Mit der Herauslösung Hürbelsbachs aus dem Gingener Herrschaftsverband war auch gleichzeitig die Abtrennung von der Gingener Pfarrei verbunden gewesen. Das bedeutete ab 1106 konkret, dass die Bewohner von Hürbelsbach ohne geistlichen Beistand beim Gottesdienst, bei Heiraten, bei Taufen und bei Sterbefälle waren. Für die Menschen des Mittelalters war dies die schlimmste Vorstellung überhaupt. Deshalb besaß die Gründung der Pfarrei, sobald die Siedlung Hürbelsbach Bestandteil des neu gegründeten Klosters in Langenau 1125 oder spätestens 1143 in Anhausen gewesen war, für die Mönche des jungen Klosters oberste Priorität.
Die Existenz der Pfarrei bezeugt erstmals 1275 ein Zehntregister des Bistums Konstanz. Über den Umfang der neuen Pfarrei schweigen die Quellen zunächst. Erst 1464 und 1493 wird deutlich, dass zur Pfarrei Hürbelsbach ursprünglich auch die Siedlung Kleinsüßen mit ihrer Marienkapelle gehört hatte. Dieser Zusammenhang legt die Vermutung nahe, dass auch diese Siedlung ursprünglich einen Teil des Gingener Herrschaftsbereichs bildete.
Der Heilige Laurentius als Kirchenpatron von Hürbelsbach
Laurentius (dt. Lorenz) war bei Papst Sixtus II. (257-258) in Rom Erzdiakon gewesen. Der Legende nach verteilte er Kirchenvermögen an Arme, als die Enteignung der frühchristlichen Kirche durch die römische Staatsmacht drohte.Zur Strafe wurde Laurentius gefoltert: man schlug ihn mit lebenden Skorpionen und drückte ihm glühende Eisenplatten auf die Hand. Beide Foltermethoden konnten Laurentius nichts anhaben, statt dessen traten mehrere Soldaten zum Christentum über. Dies verärgerte die römische Staatsmacht noch mehr, und sie ließ Laurentius deshalb auf einen glühenden Eisenrost legen und verbrennen. Er verstarb am 10. August 258.
Ausschnitt aus dem Zyklus zur Laurentius-Legende, Hürbelsbach - Ludwig Traub, 1884 - © GvT |
Heiliger Laurentius, um 1500 - © GvT |
Kloster Anhausen als Patronatsherr von Hürbelsbach
Bis zur Auflösung der Pfarrei Hürbelsbach 1493 hatte das Kloster Anhausen das Patronat inne. Zu den Aufgaben eines Patronatsherren gehörte Errichtung, Ausstattung und Unterhalt der Kirche sowie der Wohnung des Pfarrers.Ein Ausstattungsgegenstand der Kirche muss das bis heute erhaltene romanische Vortragekreuz gewesen sein, das in der Literatur als staufisches oder schwäbisches Vortragekreuz bezeichnet wird. Dieses Vortragekreuz aus Bronze wird in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert und ist in seinem Erscheinungsbild einmalig. Es ist wohl eine Stiftung aus dem Umfeld der Pfalzgrafen oder Grafen von Dillingen, denn das junge Kloster Anhausen hatte sich eine derartige Arbeit wahrscheinlich nicht leisten können.
Replik des Hürbelsbacher Vortragekreuzes - © GvT |
Während des gesamten 15. Jahrhunderts scheint das Bistum Konstanz die Aufgaben eines Patronatsherrn übernommen zu haben, denn das Bistum Konstanz sorgte dafür, dass Geistliche aus umliegenden Gemeinden auch die seelsorgerische Arbeit von Hürbelsbach und Kleinsüßen übernahmen.
Ende der Pfarrei in Hürbelsbach
Am 14. Februar 1493 wurde die gesamte Pfarrei Hürbelsbach schließlich neu organisiert. In einem Vertrag wurde die Verlegung der Pfarrei von Hürbelsbach nach Kleinsüßen geregelt. Die Hürbelsbacher Kirche verlor ihren Status als Pfarrkirche. Im Kirchengebäude sollten künftig nur noch 1 Messe pro Woche und an besonderen, bis dahin üblichen Kirchenfesten Gottesdienste gefeiert werden: St. Laurentius, St. Stefan an Weihnachten, Ostermontag, an Pfingstmonstag, an Sonntag Laetare = Mittfasten und an Kirchweih. Das Kleinsüßener Patronat lag künftig - wie zuvor - beim Kloster Anhausen.Da die bestehende Ausstattung nun in der neuen Pfarrkirche, der Marienkapelle in Kleinsüßen, benötigt wurde, leerte man wohl die alte Pfarrkirche und brachte alles notwendige nach Kleinsüßen. Auf diese Weise gelangte also das Vortragekreuz aus staufischer Zeit dorthin.
Quellen und Literatur
Wilhelm Volkert, Die Regesten der Bischofe und des Domkapitels von Augsburg, Bd. 1, Augsburg 1985, S. 300, Nr. 506Ziegler Walter, Von Siezun bis Süßen - Ein Streifzug durch 900 Jahre, Süßen 1971, S. 33-41.
Die Zeit der Staufer, Bd. 1- Katalog, Stuttgart 1977, S. 510, Nr. 677a
Gabriele von Trauchburg, 1100 Jahre Gingen an der Fils, Gingen 2015
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