Montag, 7. Januar 2019

Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 2: Die drei Kapellen in St. Martinus Donzdorf

© Gabriele von Trauchburg


In die Donzdorfer Pfarrkirche St. Martinus sind insgesamt drei Kapellen integriert. Die beiden älteren Kapellen sind die Gruftkapelle des gräflichen Hauses Rechberg im linken Seitenarm der Kirche und die Taufkapelle im rechten. Die jüngste Kapelle ist die Antoniuskapelle, die man jetzt durch die Gruftkapelle betrittt. Der Grundriss der Donzdorfer Pfarrkirche St. Martinus geht in die Zeit um 1490 zurück. 

Die Marien- oder Gruftkapelle

Auf der linken Seite in St. Martinus befindet sich die Gruftkapelle der Grafen von Rechberg mit mehreren gotischen Epitaphien. Diese Gruftkapelle war ursprünglich eine Marienkapelle. Sie wird  1525 in einem Testament erwähnt. 
Die Gruftkapelle erfuhr im 19. Jahrhundert eine vollständige Veränderung, als sie im neogotischen Stil umgestaltet wurde. Anhand einer alten Postkarte lässt sich erkennen, dass das Programm des Altares sich mit Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Kleinkindern beschäftigte. Der rechte, vollständig erkennbare Altarflügel enthält eine Kopie des ehemaligen Hürbelsbacher linken Altarflügels und zeigt die sogenannte Heimsuchung Mariens - die schwangere Maria besucht ihre ältere ebenfalls schwangere Cousine Elisabeth in deren Haus (vgl. Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 4.5: Hürbelsbach, nach 1493 - Die leere Grabkapelle braucht einen Altar

Blick in die ehemalige Taufkapelle und auf deren Altar, vor 1938 - © GvT

Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die gräfliche Familie begonnen, alte Epitaphien (Gedenksteine) aus anderen Kirchen der Umgebung hierher zu bringen, um sie vor den Veränderungen der Napoleonischen Zeit und den damit einher gehenden Umgestaltungen von Kirchen zu schützen. Auf diese Weise erhielt die Gruftkapelle eine der beeindruckendsten Bronzedarstellungen eines Ritters in voller Rüstung aus der Zeit zwischen 1493 und 1496, die ursprünglich in der Hürbelsbacher Kapelle ihren Bestimmungsort gehabt hatte (Der Donzdorfer Kapellenweg - Teil 4.4: Hürbelsbach 1493-96 - Von der Pfarrkirche zur Grabkapelle). 
An der Ostwand der Kapelle sind heute die spätgotischen Figuren des Heiligen Georgs, Christophorus und Sebastian angebracht, die zuvor in der gegenüberliegenden Sebastianskapelle ihren Standort gehabt hatten. 
Epitaph des Ritters Ulrich II. von Rechberg-Hohenrechberg-Heuchlingen, zwischen 1493-1496 - © GvT

Die Sebastians- oder Taufkapelle 

Die heutige Taufkapelle im rechten Seitenarm war ursprünglich eine dem heiligen Sebastian, dem Pestheiligen, gewidmete Kapelle. Hier beteten die Gläubigen für Kranke und für gesundes Vieh. Die ursprünglich sicherlich in dieser Kapelle in einem Altar plazierte Sebastiansfigur befindet sich gegenwärtig in der gegenüberliegenden Gruftkapelle.  
Heiliger Sebastian - jetzt in der Gruftkapelle - © GvT
1987 wurde die ehemalige Sebastianskapelle in eine Taufkapelle umgewandelt und neu gestaltet. Den bereits 1944 geschaffenen Taufstein des Bildhauers Karl Deibele (1869-1953) mit seinem getriebenen Kupferdeckel von Anton Kuttler, beide aus Schwäbisch Gmünd, brachte man aus der Antoniuskapelle in die rechte Seitenkapelle. 
An der Ostwand der Kapelle arrangierte man 1987 eine Kreuzgruppe. Das spätgotische Kruzifix erhielt die beiden barocken Assistenzfiguren Maria und Johannes. Diese Gruppe hatte zuvor die alte Gruftkapelle geschmückt.


Die Antoniuskapelle 

Vor 1901 gab es eine im Freien gelegene Ölbergkapelle zwischen Turm und dem linken Seitenarm der Pfarrkirche St. Martinus - ähnlich wie an der Süßener St. Ulrichskirche. Häufig dienten Ölbergkapellen oder Ölbergdarstellungen den Pilgern auf dem Jakobsweg als Ort der Verehrung. Donzdorf war vermutlich Teil einer kleineren Verbindung des Jakobsweges von Schwäbisch Gmünd über Winzingen, wo es heute noch eine Jakobus-Statue in der Kirche hat, und Donzdorf weiter über die Steige nach Geislingen und dann nach Ulm.  


