Die barocke Wallfahrt auf dem Bernhardus - Teil 3: Aufbau und Organisation einer Wallfahrt
© Gabriele von Trauchburg
Man fragt sich unwillkürlich, weshalb der damalige Inhaber der Herrschaft Weißenstein, Graf Gaudenz von Rechberg, sich so sehr für die am Bernhardus geschehenen Wunder interessierte, dass er die Bereitschaft und das Engagement für die Errichtung einer Wallfahrt entwickelte.
Die Herrschaft Weißenstein und die Anfänge der Wallfahrt
Machen wir jetzt einen Zeitsprung in das Jahr 1720. Der Spanische Erbfolgekrieg war seit fünf Jahren beendet. Die Bayern hatten zwar keine nennenswerten territoriale Verluste erlitten, doch die lange Kriegsführung hatte ihre wirtschaftlichen Spuren hinterlassen.Warum erwähne ich Bayern - ganz einfach: die Mitglieder der Familie Rechberg gehörten als Hofbeamte in den höchsten Rängen zur Elite am Münchner Hof. Und hier tritt besonders Graf Gaudenz von Rechberg-Weißenstein (1664-1735) hervor. Gemäß den Familiengesetzen hatte er als Senior der Familie 1719 die rechbergischen Herrschaften Weißenstein und Kellmünz geerbt.
Graf Gaudenz von Rechberg-Weißenstein (1664-1735) war ein beeindruckender Herrschaftsinhaber gewesen. Am Ende seines Lebens konnte er auf eine steile Karriere zurückblicken. Er hatte seine Laufbahn als kurkölnischer und bayerischer Kammerherr begonnen, wurde dann in Bayern Geheimer Rath, Obersthofmarschall, Hofkriegsratspräsident (= Verteidigungsminister), General-Feldmarschall-Leutenant (= höchster ausführender Militärbefehlshaber), Kommandant sämtlicher kurbayerischen Truppen, Kommandant der Hauptstadt München und Pfleger (= Verwaltungschef) der Hofmarken Weilheim, Mattighofen und Wöhrt (b. Erding).
Verheiratet war er mit der 4 Jahre jüngeren Gräfin Maria Adelheid Ludovica (1668-1748). Sie stammte aus der hochadeligen, einflussreichen und begüterten Familie der Grafen von Toerring-Seefeld. Sie war die Tante der beiden wichtigsten bayerischen Minister in der Zeit des Kurfürsten Maximilian Emanuel. Das Paar hatte 9 Kinder.
Das Interesse des Grafen Gaudenz von Rechberg an den Wundern
Sie haben gerade eben gelesen, welch beachtliche berufliche Karriere Graf Gaudenz am bayerischen Hof in München machen konnte. Auf die meisten seiner Zeitgenossen musste er wie ein beneidenswerter Mann wirken.Und dennoch hatte ihn das Schicksal schwer getroffen. Er war der Vater von 9 Kindern. Sieben von ihnen starben im Zeitraum zwischen 1692 und 1708 jeweils im Alter zwischen 2 Monaten und 10 Jahren. Sein ältester Sohn starb 1715 vermutlich an einer Typhus- oder Cholerainfektion während seiner Kavalierstour in Paris. Seine jüngste Tochter starb 1721 im Alter von 21 Jahren im Kindbett. Alle Todesfälle hatten eines gemeinsam: Die Kunst der Ärzte war damals noch nicht soweit entwickelt, dass sie hätte helfen können. Hilfe aus dem Glauben war die einzige Hoffnung - und der Heilige Bernhard bot nun genau diese Hilfe in der eigenen Herrschaft.
Wie organisiert man eine Wallfahrt - die Infrastruktur, der Einzugsbereich
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich Graf Gaudenz nach dem Bekanntwerden der Wundertätigkeit an der Kapelle auf dem Spitzkopf an das Bistum Konstanz mit der Bitte um die Genehmigung für das Abhalten von Gottesdiensten bei der Kapelle wandte.Das Jahre 1727 gilt als der Beginn der Bernhardus-Wallfahrt. Die Genehmigung für Gottesdienste wurde am 24. Juli 1728 erteilt. Ab diesem Zeitpunkt konnten nun mit Zustimmung des Konstanzer Weihbischofs Sirgenstein Heilige Messen in der Kapelle an einem tragbaren Altar gefeiert werden. Doch damit gab sich der Herrschaftsinhaber noch nicht zufrieden. Graf Gaudenz konnte beobachten, wie immer mehr Menschen auf den Bernhardus zu den Gottesdiensten kamen - sogar im Winter!! - und von immer neuen Wundern berichtet wurde. So beschloss der Graf, eine Wallfahrtskirche auf dem Spitzkopf zu errichten. Doch dafür mussten zuerst mehrere Voraussetzungen gegeben sein.
