die Herrschaft zu übernehmen.

Schloss Donzdorf - © GvT
Maximilian Emanuel wuchs überwiegend in München auf, wo er auch seine erste Ausbildung erhielt, dann studierte er Rechtswissenschaften in Ingolstadt, wo er mit Auszeichnung abschloss. Anschließend reiste er mit einem Erzieher durch Europa, studierte in Straßburg ein Semester lang Diplomatie und lernte Kunst und Kultur an den führenden Höfen in den Niederlande, Belgien und in Paris kennen. Danach bewarb er sich am Münchner Hof und auch dort bestand er die geforderte Aufnahmeprüfung.
Maximilian Emanuel war ein gutaussehender junger Mann, der auch noch über ein beträchtliches Vermögen verfügen konnte. Nach dem Tod seiner Großtante Maria Adelheid von Törring-Seefeld 1747 erhielt er das Erbe seines Großonkels Gaudenz von Rechberg. Er war also das, was man eine gute Partie nannte. Am 17. Oktober 1764 heiratete er Walburga Freifrau von Sandizell. Sie stammte aus einer ebenfalls eng mit dem Münchner Hof verbundenen Adelsfamilie.  
Der Alltag von Maximilian Emanuel von Rechberg, seiner Ehefrau Walburga und seiner Familie läßt sich gut verfolgen. Im Laufe der Jahre erblickten 15 Kinder das Licht der Welt, von denen 11 das Erwachsenenalter erreichten. Die Wintermonate verbrachte man in München. Dort arbeitete Maximilian Emanuel in verschiedenen Positionen innerhalb der Hofverwaltung. Schließlich wurde er oberster Verwalter der Kurfürstin Anna Sophie.

Herrschaftsübernahme in Weißenstein und Nenningen

Seine juristischen Kenntnisse wandte Maximilian Emanuel schon bald in seinen Herrschaften an - zuerst in der Herrschaft Donzdorf, die er seit 1764 regierte. Nach dem Tod seines Onkels Franz Xaver Leo von Rechberg im Dezember 1768 übernahm Maximilian Emanuel die Regierung der übrigen rechbergischen Herrschaften.
Ihm gehörten nun die Stammburg Hohenrechberg mit dem zugehörigen Besitz, die Weißensteiner Herrschaften, die nach dem Tod seines Vaters an den Onkel gefallen waren - also Kellmünz und Osterberg im Illertal und Weißenstein mit Nenningen, Degenfeld und Böhmenkirch im Lautertal und schließlich der 1745 zurückgekaufte halbe Teil von Donzdorf - die andere Hälfte gehörte der damals in Winzingen ansässigen Familie Bubenhofen.
Maximilian Emanuel ging seine neuen Aufgaben mit Elan an. Er organisierte die Verwaltung nach den neuesten Erkenntnissen und schuf für seine Untertanen die Möglichkeit, alte Lehen - eine Art Pacht - durch Kauf in privates Eigentum umzuwandeln. Ebenso brachte er die Handwerkerordnungen auf den neuesten Stand. Bildung war ein ganz wichtiges Thema für ihn. Zusammen mit seinem Vertrauten, dem Pfarrer und späteren Dekan Joseph Rink machte er sich daran, das Schulwesen neu zu organisieren.

Maximilian Emanuel und sein Verhältnis zur katholischen Kirche

Aufgrund der bisherigen Beschreibung der Person Maximilian Emanuel von Rechberg erkennt man keinen hinreichenden Grund, eine Pietà zu stiften. Der ergibt sich erst aus der Tatsache, dass Maximilian Emanuel von Rechberg als Herrschaftsinhaber auch die Rechte und Pflichten eines Patronatsherrn innehatte. Dabei beschäftigte sich Maximilian Emanuel mit Fragen der katholischen Kirche im allgemeinen ebenso, wie mit den Sorgen und Problemen der ihm zugehörigen Pfarreien im besonderen.
Die notwendigen Fähigkeiten besaß er als ausgebildeter Jurist beider Rechte, d.h. er hat weltliches Recht ebenso studiert, wie kirchliches. Durch seine Kenntnisse im kirchlichen Recht wurde er beispielsweise vom bayerischen Hof mehrfach beauftragt, die Wahl des Freisinger und Regensburger Bischofs zu beobachten und für den vom Hof favorisierten Kandidaten Werbung zu machen.
Privat unterhielt Maximilian Emanuel zahlreiche Kontakte zu Geistlichen - in München und in verschiedenen bayerischen Klöstern. In seiner Eigenschaft als Obersthofmeister der Kurfürstin-Witwe, d.h. er war deren oberster Verwalter, reiste er häufig mit ihr zum Augsburger Bischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen, ihrem Bruder.