Ölbergkapelle hinter einem Gitter -
Postkarte von St. Martinus Donzdorf vor 1901 - © T. Knop

















1903 schloss die Kirchengemeinde die Baulücke zwischen Turm und Seitenarm und richtete die nur von außen zugängliche Ölbergkapelle ein. Bei der Renovierung von St. Martinus 1938 wandelte man die Ölberg- in eine Taufkapelle um. 
Die Rückwand der Kapelle besitzt eine Nische, in der der Heilige Antonius von Padua vor dem Christuskind kniet. Der Münchner Bildhauer Anselm Sickinger, der auch den Hochaltar und die Assistenzfiguren am Altar in Grünbach gefertigt hatte, hatte diese Figurengruppe 1858 geschaffen. Die Verkleidung der Rückwand mit vergoldeten Messingplatten, verziert durch versilberte Blumen und brennende Herzen ist eine Arbeit des Schwäbisch Gmünder Goldschmieds Johannes Grimminger.  
  
Antoniuskapelle in St. Martinus, Donzdorf - © GvT

Die neuen Fenster schuf Emil Gaisser (aus Rottweil?). Bei den beiden Fenstern dominieren die Farben Rot für den Heiligen Geist und Blau für das Wasser. Sie stehen damit für Reinheit und Freiheit. 
Diese Konzeption ist an sich nicht spektakulär und findet sich in zahlreichen anderen Kirchen auch. Spektakulär wird sie jedoch vor dem Hintergrund ihrer Entstehung in der Zeit des Nationalsozialismus. Der damalige Pfarrer Altmann und die gesamte Kirchengemeinde setzten mit dieser Konzeption - und auch noch an anderer Stelle in der Kirche, wie beispielsweise dem West-Portal - ein wichtiges Zeichen, neudeutsch: ein Statement. Kirche und Religion stehen für Reinheit und Freiheit - im Gegensatz zum herrschenden Regime mit seiner Überwachung, Unterdrückung und der Tötung von Gegnern. Und man halte sich vor Augen: Die Renovierung von St. Martinus ging in genau dem Jahre vor sich, an dessen Ende die Reichsprogromnacht stattfand. Später kam dieser ausdrückliche Widerstand gegen das NS-Regime noch einmal zum Ausdruck, als 1944 der Taufstein geschaffen wurde. Die den Taufstein tragenden Löwen wollte der Schwäbisch Gmünder Bildhauer Karl Deibele als die heidnisch-natürlichen Menschen mit ihren Leidenschaften verstanden wissen. Diese Menschen konnten erst durch die Taufe zu Christen werden. In dieser Interpretation kann man wiederum deutlich die Kritik am damals herrschenden Regime erkennen. 


Die Verlegung der Taufkapelle in die ehemalige Sebastianskapelle erfolgte 1987. Die Antoniuskapelle wurde nun zum Ort des stillen Gebets. Der Kapellenpatron Antonius von Padua ist Schutzpatron für viele Menschen. Er hilft bei der Partnersuche, schützt Frauen, Kinder, Liebende, die Ehe und Arme und begleitet beim Altwerden. Große Hilfe ist er auch im Wiederauffinden verlorener Gegenstände. Kein Wunder, dass diese Kapelle gerne von Gläubigen für ihr stilles Gebet genutzt wird.


Quellen und Literatur

Heimatbuch Donzdorf, hrsg. v. der Stadt Donzdorf, Donzdorf 1976
Heribert Hummel, Donzdorf - Die Kirchen der Stadt Donzdorf (Kirchenführer), Weißenhorn 1995
https://de.wikipedia.org/wiki/Anselm_Sickinger
https://remszeitung.de/2010/6/10/Aufbruch-in-die-Moderne-Silber-aus-Schwabisch-Gmund-ein-opulenter-Uberblick-uber-das-Schaffen-des-20-Jahrhunderts/



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Geschichte(n) von Gingen/Fils - Teil 1.3: Die erste bekannte Gingener Dorfherrschaft: Königin Kunigunde

© Gabriele von Trauchburg Als zweite Frau möchte ich Ihnen die deutsche Königin Kunigunde vorstellen. Sie ist diejenige Königin, die ih...