Donnerstag, 22. März 2018


Die barocke Wallfahrt auf dem Bernhardus 

Teil 8: Die Bernhardus-Wallfahrt als Retterin einer Pfarrei

© Gabriele von Trauchburg



Um das letzte Kapitel der barocken Wallfahrt auf den Bernhardus zu verstehen, müssen wir jetzt einen Sprung auf den rund 10 Kilometer Luftlinie entfernten Hohenrechberg machen.

Am 6. April 1798 berichtete der Hohenrechbergische Obervogt Schabel voller Empörung von  einem eigenmächtigen Handeln des dortigen Pfarrers Grupp, der eine Sammlung für die Verschönerung der Altäre in der Kirche auf dem Hohenrechberg veranstaltet hatte. Der Obervogt kritisierte diese Aktion vor allem deshalb, weil die Untertanen von Hohenrechberg durch die lange angedauerte Kriegserleidnisse (= französische Revolutionskriege) und andere Unfälle tiefest (finanziell) erschöpft und von schweren Schulden (durch die Betragsforderungen der Kriegsparteien) gedruckt sind ... und kümmerlich ihren nothdürftigen LebensUnterhalt gewinnen können.


Die Maßnahme des Pfarrers hatte jedoch einen ernsten Hintergrund, der in die Gründungszeit der Pfarrei zurückreicht. Mitte der 1760er Jahre hatten sich die Bewohner von Rechberg mit der Bitte, in einer eigenen Pfarrei zusammengefasst zu werden, an das Bistum Konstanz gewandt. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörten sie nach wie vor zur Pfarrei Waldstetten. Der Waldstetter Patronatsherr, die Fürstpropstei Ellwangen, lehnte die Forderungen der Rechberger rundweg ab.
Dennoch leitete das Bistum Konstanz ein Prüfungsverfahren ein, in dem die Argumente beider Seiten zu Papier gebracht wurden. Vor allem beklagten die Bewohner Rechbergs, dass sie den beschwerlichen, sehr steilen Weg nach Waldstetten im Winter kaum bewältigen konnten - Taufen für Rechberger Säuglinge konnten nur im Sommer vollzogen werden.
Im ersten Entscheid vom 16. Juni 1767 sprach sich Konstanz für die Gründung einer eigenen Pfarrei aus. Ellwangen lehnte jedoch weiterhin ab und brachte den Fall vor das Erzbistum Mainz. Am 12. Oktober 1771 schließlich fällte Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim (1707-1774) seine Entscheidung zugunsten der Gläubigen von Rechberg.
Die anschließenden Verhandlungen um die Versorgung der künftigen Pfarrer auf dem Hohenrechberg konnten im November 1772 zwischen dem Bistum Konstanz und Maximilian Emanuel von Rechberg abgeschlossen werden. Der Gründungsvertrag der neuen Pfarrei auf dem Hohenrechberg wurde am 7. April 1773 vom Konstanzer Bischof ratifiziert. Der Stiftungsvertrag enthielt eine Klausel, die in jedem Fall die Sicherung des Einkommens für den Pfarrer gewährleistete. Für den schlimmsten Fall verpflichtete sich das Haus Rechberg als Patronatsherr, Einkommenseinbußen des Stelleninhabers auszugleichen.
Die Notwendigkeit, aber auch die Problematik dieser Klausel trat bereits kaum drei Jahrzehnte später in der Napoleonischen Zeit offen zutage. Wie die Bevölkerung in seinen Herrschaften besaß Maximilian Emanuel von Rechberg in dieser von ständigem Krieg und von zahllosen Truppendurchmärschen geprägten Zeit keine Einnahmen mehr aus seiner gleichnamigen Herrschaft - diese Gelder wurden wechselweise von den Kriegsparteien Frankreich und Österreich eingezogen und für ihre Kriegsführung verwendet.
Nur sein Einkommen als bayerischer Hofbeamter schützte Maximilian Emanuel von Rechberg vor dem Bankrott. Aus diesem Grunde hatte Rechberg wohl seinen Pfarrer angehalten, die Wallfahrt zu fördern. Doch scheinen die eingeleiteten Maßnahme nicht die gewünschte Wirkung hervorgebracht zu haben.