Maximilian Emanuel und seine Patronatspfarreien

Er beschäftigte sich intensiv mit den Bewerbungsschreiben der Kandidaten in seinen Pfarreien und pflegte einen engen Briefkontakt mit seinen Pfarrern. In seinen Sommerurlauben lud er sie häufig ins Donzdorfer Schloß ein oder besuchte sie in ihren Pfarrhöfen und brachte bei dieser Gelegenheit meistens eine Spende mit.
Zusammen mit seinen Pfarrern verbesserte er bzw. richtete er die Volksschulen in seinen Herrschaften ein. Er informierte sich über die neuesten Lehrmethoden und gab entsprechende Informationen an seine Pfarrer weiter. Für die besten Schüler gab es am Schuljahresende Preise.  Und die fleißigsten Schüler konnten auf Stipendien hoffen. So finanzierte er einem jungen Mann aus Weißenstein ein Medizin-Studium und die Einrichtung einer Praxis. Weiter ließ er Hebammen ausbilden. Weiterbildung in Tiermedizin wurde ebenfalls von ihm bezahlt, so dass seine Herrschaften mit fähigen Männern und Frauen ausgestattet waren.
Diejenigen Männer, die sich für eine Karriere als Priester entschieden hatten, unterstützte er ebenfalls mit Stipendien. Mehrere studierten an der bayerischen Universität Ingolstadt und berichteten regelmäßig über ihre Lernerfolge. Alles in allem war Maximilian Emanuel immer am Puls der Zeit und versuchte, die besten Voraussetzungen für seine Herrschaften zu schaffen.
Zu seinen Aufgaben als Patronatsherr gehörte auch die Baupflicht - d.h. er leistete damals seinen Beitrag zum Unterhalt derjenigen Kirchen und Pfarrhöfe, die unter seinem Patronat standen. Aus diesem Grunde finden sich zahlreiche Belege für Renovierungen von Pfarrhöfen und Kirchen im Gräflich Rechbergschen Archiv - beispielsweise für den Nenninger Pfarrhofe und die Donzdorfer Martinskirche.

Maximilian Emanuel und sein Verhältnis zur Nenninger Pfarrei

In einem Zeitraum von 90 Jahren war die Pfarrei Nenningen unbesetzt geblieben. Im Jahre 1768 traten dann die Vertreter der Bürgerschaft im Ort an Maximilian Emanuel mit der Bitte heran, erneut eine Pfarrei in Nenningen einzurichten. Maximilian Emanuel griff den Antrag auf, man begann mit dem Neubau des Pfarrhofes im Herbst 1768, und Maximilian Emanuel verabschiedete am 30. Januar 1769 in Absprache mit dem Bistum Konstanz einen Stiftungsvertrag über die Einrichtung der Pfarrei Nenningen. Anschließend präsentierte er Sebastian Kübler als neuen Pfarrer.
Nenningen ist nicht die einzige Pfarrei, die von Maximilian Emanuel gegründet wurde. Die nächste war die Pfarrei Hohenrechberg. Die Verhandlungen zu deren Gründung hatten noch unter seinem Onkel Franz Xaver Leo begonnen, doch Maximilian Emanuel brachte sie 1772 zum Abschluss. 

Maximilian Emanuel, der Kunstkenner und Mäzen

Doch wie war es dem Stifter gelungen, an den schon zu Lebzeiten renommierte Künstler Ignaz Günther heranzutreten und diesen für die Schaffung einer überlebensgroßen Pietà-Gruppe zu gewinnen? Von Maximilian Emanuel weiß man, daß er ein Kenner der damaligen - modern gesprochen - Münchner Kulturszene gewesen war. Kultur in sämtlichen Varianten und kulturelles Engagement gehörte so selbstverständlich wie Essen und Trinken zum alltäglichen Leben von Männern und Frauen, die in gehobenen gesellschaftlichen Positionen standen. Dazu zählten nicht nur Adelige, sondern auch Bürgerliche.
Für Maximilian Emanuel war die Kenntnis der Kulturszene von besonderer Bedeutung. Als Obersthofmeister der bayerischen Kurfürstin gehörte es zu seinen Aufgaben, die Kurfürstin über neue Strömungen in der Kunst und über neue Talente, die sich bei Hofe vorstellten, zu informieren.
Maximilian Emanuel profitierte von diesem Wissen auch in privater Hinsicht. Er selbst war weniger den bildenden Künsten als der Musik zugetan. Er war ein profunder Kenner der Rokokomusik und kannte namhafte Künstler persönlich. Er förderte sie beispielsweise dadurch, daß er Musikkompositionen in Auftrag gab oder sich Abschriften von Musikstücken bei den Künstlern direkt bestellte. Auf diese Weise wissen wir, daß Maximilian Emanuel Leopold Mozart und seinen Wolfgang persönlich gekannt und sein Sohn Aloys später bei Leopold Mozart in Salzburg Klavierunterricht erhalten hatte. Aber er belohnte auch weniger bekannte Musiker - seien es die durch das Lautertal fahrenden Musiker, die im Donzdorfer Schloß auftraten, oder die Musiker vor Ort.
Die beruflich wichtigen Kontakte zu Künstlern aller Kunstgattungen nutzte Maximilian Emanuel auch für seine persönlichen Zwecke, was außerdem bei Hofe gern gesehen wurde. So ließ sich beispielsweise Maximilian Emanuel und seine Frau Walburga wohl anlässlich ihrer Eheschließung von dem großen Porträtmaler am bayerischen Hof, Georges Demarée, porträtieren.
Des weiteren beauftrage Maximilian Emanuel auch für die Ausstattung seines Donzdorfer Schlosses und seines Gartens namhafte auswärtige Künstler und örtliche Kunsthandwerker. Auf diese Weise entstand im Lautertal ein differenziertes Handwerk, das sich bis heute fortsetzt. Kunst wurde damals als ein Bedürfnis betrachtet, das den Menschen zugute kam. Die Kosten dafür erachtete man nicht - wie oftmals heutzutage - als rausgeschmissenes Geld.
Für seinen Donzdorfer Garten ließ Maximilian Emanuel mehrere Entwürfe anfertigen, u.a. von dem Rokoko-Spezialisten in München, François Cuvillier d.Ä. Man vermutet zudem, dass Handwerker von Cuvillier bei der Rokoko-Ausstattung des Donzdorfer Schlosses mitgearbeitet haben. Nebenbei bemerkt: Cuvillier war der Architekt und Ausstatter des gleichnamigen Münchner Theaters, in dem Maximilian Emanuel eine eigene Loge besessen hatte und das vor kurzem nach einer langen Renovierungsphase wiedereröffnet hat.