1. Die notwendigen Nachweise für die Wundertätigkeit
Die Diözese Konstanz verlangte schriftliche und bestätigte Nachweise für die auf dem Spitzkopf geschehenen Wunder. Diese waren mehreren Personen aus der katholischen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd widerfahren. Diese sollten nun im Zuge des Genehmigungsverfahrens befragt und die schriftlichen Ergebnisse nach Konstanz übermittelt werden.
Von vier Personen sind die Wunder im Detail überliefert. Ein junger Mann aus Schwäbisch Gmünd litt an einer schmerzhaften Entzündung in seinen stark angeschwollenen Genitalien. Bewusst pilgerte er auf den Bernhardus, um zu beten. Als dabei seine Schmerzen unerträglich geworden waren, konnte er nicht mehr widerstehen und kratzte sich an der Entzündung. Die Haut platzte auf, der Eiter floss ab und die Hautlappen konnten später Ärzten entfernt werden. Alle Zeitgenossen führten die Heilung der Entzündung auf die Hilfe des Heiligen Bernhard zurück.
Ein weiterer Geheilter war ein Soldat, der zuvor in Ungarn gekämpft hatte. Die Verletzung, die er sich zugezogen hatte, stammte allerdings nicht aus einem heldenhaften Kampf, sondern er hat sie sich beim Stehlen von Kirschen zugezogen. Er war auf einen Baum geklettert, hatte einen besonders ertragreichen Ast mit dem Säbel abgeschlagen und beim Herunterklettern fiel dieser Mann vom Baum. Doch hatte er sich bei dieser Aktion nicht etwa einen Knochenbruch zugezogen, nein - er verlor seine Stimme. Er war fortan nicht mehr in der Lage zu sprechen. Er wurde aus dem Dienst entlassen und nach Hause geschickt. Über seine in der Region lebende Schwester hörte der Soldat von den Wundern auf dem Bernhardus, pilgerte hierher, betete und war fortan wieder in der Lage zu sprechen.
Der wohl prominenteste Geheilte war der Prälat des Klosters Kaisheim. Er musste starke Schmerzen in seinem Bein ertragen und stand Todesängste aus. In seiner Not gelobte er eine Wallfahrt zum Bernhardus für den Fall seiner Genesung. Und es ging dem Prälaten schlagartig besser. Die Schmerzen verschwanden fast vollständig. Als man sein krankes Bein mit einem Bildnis, das zuvor mit der Bernhardus-Figur in Berührung gekommen war, berührte, verschwanden die Schmerzen vollständig. Anfang April 1729 löste der Prälat sein Gelübde ein, kam auf den Bernhardus und machte eine großzügige Spende im Umfang von rund 250 Gulden.
Die genannten Fälle genügten zunächst jedoch noch nicht für die Begründung einer Wallfahrt. Aus diesem Grunde sollten weitere geheilte Personen befragt werden. Sie wohnten ebenfalls in der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd. Man wandte sich an den Magistrat der Stadt, doch der machte dem Vorhaben zunächst einen Strich durch die Rechnung. Seine Mitglieder wollten die Angelegenheit einfach aussitzen, gehörte man doch nicht zur Diözese Konstanz (Bernhardusberg), sondern zu Augsburg.
Als am Ende des Jahre 1729 noch immer keine schriftlich fixierten Nachweise vorlagen, wandte sich Graf Gaudenz zu Beginn des Jahres 1730 an den Augsburger Generalvikar Freiherr von Vöhlin mit der Bitte um Amtshilfe . Dieser beauftragte eigens einen Geistlichen, der die Befragung vornahm und bis Mitte Januar 1730 abschloss. Nun lag der bischöflichen Genehmigung nichts mehr im Wege.
2. Der Fundations- oder Stiftungsbrief
Der Stiftungsbrief für die Wallfahrt auf dem Bernhardus ist in lateinischer Sprache verfasst. Darin sind Graf Gaudenz und seine Frau Adelheid als Stifter der Wallfahrt auf den Bernhardus genannt.
Sie begnügten sich nicht nur, als Stifter genannt zu werden, sondern finanzierten zum überwiegenden Teil das neue Kirchengebäude sowie einen Benefiziaten, der dort den Pilgern zur Verfügung stand.
3. Die Finanzierung des Kirchenbaus
Die Wunder vom Bernhardus hatten sich schnell in der Region herumgesprochen. Dehalb strömten die Menschen von allen Seiten auf den Berg, in der Hoffnung auf ein Wunder auch für sich. Sie opferten hohe Summen, die allesamt für den Kirchbau verwendet werden sollten - und die Einnahmen flossen in beachtlicher Höhe.
In den Jahren 1729 bis 1733 kamen insgesamt ca. 1500 Gulden an Spenden zusammen. Den Rest - ca. 6500 Gulden übernahmen Graf Gaudenz und Gräfin Maria Adelheid aus eigenen Mitteln.
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