Neue Ideen brauchte die Pfarrorganisation
Die allgemeine politische Entwicklung mit ihren besonderen Auswirkungen auf die Pfarrei Rechberg zwang den Herrschaftsinhaber, über eine neue Möglichkeit der Finanzierung der von ihm gestifteten Pfarrei nachzudenken. Der findige Jurist Maximilian Emanuel von Rechberg sah die einzige Möglichkeit, der Pfarrei zusätzlich Geldmittel zu beschaffen, in der Suche nach unabhängig von den Einnahmen seiner Herrschaften bestehenden Einnahmen.
Daher stellte Maximilian Emanuel von Rechberg seit dem Jahre 1802 Überlegungen zur Übertragung des Gründungskapitals für das Benefiziums der Wallfahrt zum Heiligen Bernhard nach Hohenrechberg an. Mit diesem Benefizium war keine Pfarrei verbunden; die Seelsorge bezog sich allein auf die Pilger, die - wenn man sie zum Hohenrechberg umleitete - dort ebenfalls betreut wurden und dadurch gleichzeitig auch noch die Pfarrei Hohenrechberg unterstützen konnten.
Aus diesen Überlegungen heraus wandte sich Maximilian Emanuel von Rechberg im Mai 1806 an den Konstanzer Bischof. In seinem Schreiben bat er diesen, die arme Pfarrei Hohenrechberg dadurch unter die Arme zu greifen, dass er den Stiftungsfond der Bernhardus-Wallfahrt auf den Hohenrechberg übertragen würde. Seinen Schritt begründete Maximilian Emanuel geschickt damit, dass angeblich immer wieder der Vorwurf laut geworden war, dass der Andachtsort auf dem Spitzkopf zu weit von der Zivilisation entfernt sei und sich deshalb dort so manche Unsichtlichkeit zutrage. Ähnliche Vorwürfe finden sich ab den 1780er Jahren bei anderen entlegenen Wallfahrtsorten zuhauf, als man unter dem Einfluß der Aufklärungsphilosophie diese Einwände nutzte und innerhalb der katholischen Kirche gegen die teils ausufernden Formen der Volksreligiosität vorging, zahlreiche Wallfahrten einstellte und kleine Kapellen abriss.
Auf den ersten Blick mutet hier eine ähnliche Entwicklung auch für die Wallfahrt zum Heiligen Bernhard auf dem Bernhardus-Berg an. Die Verlegung geschah jedoch ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Voraussetzungen - doch wie heute auch: man muss die richtige Begründung liefern, um das zu erhalten, was man bekommen möchte.  

Proteste gegen die Aufhebung der Wallfahrt auf dem Bernhardus
Die Anstrengungen zur Verlegung der Wallfahrt blieben in der Region rund um den Bernhardus nicht unbemerkt. Mehrere Briefe an die Herrschaft enthielten scharfen Protest gegen das geplante Vorhaben. Doch sie konnten die Entwicklung letztendlich nicht aufhalten.

Die Verlegung der Wallfahrt vom Bernhardus nach Hohenrechberg 
Maximilian Emanuel von Rechberg erhielt die erforderliche Genehmigung zur Verlegung der Wallfahrt und konnte im Oktober 1806 die geplanten Veränderungen zugunsten der Pfarrei Hohenrechberg vollziehen lassen. Dem Hohenrechberger Pfarrer wurde damals aufgetragen, möglichst bei diesem Vorgang auf dem Bernhardus anwesend sein und sich eventuell einfindenden Menschen den Zweck dieser Übertragung erklären. In der Hohenrechberger Pfarrkirche sollte dann mit dem Einverständnis des Pfarrers die Statue des Heiligen auf einem Seitenaltar aufgestellt werden, und dieser dann künftig als St. Bernhardsaltar bezeichnet werden.

Gedenktafel von 1906. Sie erinnert an die Translation der Bernhardus-Wallfahrt vom Bernhardus nach Hohenrechberg - auf dem Bild zu sehen: die nach alten Plänen stilisierte barocke Wallfahrtskirche - © GvT

Der gesamte Vorgang wurde von einem bischöflichen Beauftragten überwacht. Anfang Oktober  (direkt nach dem 6. Oktober) nahm dieser die kleine wundertätige Statue des Heiligen Bernhard an sich und brachte sie anschließend in die Pfarrkirche nach Hohenrechberg. Dann kehrte er wieder auf den Bernhardus zurück und verschloss zusammen mit einem rechbergischen Beamten die Wallfahrtskapelle. Der bis dahin bei der Wallfahrt tätige Benifiziat sollte nach dem Willen des Maximilian Emanuel von Rechberg eine Pension und eine Wohnung in Weißenstein erhalten.



Das hier geschilderte Vorgehen zeigt, dass Rechberg zu demselben Mittel griff, die auch das Deutsche Reich in den Jahren 1802 und 1803 angewandte: Man hatte damals die Besitzungen der Kirche zugunsten des Staates eingezogen und die kirchlichen Würdenträger mit Pensionen abgefunden. Dieses Verfahren hatte nun auch Maximilian Emanuel von Rechberg angewandt - der große Unterschied dabei ist allerdings folgender: Während die Machthaber innerhalb des Deutschen Reiches das Kirchenvermögen und die Herrschaft über die kirchlichen Güter für sich selbst in Anspruch nahmen, übergab Maximilian Emanuel von Rechberg das Vermögen der Bernhardus-Wallfahrt wieder an die Kirche - hier: an die Pfarrei Hohenrechberg, um endgültig die in den 1790er Jahren aufgetretene Lücke in der Finanzierung dieser Pfarrei zu schließen.

Quellen und Literatur
GRFAD - einschlägige Quellen zur Wallfahrt auf dem Bernhardus
Gabriele von Trauchburg - Lauterstein. Der Kirchenführer, Lauterstein 2015
Gabriele von Trauchburg - Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Schönen Maria auf dem Hohenrechberg, Kirchenführer, Rechberg 2016  

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