Der Künstler Franz Ignaz Günther und die Verwandtschaft Maximilian Emanuels

Und jetzt stellen wir uns einmal folgende Situation vor: Maximilian Emanuel steht vor der Entscheidung, eine Skulptur für seine Nenninger Kapelle kaufen zu wollen. Für welchen Künstler sollte er sich entscheiden? Was würden Sie in einer derartigen Situation machen? Sie würden sich im Verwandten- und Freudeskreis umhören!
Maximilian Emanuel von Rechberg muss schon früh auf den noch sehr jungen Franz Ignaz Günther aufmerksam geworden sein. Günther war in dem Ort Altmannstein im Altmühltal aufgewachsen. Dieser Ort war der Fürstin Portia, eine Tante von Maximilian Emanuels Ehefrau Walburga, im Jahre 1731 vom damaligen Kurfürsten Karl Albrecht geschenkt worden. Als sich die herausragenden Talente des jungen Mann zeigten, vermittelte sie oder ihr Mann, Fürst Portia, die Kontakte zum damals führenden Münchner Bildhauer, Johann Baptist Straub. Dieser stammte aus der bayerischen Exklave Wiesensteig, die von der Familie Rechberg verwaltet wurde. Sowohl Straub, als auch Günther erledigten während ihrer künstlerischen Karrieren zahlreiche Aufträge für die eng miteinander verwandten Adelsfamilien Rechberg, Portia, Preysing, Törring-Seefeld und Törring-Jettenbach. Auffallend ist jedenfalls: Maximilian Emanuel hatte einen Schwager - August Joseph von Törring-Jettenbach (1728-1802), der mit einer Schwester von seiner Ehefrau Walburga verheiratet war. Dieser Schwager ließ seit 1768 die Pfarrkirche in München-Bogenhausen von zwei Künstlern - Franz Ignaz Günther und Joh. Baptist Straub - mit Skulpturen ausstatten - und war offenbar hoch zufrieden.
Wenn wir uns noch weiter umblicken, dann erfahren wir, dass einer der engsten Freunde von Maximilian Emanuel, ein Graf LaRosée, schon 1772 ein Werk bei Franz Ignaz Günther bestellt hatte. Und schließlich weiß man, daß Franz Ignaz Günther 1771-1772 zwei Grabmäler für den Reichsgrafen Johann Carl von Preysing in Ingolstadt geschaffen hatte. Und welch ein Zufall: dieser Graf Preysing war mit Maria Josepha von Rechberg, einer Cousine von Maximilian Emanuel verheiratet. Und dann ist noch etwas anderes bekannt: François Cuvillier d.Ä. hatte einen starken Einfluß auf das Schaffen und auf die Aufträge von Franz Ignaz Günther.
Es gab also genügend Fürsprecher für Franz Ignaz Günther bei Maximilian Emanuel. Zudem lag die Werkstatt von Günther nur wenige hundert Meter von Maximilian Emanuels Münchner Wohnhaus entfernt.
Aus all diesen kleinen Puzzle-Teilen ergibt sich also das Bild, dass durch die vielen direkten oder indirekten Empfehlungen und Beziehungen Maximilian Emanuel in Ignaz Günther den besten Künstler vor sein Vorhaben gefunden hat.


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