Nach dem Ende der Napoleonischen Zeit im Jahre 1815 waren alle finanziellen Strukturen zusammengebrochen, das Land von den überbordenen Finanzlasten des Krieges ruiniert. Der Staat konnte sich nur dadurch über Wasser halten, dass er das Vermögen von Hochstiften, Klöstern und Reichsstädten 1803 einzog und für die eigenen Bedürfnisse ausgab. Dasselbe geschah mit den kleinen und mittleren autonomen Herrschaften 1806.
Die Vermögen von Pfarreien und Kapellen wurden erst nach 1810 beschnitten. Die rund 250 Jahre gängige Praxis des Geldverleihs durch Kapellenverwaltungen wurde untersagt und ihnen damit ihre finanzielle Unabhängigkeit und ihr Gestaltungsfreiraum vollständig genommen. Gleichzeitig bedeutete dies, dass der Geldverkehr erheblich beeinträchtig und damit vor allem die ländliche Ökonomie empfindlich getroffen wurde. Die kulturelle Vielfalt in Kunst und Handwerk brach vollkommen zusammen.
Die Neogotik
Daher ist es kein Wunder, dass die erste große Renovierung der Grünbacher Kapelle erst wieder nach 100 Jahre stattfand. Die barocke Ausstattung wurde dabei völlig entfernt. Statt dessen hielt die Neogotik Einzug.Die Leitung der Umbauarbeiten von 1886/87 lag beim Donzdorfer Baumeister Johannes Kehrer. In der Grünbacher Kapelle ließ er ein weiteres Fenster auf der Nordseite durchbrechen und die restlichen rundbogig erweitern. Wände und Decken wurden von dem Maler und Illustrator Ludwig Traub (1844-1898 in Göppingen) gestaltet, der im Jahr davor den Laurentius-Zyklus in Hürbelsbach gemalt hatte.
1889 kam ein neuer Altar nach Grünbach, den der Kleinsüßener Schreiner Staudenmaier angefertigt hatte. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt könnte die Statue des Kapellenpatrons, St. Peter (Foto s. Teil 10.2: Grünbach - St. Peter: Eine Kapelle für Badende? (Label: Grünbach)), in die Kapelle gekommen sein.
Die neogotische Stilphase fand 1894 ihren Abschluss, als die bis dahin barocke Turmkuppel zugunsten eines neuen Spitzhelms von L. Mohn aus Donzdorf entfernt wurde.
Turm von St. Peter in Grünbach - © GvT |
Die Wiederentdeckung der gotischen Fresken
Bei der Sanierung von 1966/67 entfernte man die neogotischen Elemente aus der Kapelle. Bei der Renovierung der Wände konnte man die lange überdeckten gotischen Wandmalereien wieder zutage fördern. Über ihre kulturelle Bedeutung habe ich bereits in Teil 2 der Geschichte der Grünbacher Kapelle gesprochen.Das Kielbogenportal von St. Peter in Grünbach - © GvT |
Das heutige Erscheinungsbild der Kapelle St. Peter in Grünbach
Heute betritt der Besucher die Kapelle durch das schmale Kielbogenportal auf der Südseite. Und sein Blick fällt zuerst auf den Zyklus der Passionsgeschichte Jesu auf der Nordseite. Dann gleitet der Blick weiter zum Altar im Chor.Die Figurengruppe am Altar umfasst drei Figuren - das Kruzifix aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und die beiden Assistenzfiguren der Muttergottes und des Apostels Johannes. Die beiden letztgenannten Figuren schuf einer der besten bayerischen Bildhauer des 19. Jahrhunderts, Anselm Sickinger. Sie waren bis 1938 Bestandteil des Hochaltars in St. Martinus Donzdorf, wie man aus einem Foto von 1927 erkennen kann.
Anselm Sickinger, Apostel Johannes - © GvT |
Der Heilige Laurentius kommt ursprünglich aus der Kapelle Hürbelsbach. Aus Sicherheitsgründen wurde er in den 1980er Jahren in die St. Peter-Kapelle gebracht, in Hürbelsbach hingegen befindet sich nur noch seine Kopie.
Die Heiligen Bernhard und Cyriakus gehörten möglicherweise zur ursprünglichen Ausstattung der Kapelle von 1492, denn sie werden in diese Zeit datiert. Ebenso kann ihr Bedeutung für die Gläubigen als wichtiges Indiz für ihre Zugehörigkeit gelten. Der Heilige Bernhard wurde von den Menschen bei medizinischen Problemen um Hilfe angerufen (vgl. in diesem Blog: Die barocke Wallfahrt auf dem Bernhardus - Teil 2: Der Heilige Bernhard vollbringt Wunder). Der Heilige Cyriakus mit dem gefangen genommenen Teufel galt als Beistand bei Versuchung und bösen Geistern, bei Besessenheit und Anfechtungen in der Todesstunde angerufen. Thematisch ergänzen also beide Heilige die Einrichtung eines Wildbades.
Heiliger Cyriakus - © GvT |
Beim Verlassen der Kapelle fällt der Blick des Betrachters noch auf die kleinen Statuen der 12 Apostel vom Ende d. 19. Jahrhunderts.
Quellen und Literatur
Heimatbuch Donzdorf, hrsg. v. Stadt Donzdorf, Donzdorf 1976http://karl-may-wiki.de/index.php/Ludwig_Traub
https://de.wikipedia.org/wiki/Anselm_Sickinger
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen